Als Zalando im März bekannt gab, 250 Marketing-Spezialisten durch Algorithmen ersetzen zu wollen, ging ein Raunen durch die Werbebranche. Hat man bislang doch gedacht, dass moderne Technologie und Automatisierung vor allem LKW-Fahrer und Kassierer ersetzen würde, macht sich nun auch die Marketing-Branche Gedanken um ihre berufliche Zukunft. Oliver Samwer prophezeit sogar einen digitalen Kahlschlag und wettet darauf, dass es bald keine SEO- oder Social-Media-Manager mehr geben wird.
All der Panikmache und Horror-Szenarien zum Trotz: Deutsche Arbeitnehmer sind sich der grundlegenden Umwälzungen im beruflichen Leben, die durch KI und Automatisierung vorangetrieben werden, durchaus bewusst. Die Mehrheit der volljährigen Arbeitnehmer (63 Prozent) geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz in den kommenden drei bis fünf Jahren hohe oder sehr hohe Auswirkungen für Betriebe und ihre Arbeitnehmer haben wird. Das geht aus einer aktuellen Studie des IMWF-Instituts für Management und Wirtschaftsforschung und des Marktforschungsinstituts Toluna hervor, für die 2.000 Arbeitnehmer ab 18 Jahren repräsentativ befragt wurden.
Die Untersuchung zeigt: Welche Fähigkeiten KI-getriebener Anwendungen den eigenen Arbeitsalltag am meisten beeinflussen wird, darüber gehen die Meinungen der Beschäftigten weit auseinander. Mit 42 Prozent erwartet der größte Anteil Berufstätiger die Übernahme menschlicher Arbeit im Büro, beispielsweise klassische Organisationsaufgaben wie Terminplanung und Raumreservierungen.
Welche Aufgaben wird KI im Job-Alltag übernehmen?
Quelle: IMWF Institut (Angaben in Prozent)
Mit deutlichem Abstand folgt mit 33 Prozent eine automatisierte Kundenberatung sowie die Vorhersage von Kundenverhalten und -nachfrage (31 Prozent). Hier könnten Beschäftigte in werbungtreibenden Unternehmen und Agenturen hellhörig werden, sind diese doch tagtäglich mit Kundemanagement beschäftigt. Immerhin: Ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass KI in den nächsten fünf Jahren keine Auswirkungen auf den beruflichen Alltag haben wird.
Mehr als jeder Vierte geht davon aus, dass KI künftig einfache berufliche Gespräche selbst führen wird. Hierbei könnten sich einige Befragten von der neuen Google-Software Duplex beeindruckt haben lassen, die vor wenigen Wochen auf der Entwicklerkonferenz I/O präsentiert wurde und für viel Aufmerksamkweit gesorgt hat. Die Sprachsoftware, die selbständig Frisörtermine plant oder Öffnungszeiten von Geschäften erfragt, ist am Telefon quasi kaum von einem Menschen zu unterscheiden, weil sie Laute wie "ähm" und "mmmh" in den Redefluss einwarf.
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Hilfreiche Technologie oder erbarmungsloser Job-Killer? Die Diskussion um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bewegt die Wirtschaft zurzeit wie kaum eine andere. Zumindest in der TMT-Branche spielen die Horrorszenarien keine große Rolle.
Google startet bereits breitere Tests mit Duplex. Eine kleine Gruppe von Nutzern werde über den Google Assistant die Duplex-Software zunächst beauftragen können, Öffnungszeiten von Geschäften zu erfragen. Später im Sommer soll es möglich sein, das Sprachprogramm einen Tisch in Restaurant oder einen Termin beim Friseur buchen zu lassen. Das sind einzigen Einsatzbereiche, für die Duplex bisher angelernt wurde. Die Software löste allerdings auch Diskussionen darüber aus, ob sich solche Technik grundsätzlich als Roboter zu erkennen geben muss oder nicht.
Wie über das Thema KI und dessen Auswirkungen auf die Job-Welt gedacht wird, ist vor allem abhängig vom Alter der Befragten. Das ist ein weiteres Ergebnis der IMWF-Studie. Demnach rechnen jüngere Arbeitnehmer deutlich mehr mit Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz durch Künstliche Intelligenz als ältere. Nur 17 Prozent der 18 bis 29-Jährigen gehen davon aus, dass keine der aufgeführten KI-Fähigkeiten ihre eigene berufliche Tätigkeit stark verändern wird. In der Altersgruppe ab 60 Jahren erwarten hingegen 41 Prozent, von den Umwälzungen durch Künstliche Intelligenz im Arbeitsleben verschont zu bleiben.
ron