Facebooks AR-Werbetool wird unter anderem von der Marke Michael Kohrs verwendet
Wenn es ums Einkaufen in der erweiterten Realität geht, drücken derzeit vor allem soziale Netzwerke aufs Gaspedal. Die Tech-Giganten Facebook und Snapchat liefern sich ein Wettrennen um den Thron in diesem lukrativen Markt und rüsten in Sachen Augmented Reality und Shopping ordentlich auf. Die App mit dem Geist könnte den großen Konkurrenten gar mit einer Amazon-Funktion ausstechen.
Wer im Netz auf Einkaufstour geht, kennt das Problem: Bei Produktbildern weiß man nie so genau, ob die Ware tatsächlich liefert, was sie verspricht. Im besten Fall lassen sich die Darstellungen im Netz um 360 Grad drehen. Im schlimmsten Fall muss der bestellte Tisch, der farblich dann doch nicht in die Wohnung passen will, wieder zurückgeschickt werden. Augmented Reality (AR), so die Hoffnung der Händler, soll diese Ärgernisse künftig aus der Welt schaffen und durch seinen spielerischen Aspekt nebenbei Spaß beim Einkaufen machen.
Und weil immer mehr Internetnutzer - vor allem die jüngeren - in sozialen Netzwerken auf Shoppingtour gehen, schicken sich nun auch die Social Networks an, in diesem boomenden AR-Markt anzugreifen - allen voran Facebook und Snapchat. Die beiden Plattformen suchen ihr Heil zu einem immer größer werdenden Teil im Onlinehandel und versuchen dort - nicht zuletzt aufgrund ihrer technologischen Power - mit Augmented-Reality-Funktionen zu trumpfen.
Den jüngsten Aufschlag machte Facebook. Das Unternehmen um CEO Mark Zuckerberg testet seit Dienstag ein neues Werbeprodukt, mit dem Nutzern ermöglicht wird, Produkte virtuell an- und auszuprobieren. Die sogenannten AR-Ads werden im Newsfeed ausgespielt und fordern den Nutzer auf, das beworbene Produkt per Smartphone-Kamera virtuell zu testen. Die Firma Michael Kors ist einer der ersten Anwender und bietet seine Sonnenbrillen für die virtuelle Anprobe an (siehe Video).
Michael Kors nutzt Facebooks AR-Ads
Noch befinden sich die AR-Ads in einer Testphase, doch im Laufe des Jahres sollen weitere Werbungtreibende darauf zugreifen können - genannt wird von Facebook etwa die Kosmetikkette Sephora. Aber auch für Modeanbieter oder Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie scheint die Anwendung sinnvoll. Wann das Werbemittel auch für deutsche Kunden zur Verfügung steht, ist bislang noch unklar.
Der Vorteil von AR-Ads liegt auf der Hand: Werbungtreibende können auf der einen Seite potenzielle Kunden auf eine sehr spielerische Art erreichen und dadurch den werblichen Charakter des Werbemittels deutlich reduzieren. Auf der anderen Seite schafft Facebook eine weitere Monetarisierungsmöglichkeit für seinen Newsfeed, der in den vergangenen Jahren durch zusätzliche Angebote wie Stories und Messenger deutlich an Bedeutung eingebüßt haben dürfte.
Social-Media-Experten werden sich allerdings fragen: Facebooks AR-Ads kommen mir doch bekannt vor? Und da dürften sie Recht haben. Im April hatte Snapchat das neue Werbeprodukt "Shoppable AR" ausgerollt, mit dem Nutzer die beworbenen Produkte virtuell in der App ausprobieren und kaufen können. Das soziale Netzwerk muss für den Kauf nicht mehr verlassen werden. Beispielsweise warb die US-Marke Clairol für ihr Haarfärbemittel, indem die Snapchat-Nutzer per Filter ihre virtuellen Haare färben konnten.
BVDW-Studie
Virtual und Augmented Reality sind in den Unternehmen angekommen
In der Mehrheit der deutschen Unternehmen gehören Augmented und Virtual Reality 2018 schon selbstverständlich zur Geschäftsstrategie. Allerdings sehen die Teilnehmer der BVDW-Studie in einer Technologie langfristig mehr Potenzial. ...
Jung von Matt und Ebay brachten die "Shoppable AR"-Funktion im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft erstmals nach Deutschland - und ließen die User das legendäre Götze-Siegtor von 2014 nachspielen. Der Onlinehändler verlinkte dabei auf seine Landingpage
ebay.de/jubelsommer und bot seinen Kunden spezielle WM-Schnäppchen an.
Die App um Gründer und CEO Evan Spiegel gilt als Vorreiter solcher AR-(Werbe)Tools, bekommt seit geraumer Zeit allerdings den Druck des Konkurrenten Facebook zu spüren. Dieser hat in den vergangenen zwei Jahren nahezu alle wichtigen Features von Snapchat in seine eigenen Apps integriert und dem Wettbewerber mit dem Geist auf diese Weise gehörig den Wind aus den Segeln genommen. Snapchats Umsatz im ersten Quartal 2018 erreichte mit 230 Millionen Dollar nicht die erhofften 245 Millionen Dollar.
Gut möglich also, dass CEO Spiegel nun versucht, sein Heil im AR-Shoppingbereich zu suchen, damit seine Plattform nicht komplett in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Darauf deutet auch eine neue Partnerschaft mit Amazon hin, auf die
Techcrunch erst vor wenigen Tagen aufmerksam machte. Demnach soll Snapchat an einer Kamera-Funktion arbeiten, die direkt zu Amazon-Produkten führt. Das könne man angeblich in den Code-Zeilen nachlesen. Heißt: Hält ein Snapchat-Nutzer seine Kamera auf ein Produkt, landet es anschließend ohne Umwege in seinem Amazon-Warenkorb.
Dadurch würde sich die App deutlich von Wettbewerbern wie Instagram abheben, das im Vergleich zu Snapchat mit seinen Stories gegenwärtig doppelt so viele User und ein sechsfach höheres Wachstum verzeichnet. Für den Fall, dass die App mit dem Geist im Rahmen dieser Partnerschaft einen Affiliate-Deal mit Amazon abgeschlossen hat, könnte sich für Snapchat zusätzlich ein neuer Umsatzkanal eröffnen.
Tritt Snapchat künftig also als AR-Shopping-App auf? Ob dieses Alleinstellungsmerkmal funktioniert, wird sich erst noch zeigen. Immerhin zappelt Facebook bekanntlich nicht lange, wenn es darum geht, erfolgreiche Funktionen anderer Plattformen zu übernehmen. Ohnehin deutet das weltweit größte soziale Netzwerk mit seinem neuen Produkt AR-Ads ähnliche Ambitionen an. Der Wettstreit in diesem Markt ist in vollem Gange.
ron