Sparkassen-Kunden können bereits seit dem vergangenen Jahr mit dem Smartphone bezahlen
Mit Karten oder Smartphone: Bargeldlos bezahlen wird langsam auch in Deutschland Trend. Der Handel investiert in entsprechende Payment-Technik, Smartphone-Hersteller und Finanzdienstleister bieten Apps und neue Services. Und die Marktdurchdringung wächst.
94% der Verbraucher in Deutschland besitzen eine Girocard, mehr als die Hälfte von ihnen bezahlt lieber ohne Scheine und Münzen. Dabei ist bargeldloses Zahlen eine Altersfrage: Wer unter 30 Jahre alt ist, bezahlt immer öfter mit Karte oder mobil Waren es im vergangenen Jahr noch 39%, die das bestätigten, sind es heute schon 51%. Dagegen greifen Menschen ab 45 Jahren lieber zu Scheinen und Münzen, 69% von ihnen haben daher auch Geld in der Tasche so
eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach.
Was Umfragen zeigen, bestätigen auch andere Zahlen: Im Vergleich zum Vorjahr wuchs laut Euro-Kartensysteme die Anzahl der bargeldlosen Transaktionen im ersten Halbjahr 2019 um 22%, die Erlöse stiegen um 16% auf rund 101 Milliarden Euro. Und es werden immer kleinere Beträge mit Karte bezahlt: Folglich sank die Durchschnittshöhe einer Zahlung mit Girocard auf 47,01 Euro – ein historisches Tief, was den Einsatz der Karte betrifft. Kontaktloses Zahlen wird zum Renner
Doch es geht nicht nur um Karten – kontaktlos muss
Payment heute funktionieren, also ohne das typische Durchziehen oder Scannen der Karte. Wollten 2017 rund 13% der Verbraucher so schnell und einfach bezahlen, sind es heute schon 44%. Und einer Statistik der Deutschen Kreditwirtschaft zufolge wurde im ersten Halbjahr 2019 etwa jede fünfte Bezahlung kontaktlos per Funkchip angenommen.
Die Kunden der Sparkassen mögen diese Bezahlform noch mehr – hier erreichen die kontaktlosen Transaktionen im ersten Quartal 2019 einen Anteil von 26% an allen Kartenzahlungen, die S-Payment, ein zentraler Payment-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe. Der Anteil dürfte weiter wachsen, weil die Sparkassen gerade alle Karten austauschen und bis Jahresende 97% ihrer Girocards mit Funkchip ausgerüstet haben wollen. Zum Vergleich: Andere Banken planen mit 55% der neuen Karten.
Vorteile treiben das bargeldlose Bezahlen voran
Da stelllt sich die Frage, wer eigentlich diese Entwicklung treibt: Sind es die Finanzdienstleister? Die Konsumenten? Oder doch der Handel? Wahrscheinlich alle Beteiligten, denn jede dieser Gruppen profitiert auf ihre Weise. Der Handel etwa hofft auf höhere Einnahmen und Erlöse. Das zumindest ist ein Ergebnis der Studie
„Besser bargeldlos als Bargeld los – Potenziale digitaler Zahlungsverfahren im Mittelstand“, die die Marktforschung und Beratung ECC aus Köln gerade vorgelegt hat. Darin beobachten 53% der befragten Händler ein Umsatzplus nach der Einführung bargeldloser Bezahlverfahren, 51% konnten so neue Kunden für sich gewinnen, 43% registrierten einen Anstieg bei Rechnungssummen und in Warenkörben. Kunden kaufen bargeldlos mehr und häufiger Teures ein.
Kein Wunder also, dass im Handel das Thema „innovatives Bezahlen“ gerade sehr weit oben auf der Agenda steht. Laut Einzelhandels-Institut (EHI) steigt daher gerade die Bereitschaft, in die notwendige Technik zu investieren. Fast jedes zweite Handelsunternehmen (45%) plane, seine
Infrastruktur kurz- bis mittelfristig zu modernisieren, im letzten Jahr hatten das nur 34% vor.
Neue Terminals, neue Systeme, neue Software
Auch Euro-Kartensysteme bebachtet, dass die Zahl der Terminals, die kontaktloses Bezahlen zulassen, gerade im Handel steigt. Inzwischen sind 856.000 Terminals installiert – mehr als 4% mehr als noch Ende 2018. Vor allem Bargeld-Domänen wie Bäckereien, Drogerien und Supermärkte haben aufgerüstet und sorgen so für eine sträkere Marktdurchdringung.
Außerdem treiben neue Bezahlverfahren von Internet- und Technologie-Unternehmen die Entwicklung: Apple Pay, Google Pay, Payback Pay, Blue Code sowie die digitale Karte von Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind im vergangenen Jahr auch in Deutschland angekommen, werden insbesondere von jungen Menschen gerne genutzt und sorgen für Umrüstungen. Laut EHI setzt etwa die Hälfte der Händler neben Near Field Communication (NFC)-Schnittstellen, die sowohl für kontaktloses wie mobiles Bezahlen zu nutzen sind, auch auf QR- und Barcode-Scanner, mit denen Lösungen wie Payback-Pay, Bluecode sowie die chinesischen Bezahlvarianten AliPay und WeChatPay, die in Deutschland immer beliebter werden, genutzt werden können.
Unterschiedliche Verfahren, unterschiedliche Geschwindigkeiten
Die NFC-Schnittstellen sind ohne große Aufrüstung auch mit den Bezahllösungen Apple-Pay, Google-Pay sowie mit den Apps von Sparkassen und Genossenschaftsbanken kompatibel. Beim Bezahlen erweisen sie sich schneller, außerdem können sie mehr als nur Geld annehmen. QR-Code-basierte Bezahllösungen erreichen indes laut EHI mehr Kunden, weil sie meist mit Apps genutzt werden und daher unabhängig sind von den Systemen der Technik- und Internetkonzerne. 48% der Unternehmen setzen bereits QR-Code-Leser ein und nutzen diese auch zum Bezahlen.
Unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Einführung
Es geht voran in Deutschland mit dem mobilen und bargeldlosen Bezahlen. Doch andere Länder sind bereits weiter: Am weitesten ist Mobile Payment laut der US-Marktforschung
emarketer.com in China verbreitet. Dort nutzen mehr als 80% der Smartphone-Nutzer Apps von Alipay, WeChat oder anderen Internetkonzernen. Deutlich langsamer kommt das mobile Bezahlen in Europa, aber auch in den USA voran: In Dänemark zahlen 40% der Nutzer mit Smartphone, in Süd-Korea 37% und in Schweden 36%. In den USA setzen 28% das Smartphone als Portemonnaie ein. In Deutschland indes bezahlen erst 5% der Kunden regelmäßig mit dem Smartphone an der Ladentheke. Bei den so gennannten jungen Smart-Consumern, die ohne mobiles Devoice gar nicht mehr leben können, sind es laut Marktforschung IFH bereits 10%. Deutsche Verbraucher sind kritischer, was das Bezahlen angeht, ihnen reicht oft die Sicherheit der digitalen Systeme noch nicht aus. Und sie sind deutlich sparsamer mit Daten, wollen nicht, dass Händler, Banken und auch der Staat jede ihrer Vorlieben bis ins kleinste Detail kennen. Wahrscheinlich ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis Mobile Payment hier keine Diskussionen mehr verursacht: 40% der heute 16- bis 29-Jährigen bezahlen am liebsten mit dem Smartphone, hat die Initiative Deutsche Zahlungssysteme herausgefunden.
Immer mehr Mobile Payment erwartet
Wie bei der Kartenzahlung, die sich in Deutschland ebenfalls nur langsam durchgesetzt hat, wird kontaktloses und Mobile Payment mit den Angeboten des Handels weiter zunehmen. Discounter Lidl will in seine App ein eigenes Zahlsystem integrieren, um damit bei jungen Verbrauchern zu punkten. Dass sich die Investitionen langfristig rechnen können, will die bereits genannte Studie von ECC beweisen, sie wurde allerdings auch im Auftrag des Kartenanbieters Concardis erstellt: Drei von vier der befragten Unternehmen benötigten für die Abwicklung digitaler Zahlungen weniger als 20 Minuten pro Tag, mit Bargeld beschäftigen sie sich 29 Minuten. Die gewonnene Zeit hilft Händlern, Wirten und Hoteliers, sich um dringendere Probleme zu kümmern.
Doch nicht nur die Systemanbieter, auch die Finanzwirtschaft verbindet mit dem neuen Bezahlen eigene Interesse: Sie will sich gegen Internetkonzerne auf ihrem Terrain behaupten. Daher gingen die Sparkassen im Sommer 2018 mit der App „Mobiles Bezahlen“ an den Start und erweiterten damit zunächst für Android-Smartphones das Angebot an Zahlungslösungen. Inzwischen haben laut
Finanzgruppe 673.000 Kunden die App installiert und 394.000 ihre Geldkarten digitalisiert: 87% seien girocards (Sparkassen-Cards). Noch in diesem Jahr werden die Sparkassen auch Apple Pay einführen.
Zufriedenheit fördert Marktdurchdringung
Nicht zuletzt urteilen Kunden positiv über das neue Bezahlen: Wer einmal per Smartphone bezahlt hat, berichte von überwiegend positiven Erfahrungen, lässt Euro-Kartensysteme wissen. Mehrheitlich wollten die ersten Nutzer wieder bargeldlos bezahlen, wenn sie dies könnten. Die Möglichkeiten dazu wachsen: Seit August 2019 können rund 2,3 Millionen Sparkassenkunden, die eine Kreditkarte von Visa besitzen, diese ebenfalls in der Bezahl-App digitalisieren. Händler unterstützen das neue Bezahlverhalten mit neuer Technik. Gut möglich, dass es wie in Skandinavien auch hierzulande bald die regel wird, ohne Münzen und Scheine auszukommen: In Schweden werden laut Bitkom bereits 95 % des Umsatzes im Einzelhandel elektronisch abgewickelt, in Deutschland indes 48,6%.