Volocopter

Warum das deutsche Lufttaxi-Start-up einen Marketingchef sucht

Volocopter will den Traum vom Fliegen für Jedermann realisieren.
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Volocopter will den Traum vom Fliegen für Jedermann realisieren.
Auf der Tech-Messe CES in Las Vegas gehörte das deutsche Lufttaxi-Start-up Volocopter vor wenigen Tagen zu den gefeierten Stars. Die Newcomer aus dem beschaulichen Bruchsal wollen schon bald autonome Fluggeräte für Jedermann auf den Markt bringen und haben sich nun auf die Fahnen geschrieben, zur globalen Marke aufzusteigen. Dabei helfen soll möglichst bald eine eigene Marketingabteilung, wie Mitgründer Alexander Zosel im Interview mit HORIZONT Online ankündigt. Die Suche nach einem Head of Marketing ist angelaufen.
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Herr Zosel, wenn es nach Ihnen geht, fliegen wir in ein paar Jahren in kleinen autonomen Flugtaxis durch die Innenstadt. Ist das wirklich realistisch? Auf jeden Fall. Unser Ziel ist, ein autonom fliegendes Lufttaxi für Jedermann zu etablieren. Die Menschen werden ein solches Gerät aber nicht selbst besitzen, sondern bequem über eine App bei Bedarf für einen bestimmten Trip buchen - beispielsweise vom Flughafen zur Messe – und mobil bezahlen. Die Kosten werden dabei vergleichbar sein mit einem Limousinenservice – also nicht viel teurer als ein Taxi, jedoch mit einer großen Zeitersparnis.

Mitgründer Alexander Zosel im Volocopter
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Mitgründer Alexander Zosel im Volocopter
Also eine Art Uber für die Luft? Wir sagen dazu "Autonomous Air Taxi". Den Begriff haben wir ins Leben gerufen, um unseren Partnern und den Behörden zu erklären, was wir da eigentlich machen. Wir könnten nun schon sehr bald einen pilotierten Volocopter auf den Markt bringen, für den wir die Zulassung für Testflüge in Deutschland bereits in der Tasche haben. Piloten machen aber Fehler. Deshalb ist es unser langfristiges Ziel, ein zweites Produkt - ein vollautonomes Gerät - zu verkaufen, das komplett ohne Piloten auskommt. Ein solches Gerät haben wir bereits entwickelt, es fehlen aber noch die Zulassungen.

Auf der Tech-Messe CES in Las Vegas haben Sie vor wenigen Tagen  den Volocopter vor Publikum abheben lassen und wurden daraufhin von der Branche gefeiert. Wie fühlt es sich an, als Start-up aus dem beschaulichen Bruchsal in den USA so bejubelt zu werden? Was auf der CES passiert ist, habe ich noch nie erlebt. Es war einfach phantastisch. Wir durften den Volocopter auf der wichtigsten Bühne der CES präsentieren und während der großen Eröffnungs-Keynote von Intel-Chef Brian Kzarnich zum Messebeginn für ein paar Sekunden abheben. Tausende Menschen haben live miterlebt, wie die Mobilität der Zukunft aussehen könnte. Mehr PR geht fast nicht.

PR ist ein gutes Stichwort. Wie sieht eigentlich Ihre Marketingstrategie aus? Wir haben noch keine. Bislang haben wir uns in der Regel über abgeschlossene Finanzierungsrunden vermarktet, die wir an große Meilensteine geknüpft haben. Also ohne großes Budget und hauptsächlich über PR. Das werden wir jetzt aber ändern und sind gerade dabei, eine professionelle Marketingabteilung aufzubauen, für die wir unter anderem auch einen exzellenten Marketingchef suchen.

Marketing ist also für Sie eines der wichtigsten Themen 2018? Genau. Wir wollen eine globale Marke werden, die ihren Service weltweit in allen Innenstädten anbieten möchte. Und eine globale Marke wird man nicht, wenn man nur PR macht. Wir haben festgestellt, dass Volocopter in der Medienberichterstattung und vom Endkonsumenten häufig gleichwertig behandelt wird mit Firmen, die nur schöne Skizzen von ihren Konzeptfliegern veröffentlichen und wahrscheinlich nicht einmal in fünf Jahren ein Gerät bauen werden. Das ist ein Problem, weil wir technisch viel weiter sind.

So sieht das Lufttaxi im Einsatz aus: Volocopter

Wie groß soll das Marketingteam werden? Zu Beginn nicht sehr groß, vielleicht drei bis fünf Leute. Aber es wird stetig wachsen, weil wir uns künftig weltweit aufstellen werden und Niederlassungen außerhalb Deutschlands planen. Wie schnell wir wachsen, kann man an unserem Hauptsitz in Bruchsal bei Karlsruhe beobachten: Dort arbeiten derzeit etwas mehr als 50 Mitarbeiter, die Zahl steigt aber fast täglich. Manchmal komme ich ins Büro und blicke in drei Gesichter, die ich noch nie gesehen habe.

Im Herbst 2017 ist der Volocopter zum ersten Mal vollautonom durch eine Innenstadt geflogen – und zwar über Dubai. Warum gerade dort? Die Luftverkehrsbehörde von Dubai hatte uns damit beauftragt. Die Behörden wollten mit uns zusammen das Fahrzeug entwickeln und dann in der realen Umgebung und öffentlich testen. Das ist uns dann auch gelungen, der Volocopter schwebte unfallfrei über die Stadt. Interessant ist, dass die Behörden in Dubai vom autonomen Fluggerät viel überzeugter waren als vom pilotierten, weil es schlichtweg sicherer ist. Wir hatten aus Imagegründen aber bislang immer darauf verzichtet, das autonome Gerät vorzuzeigen, weil es nicht zugelassen ist.

Der Volocopter hebt in Dubai ab - das Making of

Sie haben Ihre Technologie also mehr oder weniger versteckt gehalten. Kann man so sagen. Vor zwei Jahren hatte ein chinesischer Flugtaxi-Anbieter auf der CES viel Aufmerksamkeit ergattert mit einem autonom fliegenden Gerät. Danach haben uns viele Leute angesprochen und gefragt, warum wir das noch nicht können. Was die wenigsten wussten: Wir flogen zu diesem Zeitpunkt schon längst autonom und hatten eine Maschinen-Mensch-Schnittstelle definiert, die extrem komplex und andererseits kinderleicht zu bedienen war. Das hat uns sehr geärgert. Deshalb hatten wir dann beschlossen, verstärkt in die Öffentlichkeit zu gehen. Ein paar Wochen später kam dann der Anruf aus Dubai.

Wie stellen Sie sich denn die Stadt der Zukunft vor? Im Prinzip muss man sich das vorstellen wie das U-Bahn-System in Metropolen. Wir sind davon überzeugt, dass es ebenso Volocopter-Stationen geben wird, die freilich etwas höher angesiedelt sind – beispielsweise auf dem Dach eines Einkaufszentrums oder am Flughafen. Zwischen diesen Stationen werden Regelbetriebe stattfinden. Wir gehen davon aus, dass wir mit zwei Stationen anfangen werden, die über einen Flaschenhals gehen, etwa über die Bay Bridge bei San Francisco, die fast immer verstopft ist. Im Anschluss werden diese – auch Point-to-Point-Verbindungen genannt -miteinander vernetzt, sodass ein ganzes Lufttaxi-Streckensystem entsteht.
Manchmal komme ich ins Büro und blicke in drei Gesichter, die ich noch nie gesehen habe.
Alexander Zosel, Volocopter
Wann haben wir dieses Szenario? Die ersten Point-to-Point-Verbindungen, die man als Ottonormalverbraucher nutzen kann, werden in zwei bis drei Jahren aufgebaut sein. Wo das sein wird, können wir noch nicht sagen.

Könnte die erste Verbindung auch in Deutschland eröffnen? Klar, warum denn nicht?

Naja, wenn selbst Uber hierzulande mit den strengen Behörden zu kämpfen hat und bis auf wenige Ausnahmen verbannt wurde, wie will sich dann erst ein fliegendes Taxi behaupten? Wir haben sowohl von europäischen als auch von deutschen Behörden vollen Rückenwind. Seit vier Jahren sind wir in einem Projekt mit dem Verkehrsministerium, eine eigene Luftfahrtklasse für Multicopter zu gestalten und haben 2016 eine Zulassung fürs pilotierte Gerät erhalten. Solch eine Zulassung gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Deutschland ist das erste Land, das einen Multicopter zugelassen hat. Die Behörden sind also hierzulande extrem fortgeschritten.

Mag man kaum glauben. Deutsche Behörden wollen Sicherheit. Alles, was Sicherheit erzeugt, macht den Behörden Spaß. Und wir sind extrem sicher. Ein Beispiel: Auf der CES in Las Vegas war der Chef der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA zu Gast und saß mit mir im Volocopter. Er war außer sich vor Freude und sagte, er könne es kaum erwarten, bis die Flieger endlich abheben dürfen. In die Karten spielen uns natürlich auch unsere Partner Daimler und Intel, die in unsere Technologie investiert haben. Die beiden Firmen würden kein Geld in unser Unternehmen stecken, wenn sie sich nicht vorher von der Sicherheit überzeugt hätten.

Neben Volocopter gibt es mit Lilium ein zweites aussichtsreiches Lufttaxi-Start-up aus Deutschland. Wie kommt es, dass gerade deutsche Start-ups in diesem Bereich anscheinend so erfolgreich sind? Die Deutschen sind Engineering-Natives. Deutsche Ingenieure sind nie zufrieden, wollen jeden Prozess optimieren und trauen sich an extrem komplexe Technik heran. Und weil das Sicherheitsbedürfnis beim autonomen Fliegen außerordentlich hoch ist, kommt uns unsere deutsche DNA zugute. Ohne diesen Sicherheits- und Qualitätsanspruch hat man in diesem Markt keine Chance. Viele Amerikaner haben mir erzählt, dass sie sich nicht in jedes Lufttaxi setzen würden, sehr wohl aber in ein deutsches – "Made in Germany" bleibt ein Qualitätssiegel.
Wie blicken Sie auf den Konkurrenten Lilium aus München? Lilium und Volocopter sind zwar beides Lufttaxi-Unternehmen, bedienen aber zwei völlig unterschiedliche Konzepte. Technisch betrachtet ist Lilium ist ein Hybrid aus Hubschrauber und Jet, wir hingegen sind ein reiner Hubschrauber. Der Markt wird sich in naher Zukunft aufteilen in verschiedene Segmente: Der Volocopter ist bestens geeignet für kurze Trips in der Innenstadt, der Lilium-Jet hat seine Stärken in der Langstrecke. Wir erobern den Markt zusammen, brauchen also keine Angst voreinander haben.

Es ist schon kurios: Autonom fahrende Autos rollen gerade erst auf die Straßen und wir sprechen schon übers autonome Fliegen. Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass autonomes Fahren so schnell kommen wird, wie viele erwarten. Man müsste dann nämlich Mobilität in der Innenstadt komplett anders denken. Stellen Sie sich vor, alle Autos fahren plötzlich autonom: Die Fußgänger würden einfach bei Lust und Laune über die Straße gehen, weil sie genau wissen, dass die autonomen Fahrzeuge bei einem Hindernis abbremsen. So entsteht wieder ein Verkehrschaos, das wir ja eigentlich verhindern wollten. Heißt: Entweder man hält den Fußgänger von der Straße fern oder man verlagert den Verkehr in die Luft.

Interview: Giuseppe Rondinella




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