Seit knapp einem Jahr ist der Elektronikriese Samsung mit seinem Investmentarm Next auch in Berlin vertreten und sucht von dort aus systematisch nach interessanten europäischen Start-ups. Felix Petersen, der das Europageschäft für Samsung Next leitet, zieht im Interview mit HORIZONT Online ein erstes Fazit und erklärt, für welche zwei jungen Firmen er bereits das Portmonnaie geöffnet hat. Die Schlagzahl will er nun ordentlich erhöhen - und besonders nach Blockchain-Firmen Ausschau halten.
Felix, was genau macht Samsung Next eigentlich? Samsung Next ist der Corporate-Innovation-Arm für Software und Services von Samsung. Die Gruppe wurde vor vier Jahren gegründet - ganz bewusst im Silicon Valley und nicht in Südkorea, um enger mit Start-ups interagieren zu können. Samsung hat zwar Hardware in seiner DNA, der Wert von Produkten kommt jedoch zunehmend nicht mehr von der Hardwareseite, sondern ist untrennbar mit der Software verbunden. Oftmals ist die ganze User-Experience nur noch von der Software abhängig. Deshalb halten wir mit Samsung Next nach Start-ups in diesem Umfeld Ausschau und investieren in sie oder übernehmen sie.
Samsung ist ein riesiger Konzern. Warum entwickelt er die benötigten Technologien nicht einfach inhouse? Natürlich ist Samsung im Bereich Forschung und Entwicklung sehr gut aufgestellt. Trotzdem sollte jeder große Konzern die Augen offen halten und schauen, was auf dem Markt passiert. Es gibt immer mal wieder Entwicklungen, die man nicht unbedingt kommen sieht - dann sollte man unter Umständen darauf reagieren können und potenzielle Konkurrenten aufkaufen, wie Google mit Youtube oder Facebook mit Instagram. Es gibt nur wenige Unternehmen, die das können, und Samsung ist eines davon. Letztes Jahr haben wir beispielsweise die US-Firma Harman übernommen, was uns im Grunde genommen die gesamte Lieferkette für die Automobilindustrie aufgeschlossen hat.
Wer ist Felix Petersen?
Felix Petersen ist seit knapp einem Jahr Managing Director bei Samsung Next in Europa. Zuvor machte er sich als Seriengründer einen Namen - unter anderem gründete er das Geo-Start-up Plazes, welches 2008 von Nokia gekauft wurde, sowie das Meinungstool Amen, das 2011 von Tape TV übernommen wurde. Außerdem ist Petersen als Angel Investor und Start-up-Berater tätig, etwa bei Soundcloud und DataMiner.
Wie viele Übernahmen hat Samsung Next getätigt? Weltweit haben wir bislang 45 Start-ups übernommen. Ein gutes Beispiel ist die US-Firma Smartthings aus Palo Alto, die wir gekauft haben und die heute ein wesentlicher Bestandteil von Samsungs IoT-Angebot darstellt. Ein anderes Beispiel: Aus dem Start-up Loop Pay, das wir 2015 akquiriert haben, ist mittlerweile unser mobiler Bezahldienst Samsung Pay geworden.
Seit Sommer vergangenen Jahres sucht ihr aus einer Berliner Zentrale auch nach europäischen Start-ups. Wie läuft die Suche? Wir sind sehr zufrieden. Die ersten zwei Deals sind bereits eingetütet. Zum einen haben wir die griechische Firma Innoetics übernommen, die auf Text-to-Speech-Technologie spezialisiert ist. Zum anderen haben wir in das portugiesische Start-up Unbabel investiert, das eine Übersetzungssoftware entwickelt, die mit Künstlicher Intelligenz funktioniert.
Griechenland und Portugal? Ich wusste gar nicht, dass das Start-up-Hochburgen sind. Sind sie auch nicht. Aber das heißt ja nicht, dass dort keine interessanten Firmen entstehen können.
Das heißt, ihr schaut auch in die entlegenen Ecken Europas? Genau das ist die große Herausforderung in Europa. Der Kontinent hat zwar in Summe das zweitgrößte Gründer-Ökosystem, doch die Hotspots sind breit verteilt: Deutschland, Großbritannien, Schweden oder Frankreich. Paris war bis vor kurzem gar kein Thema, mittlerweile passiert dort unheimlich viel - vor allem im Bereich Künstliche Intelligenz.
Welche Themen interessieren euch besonders? Wir sind vor allem an Deep-Tech-Themen interessiert wie autonomes Fahren, IoT und Automatisierung. Das sind alles Themen, die beispielsweise in der Schweiz, in München oder im Südwesten Deutschlands zu finden sind, also dort, wo die Industrie ist. Berlin ist für uns tatsächlich gar nicht so interessant. Ansonsten schauen wir uns im Umfeld von Eliteuniversitäten um, etwa an der ETH Zürich.
Wieso das? Das liegt daran, dass die Themen immer technischer und komplexer werden. Wir sehen mittlerweile eine Digitalisierung von sehr spezifischen Dingen, für die Gründer eine eigene proprietäre Technologie mitbringen müssen, etwa von einer Universität. Das sind junge Menschen, die viele Jahre Forschung hineingesteckt haben und dann eine Firma gründen. Heißt im Umkehrschluss: Die berühmten „Low hanging fruits“ sind meines Erachtens längst abgeerntet. Mit drei Mann in der Garage das nächste Instagram bauen ist nicht mehr so leicht.
Die berühmten 'Low hanging fruits' sind meines Erachtens längst abgeerntet. Mit drei Mann in der Garage das nächste Instagram bauen ist nicht mehr so leicht.
Felix Petersen, Samsung Next
Die Blockchain ist so ein spezielles Thema - und derzeit vor allem sehr in Mode. Schaut ihr euch auch in diesem Bereich um? Auch in diesem Bereich haben wir unsere Augen offen, ja. Da stehen wir allerdings noch ganz am Anfang, der Stack wird gerade erst gebaut. Aber wenn die Infrastruktur steht, auf der komplette Dienste aufgebaut werden können, dann hat die Blockchain in meinen Augen das Potenzial, die Karten nochmal komplett neu zu mischen. Etablierte Plattformen, von denen man denkt, sie sind unangreifbar - Facebook, Google, Uber, Airbnb oder Amazon - könnten potenziell komplett disruptiert werden.
Auch von europäischen Blockchain-Start-ups? Gut möglich. Der komplette Krypto-Markt beispielsweise ist ja ein globales Phänomen und keinesfalls vom Silicon Valley getrieben. Kryptowährungen sind vermutlich die erste große digitale Innovation der letzten 15 Jahre, die nicht aus dem Silicon Valley stammt. Ich denke, dass wir im Umfeld dieser Dezentralisierungstechnologie in Europa sehr wahrscheinlich demnächst investieren werden. Dazu müssen wir aber erst einmal herausfinden, welche Projekte überhaupt Sinn machen und welche nicht.
Die Blockchain hat das Potenzial, die Karten nochmal komplett neu zu mischen. Etablierte Plattformen, von denen man denkt, sie sind unangreifbar - Facebook, Google, Uber, Airbnb oder Amazon - könnten potenziell komplett disruptiert werden.
Felix Petersen, Samsung Next
Kommen wir nochmal auf das neue Berliner Büro von Samsung Next zu sprechen. Wie groß ist das Team mittlerweile? Ab Mai sind wir elf Mitarbeiter in Berlin, zusätzlich haben wir seit Januar zwei Leute in London sitzen und wahrscheinlich wird in diesem Jahr ein weiterer in Paris stationiert. Das Berliner Büro, das wir gerade aufbauen, ist aber nicht nur für unsere Next-Leute gedacht sondern auch für unsere Portfoliofirmen. Außerdem wird es für Events genutzt und ein Podcast-Studio kommt hinein.
Wie sieht euer Plan für dieses Jahr aus? Wie viele Firmen-Übernahmen habt ihr euch vorgenommen? Das Ziel für 2018 ist, in eine Firma pro Monat zu investieren beziehungsweise sie zu übernehmen.
Und wie viel Geld habt ihr dafür zur Verfügung? Wir investieren von Seed bis Series B, also eher zu einem frühen Zeitpunkt. Bei Summen bis zu drei Millionen Euro pro Runde ist das bei Samsung Next ein sehr unkompliziertes Prozess, wir können in dieser Spanne recht schnell entscheiden. Bei Akquisitionen gibt es keine Obergrenze.
Interview: Giuseppe Rondinella