Russland 2018

Wie Snapchat die Fußball-WM für sich nutzen will

Für Snapchat ist die Fußball-WM in Russland eine große Sache
Fotolia / HORIZONT
Für Snapchat ist die Fußball-WM in Russland eine große Sache
Die diesjährige Fußball-WM in Russland spielt in den Plänen von Snapchat eine extrem wichtige Rolle. Die App hat einige Content-Kooperationen - auch für den deutschsprachigen Raum - an Land gezogen und wird vermutlich spezielle Fußball-bezogene Features starten. Durch diese thematisch zentrierten Angebote erhofft sich der Betreiber Snap, der zuletzt an der Börse wieder etwas an Boden gut machen konnte, auch einen Schub für die Werbevermarktung.
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Was war das für ein ohrenbetäubender Lärm, den die Vuvuzelas bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika in den Stadien erzeugten. Fans und Profi-Kicker beschwerten sich gleichermaßen über Tinnitus und Kopfschmerzen, konnten sich aufgrund des Lärms kaum noch verständigen. Und dennoch waren die nervtötenden Plastiktröten mit Abstand das beliebteste Fan-Utensil.


Den Alltagsbegleiter von heute, das Smartphone, hatten in Südafrika wohl noch nicht so viele Fans in ihrer Hosentasche mit dabei. Das iPhone war damals erst in seiner vierten Generation. Das Wort "Selfie" kannte niemand, Dienste wie Snapchat, Instagram und Tinder gab es nur als Idee in den Köpfen der Gründer. Bild schießen, Filter drüberlegen, in sozialen Netzwerken hochladen – daran dachten damals wahrscheinlich nur die wenigsten Vuvuzela-Tröter.

Heute, acht Jahre später, ist das Smartphone aus dem gesellschaftlichen Leben freilich nicht mehr wegzudenken und zu einem alltäglichen Begleiter avanciert – auch im Fußballstadion. Das WM-Turnier in Brasilien 2014 kann man rückblickend getrost als erste "Social-Media-Weltmeisterschaft" bezeichnen und auch in diesem Jahr werden in den russischen Stadien wieder tausende Smartphone-Kameras auf das Spielgeschehen gerichtet sein.

Einen großen Nutzen aus dieser Entwicklung will nun vor allem ein soziales Netzwerk ziehen, das bei der vorletzten Weltmeisterschaft noch gar nicht existierte: Snapchat. Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, spielt das Fußballturnier im Sommer für die 2011 gegründete US-Firma eine extrem wichtige Rolle. "In diesem Jahr werden die Smartphone-Kameras und die visuelle Kommunikation eine größere Rolle spielen als jemals zuvor, wenn es darum geht, wie Menschen bei der Weltmeisterschaft 2018 miteinander kommunizieren, feiern und mitfiebern", prophezeit Will Scougal, Snaps oberster Kreativstratege für den europäischen Markt.

Snapchat in Zahlen
Snapchat zählt aktuell mehr als 187 Millionen täglich aktive Nutzer, mehr als 6 Millionen kommen aus Deutschland, 12 Millionen aus Großbritannien und 11 Millionen aus Frankreich. Die App erreicht eigenen Angaben zufolge jeden Tag 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland. Die deutschen Medienpartner wie Bild und Spiegel erzielen durchschnittlich drei bis vier Millionen Aufrufe pro Monat, 90 Prozent dieser Nutzer sind nicht älter als 25 Jahre.
Und damit die Fußball-Fans möglichst über die eigene Plattform kommunizieren, hat Snapchat bereits einige Vorkehrungen getroffen. So hat die App mit dem Geist eine Partnerschaft mit dem US-Sender Fox Sports geschlossen, der exklusive Inhalte der WM-Begegnungen über den Medienbereich Discover veröffentlichen wird - unter anderem kurze Zusammenfassungen, Spielvorschauen und Features. Snapchat selbst wird darüber hinaus im Discover-Bereich sogenannte "Our Stories" zeigen, also eigenhändig kuratierte Zusammenstellungen von Snapchat-Postings aus den Stadien - auch auf Deutsch übrigens.

Für den englischen, französischen, arabischen, spanischen und deutschen Markt tut sich Snapchat außerdem mit dem britischen Publisher Copa90 zusammen, der 45 eigene Stories exklusiv für Snapchat produzieren wird - jeweils in den Landessprachen. "Moderne Fußballfans konsumieren diese Inhalte zunehmend außerhalb traditioneller Plattformen", begründet Copa90-Chef James Kirkham die Snapchat-Partnerschaft und teilt gleichzeitig gegen TV aus.
Durch diese thematisch zentrierten Angebote erhofft sich Snap auch einen Schub für die Werbevermarktung. Snapchats Marketing-Verantwortliche werben seit Neuestem damit, dass angeblich 74 Prozent aller britischen Snapchat-Nutzer gespannt darauf seien, was sich die Werbungtreibenden während der WM in der App so alles einfallen lassen. 87 Prozent aller Snapchat-Nutzer planen zudem, die WM in der App zu verfolgen.

Snapchats DACH-Chefin Marianne Bullwinkel berichtet auf Nachfrage, dass hierzulande "diverse Marken" zu dem Thema trommeln werden. Zudem würden die fünf deutschen Medienpartner Bild, Spiegel Online, Sky Sport, Vice und Bunte die WM aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. "Die WM ist definitiv ein großes Event für Snapchat in Deutschland - erfahrungsgemäß sehen wir einen starken Anstieg von Nutzung und Engagement", so Bullwinkel, die vor wenigen Wochen im HORIZONT-Interview eine Werbeoffensive angekündigt hatte.
Die WM ist definitiv ein großes Event für Snapchat in Deutschland - erfahrungsgemäß sehen wir einen starken Anstieg von Nutzung und Engagement.
Marianne Bullwinkel, Snap
Vor allem das Augmented-Reality-Tool Face-Lense dürfte für Werbungtreibende eine spannende Möglichkeit sein, um im Fußball-Umfeld aktiv zu werden. Dabei handelt es sich um Filter, die sich die Nutzer in der Kamera über ihre Gesichter schieben können, beispielsweise Fan-Bemalungen. Snapchat könnte zur WM etwa durch Werbekunden gesponserte Face Lenses anbieten. In Deutschland experimentierte Snapchat mit dem Feature erstmals vor einem Jahr zum Rückrundenstart in der Bundesliga. Die App hatte sich dazu mit zahlreichen Fußballclubs zusammengetan und 13 Face-Lenses gelauncht, mit denen Nutzer ihre Gesichter in den Farben ihres Lieblingsclubs schmücken konnten.

Ähnliches sei auch für die WM in Russland geplant, ist aus Unternehmenskreisen zu hören. Die Zahlen sprechen für sich: Allein am Tag des Finalspiels der Champions-League-Saison 2016/17 nutzen die Snapchatter Face-Lenses und andere Filter mehr als 1,2 Milliarden Mal. "Jedes Mal eine Gelegenheit für Werbungtreibende, in den Snaps, die sich die User hin- und herschicken, präsent zu sein", wirbt das Unternehmen auf seiner Homepage.

So könnte für Snap ein bislang recht intensives Sportrechtejahr 2018 weiter gehen. Im Frühjahr übte die App bereits den Schulterschluss mit Eurosport und zeigte exklusive Inhalte von den Olympischen Spielen in Pyeongchang. ron




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