Marcel soll 80.000 Publicis-Mitarbeiter besser vernetzen.
Publicis und Microsoft haben heute in Paris erstmals ihre gemeinsam entwickelte KI Marcel der Öffentlichkeit präsentiert. Sie soll aus der französischen Holding nicht weniger als eine Tech-Plattform machen und 80.000 Angestellten bei ihrer täglichen Arbeit unter die Arme greifen. Wie funktioniert Marcel und was kann die KI? Ein Überblick.
Gespannt hat die Werbe- und Technologiebranche auf das gewartet, was Publicis und Microsoft in den vergangenen Monaten in enger Zusammenarbeit auf die Beine gestellt haben. 400 Presse- und Unternehmensvertreter sind der Einladung in das Hôtel Salomon de Rothschild in der Pariser Innenstadt gefolgt.
Und was die beiden Firmenchefs
Arthur Sadoun und
Satya Nadella in dem 146 Jahre alten Herrenhaus präsentierten, kann sich durchaus sehen lassen. Mehr noch: Marcel muss den Vergleich mit Apples Siri oder Amazons Alexa nicht wirklich scheuen. Das Motto des Launch-Events ist entsprechend offensiv gewählt worden: "Break the Industry".
Marcel: The Demo
Bei Marcel, übrigens benannt nach dem Publicis-
Firmengründer Marcel Bleustein-Blanchet, handelt es sich um eine Künstliche Intelligenz, die in eine extra dafür entwickelte App integriert ist. In dieser App, die sowohl für Android als auch für iOS verfügbar ist, sollen Kreative von Publicis alle ihre Fragen loswerden und nebenbei für eine bessere Vernetzung der Mitarbeiter und einen effizienten Wissenstransfer sorgen.
Ein Beispiel: Sucht eine Kreative bei Starcom in Singapur für ihr Projekt einen Retail-Experten, muss sie in der App einfach fragen - entweder als Sprachbefehl oder Texteingabe. Marcel spuckt daraufhin 359 passende Mitarbeiter aus, von denen jeder ein eigenes Profil hat, ähnlich wie in einem sozialen Netzwerk. Darin ist etwa hinterlegt, bei welcher Agentur er arbeitet und welche Funktion er dort hat. Zudem können Mitarbeiter dort ihre Skills, persönliche Interessen, jüngste Arbeiten oder gewonnene Awards hinterlegen.
Satya Nadella und Arthur Sadoun bei der Vorstellung von Marcel
Auch Nachfragen sind möglich, etwa um eine genauere Suche zu ermöglichen. "Wer von denen hat schon mal für den Kunden Samsung gearbeitet?", könnte die Kreative aus Singapur etwa fragen. Der gefundene Kollege kann daraufhin direkt angesprochen oder seine letzten Arbeiten begutachtet werden. Im Prinzip müssen die Kreativen die App nicht mehr verlassen, um eine Mail zu senden, auch nicht, um ein Meeting aufzusetzen oder sich über aktuelle Arbeiten und Neuigkeiten auszutauschen. Das erledigt alles Marcel.
Zum Start in den Tag kann man Marcel beispielsweise fragen "Wie sieht mein Tag heute aus?". Marcel antwortet daraufhin mit allen Meetings und schlägt sogar ein perfektes Zeitfenster für ein Mittagessen vor. Mehr noch: Für das angesetzte Meeting, beispielsweise mit dem Kunden Pampers, bringt Marcel den Nutzer vollkommen selbständig auf den aktuellen Stand. Was waren die letzten Pampers-Arbeiten? Wer sind die wichtigsten Ansprechpartner im Unternehmen? Welche weiteren Agenturen sind beteiligt? All diese Informationen spuckt Marcel aus, auf Basis der Kalendereintragungen des Nutzers.
Mit Marcel entwickeln wir uns von einer Holding zu einer Plattform und ermöglichen unseren kreativen Köpfen, sich in dieser sich ständig verändernden Industrie zu entwickeln und zu gedeihen.
Arthur Sadoun
Die App fungiert zudem als eine Art persönlicher News-Kanal. Hat man beispielsweise keine konkrete Frage an Marcel, zeigt die App sechs sogenannte Cards an, die per Wischbewegung gewechselt werden können. Dabei handelt es sich um Neuigkeiten aus dem Publicis-Universum, etwa aktuelle Whitepapers, Videoansprachen von Führungskräften, Ankündigungen oder aktuelle Arbeiten. Marcel zeigt dabei jedem Mitarbeiter unterschiedliche Cards an, je nach dem, was ihn interessieren könnte.
Nun stellt sich die Frage: Warum braucht es ein Tool wie Marcel? "Unsere Industrie verliert an Wert", mahnt Sadoun während des Launch-Events. Der Publicis-CEO macht dafür die technologische Disruption und gestiegenen Wettbewerb verantwortlich. Marcel soll diesen Umständen Rechnung tragen. "Mit Marcel entwickeln wir uns von einer Holding zu einer Plattform und ermöglichen unseren kreativen Köpfen, sich in dieser sich ständig verändernden Industrie zu entwickeln und zu gedeihen", sagt Sadoun und fügt hinzu: "Menschen arbeiten nicht mehr für Unternehmen. Unternehmen arbeiten für die Menschen."
KI im Marketing
"Beeindruckend – und irgendwie gruselig"
Intelligente Software soll Online-Marketern dabei helfen, die immer komplexer werdenden Anforderungen an ihre Aufgaben zu bewältigen. Doch inwieweit ist es überhaupt wünschenswert, dass Künstliche Intelligenzen immer schlauer werden? ...
Weil Publicis die Technik, die hinter der KI Plattform steckt, allerdings nicht alleine stemmen kann, hat sich das Unternehmen die Hilfe des Tech-Riesen Microsoft ins Haus geholt. Schließlich gehen die Franzosen davon aus, dass
80.000 Mitarbeiter, 1200 Agenturen und 4000 Kunden etwa 5 Milliarden Dokumente hervorbrigen werden. Um diesen riesigen Datenberg zu bewältigen, braucht es die Tech-Power von Microsoft. Die Amerikaner haben die Aufgabe, Marcel mit Microsofts KI-Plattform Azure und Office 365 zu verknüpfen.
Aktuell wird Marcel noch von 100 Alpha-Nutzern in der Publicis-Gruppe getestet, doch die KI ist so gut wie fertig. Während der Präsentation hakte es zwar an ein, zwei Stellen, doch das Grundgerüst steht. Marcel ist also bereit für die Publicis-Mitarbeiter. Aber sind die Publicis-Mitarbeiter auch bereit für Marcel? Das wird sich erst zeigen, wenn die App im Januar 2019 offiziell für alle Angestellten ausgerollt wird. Im Juni geht sie erst einmal in die Beta-Phase. "Niemand muss Marcel nutzen", sagt Sadoun. "Aber wir gehen davon aus, dass jeder die App im Alltag verwenden möchte."
ron