Herr Hartmann, über welche Plattform bestellen Sie Ihr Abendessen: Foodora oder Deliveroo? Weder noch, natürlich (lacht). Anders als zu den Anfangszeiten von Lieferando habe ich heute zwar mehr Möglichkeiten, im Internet mein Essen zu bestellen, aber ich war und bin nach wie vor loyaler Lieferando-Kunde. So wie übrigens die meisten Kunden. Die Retention Rate ist bei uns ausgesprochen hoch.
Trotzdem rollen diese Start-ups derzeit ordentlich den Food-Delivery-Markt auf. Macht Ihnen das keine Sorgen? Nein, im Gegenteil: Ich begrüße diese Entwicklung, weil es das komplette Marktsegment in Schwung bringt. Keine Frage, für Lieferando ist der Erfolg von Foodora und Deliveroo sicherlich auch eine Bedrohung, aber wenn wir unsere Analysen richtig gemacht haben, werden uns die neuen Player nicht sonderlich gefährlich. Wir beobachten derzeit, dass wir lediglich in den sehr kompetitiven Postleitzahlengebieten, also in Großstädten, nicht mehr so stark oder überhaupt nicht mehr wachsen, weil die sonst für uns neuen Marktanteile von diesen neuen Akteuren mitbedient werden.
Philipp Hartmann
Blut geleckt hatte Philipp Hartmann 2003 während eines Praktikums bei Jamba. Dort lernte der heute 33-Jährige Oliver Samwer kennen, den heutigen Rocket-CEO, und beobachtete die Goldgräberstimmung im Online-Marketing. Noch während des Studiums an der European Business School in Oestrich-Winkel gründete Hartmann zusammen mit Freunden seine erste Firma. Es sollten vier weitere folgen. Heute ist Hartmann mit seinem Unternehmen "Rheingau Founders" auf der anderen, der beratenden Seite unterwegs.
Wie entwickelt sich das Wachstum insgesamt bei Lieferando? Wir wachsen nach wie vor. Es hat sich ausgezahlt, dass wir in den vergangenen Monaten extrem viel Wert auf Branding gelegt haben. Jetzt ernten wir bereits die Früchte: Lieferando ist mittlerweile bei 40 Prozent der Befragten „Top of Mind“. Lieferheld kommt auf 20 Prozent, Pizza.de auf 13 Prozent.
In ein paar Jahren sind vielleicht Player wie Uber und Amazon die beliebtesten Bestell-Plattformen. Beide Unternehmen tüfteln derzeit an eigenen Food-Delivery-Diensten. Das ist eine sehr spannende Entwicklung. Es liegt nahe, dass Amazon und Uber in diesen Geschäftsbereich investieren. In Berlin bekommen Kunden bereits mit Amazon Prime Now ihre Bestellung innerhalb einer halben Stunde geliefert. Und in Barcelona können wir beispielsweise beobachten, dass Uber dort mit seinem Taxi-Service kaum erfolgreich ist, mit Essens-Auslieferungen stattdessen sehr wohl. Auch in Amsterdam, einem der Kernmärkte von Takeaway, ist Uber mit Food-Lieferungen sehr erfolgreich. Diese Investitionen sind meiner Ansicht nach eine logische Entwicklung. Wenn ich Uber-CEO Travis Kalanick wäre, würde ich auf jeden Fall versuchen, den deutschen Markt weiter aufzurollen.
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Naja, Uber tut sich in Deutschland bekanntlich seit Jahren ziemlich schwer und hat bislang nicht einmal den Taxi-Service etablieren können. Uber hat sich hierzulande beim Thema Taxi-Ersatz sehr stark die Zähne ausgebissen, das stimmt. Das heißt aber nicht, dass das Unternehmen in Deutschland nicht das Food-Business ausrollen könnte. Ich glaube übrigens fest daran, dass Uber sich bald als Taxi-Ersatz etablieren wird. Die Liberalisierung des Marktes ist nur eine Frage der Zeit.
Wie will sich Lieferando dann behaupten? Experimentiert auch Lieferando bald mit Drohnen und autonomen Fahrzeugen, so wie Amazon und Uber? Ich denke nicht, dass wir in diesem Markt eine dominante Position einnehmen werden, in dem Sinne, dass wir ein Diktat vorgeben und der Markt darauf dann reagiert. Das ist auch nicht unser primäres Ziel. Bei Lieferando ist die Devise eher, einen sauberen ökologischen Footprint zu hinterlassen, also mit einer ökologisch smarten Infrastruktur zusammenzuarbeiten. Ich denke da etwa an Elektroroller, die wir mit Partnern in den Markt gebracht haben. Letztlich ist es die zukünftige Infrastruktur einer Stadt, die diktieren wird, wie ein Player wie Lieferando in Deutschland handeln muss. Das muss vom Gesetzgeber stimuliert werden.
© Screenshot Youtube Deliveroo Ireland
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Deutschland gilt ja nicht gerade als einfacher Markt für innovative Technologien. Die Deutschen sind sicherlich nicht die Early Adopter, das stimmt. Ich glaube nicht, dass ein Uber oder ein Amazon hier hätten gegründet werden können. Wir sind hierzulande eher auf B-to-B-Geschäftsmodelle aus. Das hat die deutsche Wirtschaft bisher in den vergangenen Jahrzehnten ausgemacht: als Mittelständler zu denken und zu agieren.
Sie haben vor wenigen Tagen Lieferando über die Dachfirma Takeaway erfolgreich an die Börse gebracht. Warum ist dieser Schritt sinnvoll? Wir bewegen uns in einem sehr kapitalintensiven Markt. Der Gang an die Börse gibt uns die Möglichkeit, frisches Geld zu besorgen. Das ist in der Regel nämlich nicht sehr einfach, wenn man bedenkt, dass der deutsche Markt in Sachen Food-Delivery recht rückständig ist. Gesamteuropäisch betrachtet, ist Deutschland einer der letzten Märkte, die derzeit aufgebrochen werden. Denn ein starker Konkurrent ist hierzulande nach wie vor das klassische Telefon. Die Leute bestellen ihre Pizza nach wie vor lieber am Telefon und eben nicht digital.
Zumindest sind Sie jetzt mit Lieferando erfolgreicher als mit Ihrem ersten Start-up namens „Sport.me“, mit dem Sie Insolvenz anmelden mussten."Sport.me" war eine Social-Community für Sportler, sprich: ein Nischenportal. Wir gründeten vor vielen Jahren inmitten des Social-Media-Hypes rund um StudiVZ, Wer-kennt-wen und Lokalisten. Das Problem: Wir hatten in sehr kurzer Zeit 42 Wettbewerber – allein in Deutschland. In Europa gab es schließlich zum gleichen Zeitpunkt 500 solcher Nischen-Netzwerke. In der Nische Sport hat es letztlich niemand geschafft, eine Goldene Ananas zu gewinnen.
Was war schief gelaufen? Meine Mitgründer und ich hatten alle „First Time Founder“-Fehler gemacht, die man machen kann. Erstens waren wir insgesamt sieben Gründer – viel zu viel. Zweitens waren wir von Anfang an mehrheitlich in Investorenhand, mit der ersten Finanzierungsrunde hatten wir bereits 40 Prozent des Unternehmens abgegeben. Und drittens haben wir die Technologie nicht inhouse entwickelt sondern mit zwei externen Agenturen zusammengearbeitet, denen wir jeden Monat einen hohen sechsstelligen Betrag dafür überwiesen haben. Irgendwann hat es einfach keinen Sinn mehr gemacht, ein totes Pferd zu reiten, und zogen die Notbremse. Am Ende des Tages haben wir mit "Sport.me" zwei Millionen Euro verbrannt.
Interview: Giuseppe Rondinella