Investoren verlieren Interesse

Warum im Adtech-Markt die Zeichen auf Konsolidierung stehen

Der deutsche Display-Markt auf einem Schaubild von Improve Digital: Bleibt es bei der Vielfalt?
Improve Digital
Der deutsche Display-Markt auf einem Schaubild von Improve Digital: Bleibt es bei der Vielfalt?
Derzeit häufen sich die Anzeichen dafür, dass auf dem Markt der Adtech-Dienstleister eine Konsolidierung ansteht. Die Investoren legen strenge Maßstäbe an und außerdem schrumpfen die Margen. Die Devise heißt daher bei vielen potenziellen Geldgebern: Wenn Internet, dann lieber was mit E-Commerce.
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Wer blickt eigentlich noch durch im Dickicht der Unternehmen, die im digitalen Werbemarkt an der Prozesskette mitarbeiten? Die berühmten "Lumascapes", die die Ökoysteme des amerikanischen Online-Werbemarktes abbilden, bleiben vollgepackt. Auch die "Market Maps" des Technologieanbieters Improve Digital für den deutschen Markt zeigen komplexe Bilder. Gibt es die Konsolidierung im Adtech-Markt, die immer wieder prognostiziert wurde, überhaupt?


Ja, es gibt sie. "Das Konsolidierungstempo im Adtech-Markt hat angezogen", berichtet Florian Heinemann, Geschäftsführer des Beteiligungsunternehmens Project A Ventures (Eyeota, Cross Engage, Semasio). Viele Unternehmen werden übernommen, wobei laut Heinemann damit zum Teil nur Insolvenzen verhindert werden: "Dann kaufen die Mittelschwachen die Schwachen." Aber es gibt auch hochkarätige Akquisitionen: Im vergangenen Jahr übernahm ein chinesisches Konsortium für 900 Millionen US-Dollar Media.net, einen Spezialisten für kontextabhängige Werbung. Überhaupt, die Chinesen: Auch Smaato, der deutsch-amerikanische Mobile-Programmatic-Marktplatz, hat sich gerade zum Preis von 148 Millionen US-Dollar in ihre Hände – genauer gesagt: in die des Werbekonzerns Spearhead – begeben.
Sieht für SAP gute Chancen: Florian Heinemann
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Sieht für SAP gute Chancen: Florian Heinemann
Das Konsolidierungstempo im Adtech-Markt hat angezogen.
Florian Heinemann, Project A
Dass es dennoch so viele Unternehmen gibt, dürfte eher an immer neuen Technologien liegen: Neue Phänomene wie Native Advertising, Geo-Lokalisierung, Mobile Programmatic, Virtual Reality oder Bots sorgen wieder für neue Start-ups, die in diesen Bereichen ihr Glück versuchen wollen. Eine Zeit lang reicht dann die Puste, bis sich die Spreu vom Weizen trennt. Zudem entstehen neue Vermittlungs- und Zwischendienstleistungen.

Für eine künftige Konsolidierung im Adtech-Markt dürfte aber auf jeden Fall ein Faktor sorgen: das geringe Interesse der Investoren. "Sie merken gerade, wie schwierig es ist, in diesem Geschäft interessante Renditen zu erzielen", berichtet Joachim Schneidmadl, Vorstand des Münchner Technologieanbieters Virtual Minds. "Die Margen schrumpfen deutlich." Die Devise heißt daher: Wenn Internet, dann lieber was mit E-Commerce.
Der deutsche Display-Markt auf einem Schaubild von Improve Digital: Bleibt es bei der Vielfalt?
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Olaf Jacobi, Managing Partner Capnamic Ventures, bestätigt: "In Deutschland gibt es viel zu wenig potenzielle Investoren für Adtech-Start-ups." Wobei es in den USA noch schlimmer steht: "Dort fassen die Early-Stage-Investoren das Thema Adtech zurzeit nur noch mit der Kneifzange an." Zum Portfolio von Capnamic gehört unter anderem der Berliner Mobile-Attribution-Spezialist Adjust, der zurzeit mit App-Tracking international Furore macht. Auch hier lichtet sich das Feld: "Noch vor einigen Jahren gab es im Bereich Mobile Attribution viele Konkurrenten für Adjust", sagt Jacobi. "Heute sind eigentlich nur noch zwei übrig." Gemeint sind Appsflyer und Tune.
Sehr skeptisch ist Sven Schmidt, Geschäftsführer des Beteiligungsunternehmens ICS Internet Consumer Services: "Der Adtech-Markt ist extrem schnelllebig. Die Geschäftsmodelle können sehr schnell veraltet sein." Weiteres Problem: "In Deutschland gibt es viele Geschäftsmodelle, die letztlich nicht auf einer Technologie beruhen, sondern service-basiert sind." Hier sei der entstehende Wert aus Investoren-Perspektive begrenzt: "Der eigentliche Wert des Unternehmens besteht in den Gründerpersonen, also in 'walking assets'. Denn die Gründer können aussteigen." Schmidts Resümee: "Investitionen in Adtech-Unternehmen haben sich in Deutschland fast noch nie ausgezahlt – es gab verschwindend wenige lukrative Exits. Und jetzt sind Google, Amazon, Facebook und Apple noch mächtiger geworden. Warum sollte Adtech also für Investoren interessant sein?"

Die großen vier US-Konzerne sind tatsächlich das größte Problem für Adtech-Finanzierungen. Jedes Geschäftsmodell wird darauf abgeklopft, ob sie es an sich reißen oder zerstören können. Investor Jacobi: "Google und Facebook können theoretisch überall gefährlich werden. Daher ist es interessant, eine Art 'Schweizer Modell' zu finden – ein neutrales Unternehmen, an dessen Fortbestand auch die Großen interessiert sind." Laut Jacobi ist es für Investoren essenziell, sehr präzise Ansprüche an Investments zu stellen. Seine Maxime: "Im Adtech-Bereich sind Technologien und Produkte interessant, die in der Wertschöpfungskette Prozesse verbessern."
Für Project-A-Investor Heinemann müssen interessante Geschäftsmodelle "Plattform- übergreifend und auf die Interessen der Werbungtreibenden zugeschnitten sein, etwa indem sie deren Nutzung von Kundendaten und damit das Kundenverständnis verbessern". Zudem sollte das Potenzial vorhanden sein, "dass das Start-up ein bis zwei Jahre nach einem Seed-Investment auch im US-Markt Fuß fasst".

Für eine weitere Konsolidierung spricht auch die Tendenz vieler Consulting- und IT-Konzerne, Medienhäuser, Mediaagenturen und auch Technologieunternehmen, über Zukäufe ein breiteres Portfolio aufzubauen. Das bringt interne Synergieeffekte und ermöglicht den Kunden bequemes One-Stop-Shopping. So bietet das Münchner Unternehmen Virtual Minds, an dem Pro Sieben Sat 1 mehrheitlich beteiligt ist, mittlerweile ein "Full-Tech-Stack"-Angebot im Bereich Programmatic Advertising an. Anfang des Jahres wurde der Berliner Data-Management-Dienstleister The Adex übernommen, und, über die Tochter Adition, der Video- und Rich-Media-Spezialist Mov.ad.

"Im Bereich Ad Technology erzielen wir ganz klar Cross-Selling-Effekte", sagt Virtual-Minds-Vorstand Schneidmadl. "Es gibt keinen Kunden mehr, bei dem wir nur mit einem einzigen Unternehmen vertreten sind." Die Strategie: Virtual Minds will sich als leistungsstarke europäische Alternative zu Google, Facebook und Co positionieren. Schneidmadl: "Die allermeisten Werbetreibenden und Publisher sprechen sich gegen einen Werbemarkt aus, der komplett von den US-Konzernen beherrscht wird. Theorie und Praxis klaffen jedoch auseinander." Aber das ist eine andere Geschichte.




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