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Warum es Google mit seinem smarten Lautsprecher schwer haben wird

Home ist Googles Gegenstück zu Amazon Echo
Google
Home ist Googles Gegenstück zu Amazon Echo
Google schickt ab heute in Deutschland offiziell seinen smarten Lautsprecher Home ins Rennen. Doch gegen den Platzhirsch Amazon Echo wird es der Search-Riese schwer haben, prophezeit Jan Wolter im Interview mit HORIZONT Online. Als Europa-CEO von Applause EU testet Wolter Anwendungen für verschiedene smarte Lautsprecher. Aktuell sehe er in diesem Bereich hierzulande neben Amazon kaum Chancen für andere Player.
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Googles smarter Lautsprecher ist bereits seit vergangenem Sommer im Heimatmarkt USA zu haben, deutsche Kunden mussten sich bislang noch gedulden. Nun kommt er auch hierzulande für 149 Euro auf den Markt, ist also billiger als Amazons Pendant Echo (179 Euro). Das "Herzstück" von Google Home ist der Google Assistant, der persönliche Assistent, der auf Googles Wissen über die Welt zurückgreift. Das Konzept ist dem von Amazon Echo sehr ähnlich: Man sagt "Hey, Alexa" oder "Okay, Google" - und ist im Gespräch mit künstlicher Intelligenz. Dann kann man zum Beispiel fragen, wie heute die Verkehrslage ist oder wie man sich ein Bier auf Spanisch bestellt.

Jan Wolter, CEO von Applause EU
Applause
Jan Wolter, CEO von Applause EU
Herr Wolter, heute kommt der smarte Lautsprecher Google Home offiziell auf den deutschen Markt. Amazon Echo gibt es schon eine ganze Weile. Ist Google zu spät? Ich denke schon. Wenn es um Sprachassistenten und smarte Lautsprecher geht, ist Google zumindest in Deutschland ganz schön hintendran. Der weltweite Marktanteil von Amazon Echo ist ziemlich hoch, in den USA bereits bei 70 Prozent. Das wird hierzulande vermutlich ähnlich sein. Gerade in Deutschland hat sich Amazon mit zahlreichen Skills, die gerade entwickelt werden oder bereits entwickelt worden sind, einen riesigen Vorsprung verschafft. Google wird es daher sehr schwer haben.

Ist denn überhaupt noch ein Vorbeikommen an Amazon Echo? Aktuell sehe ich hierzulande kaum Chancen für andere Firmen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass das Produkt schlechter ist, sondern vielmehr, dass Amazon schlichtweg die notwendige Infrastruktur besitzt. Damit meine ich nicht nur die große Anzahl an Skills. Amazon hat durch seinen jahrelang gewachsenen Onlinehandel eine große Kundenbasis, der man vergleichsweise einfach einen Echo-Lautsprecher verkaufen kann. Diese Kundenbasis sehe ich bei Google nicht.
Über Jan Wolter
Jan Wolter leitet als Geschäftsführer Europa den europäischen Geschäftsbereich für Applause. Das 2007 gegründete Unternehmen besitzt eine weltweite Tester-Community aus etwa 350.000 Menschen, die unter anderem Skills für smarte Lautsprecher wie Amazon Alexa testet. Bevor Wolter zu Applause kam, war er CEO und Mitbegründer von testhub, dem deutschen Softwaretesting-Anbieter, das sich im Mai 2014 mit Applause zusammenschloss. Er besitzt einen Master-Abschluss von der London School of Economics und einen Bachelor von der Universität Mannheim.
Für wen wäre denn dann ein Google Home Gerät tatsächlich sinnvoll? Das ist die große Frage. Aus meiner Sicht hat das Gerät gegenüber dem, was Amazon anbietet, keine wirklich großen Vorteile. Ich könnte mir vorstellen, dass Google Home natürlich bestens in das Ökosystem eines Android- oder Chromecast-Nutzers passt. Aber im Prinzip war es das dann auch schon. Letztendlich müssen wir aber abwarten, welche Skills es für den Google-Lautsprecher geben wird.

Viele Skills sind derzeit eher eine Spielerei – zumindest bei Amazon Echo. Klar, man kann sich die Nachrichten vorlesen lassen, Essen bestellen und sich ein Taxi rufen, aber die wirklich sinnvollen Anwendungen kann man an zwei Händen abzählen. Da stimme ich Ihnen zu. Aber das ist keine untypische Entwicklung. Das sind die Anwendungen, die am Anfang gut funktionieren und bei denen die Interaktion auch nicht allzu komplex ist. "Alexa, mach mal das Licht an" oder "Alexa, ruf mir bitte ein Taxi" sind einfache Befehle. Zukünftig, wenn die Spracherkennung besser wird, wenn man auch komplexere Anwendungen abbilden kann, ist es durchaus vorstellbar, dass wir letztendlich alles, was wir bisher mit dem Smartphone steuern über einen Sprachassistenten erledigen  – egal ob Essen bestellen, Informationssuche oder einen Flug buchen.

Warum sollten Unternehmen überhaupt auf smarten Lautsprechern präsent sein? Die Unternehmen müssen natürlich aufpassen, ihre Nutzer nicht zu verlieren. Wenn der Nutzer keine Lust mehr hat, eine App auf dem Smartphone zu bedienen, weil er ein Interface hat, mit dem er sprachlich interagieren kann, dann ist das jeweilige Unternehmen ganz schnell abgemeldet. Um den Kunden nicht zu verlieren, müssen Marken am Ball bleiben und dort präsent sein, wo sich die Nutzung hin verlagert – und das ist derzeit nun mal in die Richtung der Sprachassistenten.
Sie testen mit ihrer Firma Applause die Skills zahlreicher Unternehmen. Wie ist das Feedback der Kunden? Was halten die Unternehmen von Sprachassistenten? Für die meisten Unternehmen ist das erst einmal ein Proof of Concept. Das heißt, sie wollen sich diese Technologie etwas genauer anschauen, Erfahrungen sammeln und testen, ob ihre Anwendung, so wie sie sich das vorstellen, überhaupt machbar ist. Prinzipiell gehen aber alle unsere Kunden davon aus, dass sprachbasierte Interfaces enormes Potenzial besitzen und in den nächsten Monaten und Jahren einen deutlichen Nutzungszuwachs erfahren werden.

Wahrscheinlich wird Apple dem Markt mit seinem für nächstes Jahr geplanten HomePod einen ordentlichen Schub verleihen. Was halten Sie persönlich von Apples smartem Lautsprecher? Ich bin sehr gespannt, weil die Produkte von Apple ja bekanntlich immer eine sehr gute User-Experience haben. Ich denke, dass der HomePod eine gute Chance hat, sich gegen Amazon Echo und Google Home zu behaupten.

Der Apple-Lautsprecher hat aber bei der Präsentation viel Spott abbekommen, beispielsweise wegen des hohen Preises und seinem Design. Das stimmt. Aber Apple ist Apple. Das Unternehmen hat schon viele Produkte auf den Markt gebracht, bei denen die Leute nicht genau wussten, ob das ein Erfolg werden kann oder nicht. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Apple Millionen loyale iPhone- oder Mac-Kunden hat, die alle den HomePod einem Echo oder einem Google Home vorziehen würden – egal wie viel er kostet und wie er aussieht. Von daher denke ich: Die Chancen für Apple sind nicht schlecht. Auf der anderen Seite muss man abwarten, welche Funktionalitäten und Schnittstellen zu anderen Anwendungen hinzukommen und wie groß das Ökosystem wird.

Interview: Giuseppe Rondinella




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