Deutscher Serienunternehmer Jens Horstmann über das Silicon Valley

"Das war wie im Wilden Westen"

Jens Horstmann
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Jens Horstmann war einer der ersten Mitarbeiter von Sun Microsystems. Später wurde er mit einem DVD-Startup reich. Ein Gespräch über Erfolge, Rückschläge und Probleme im Silicon Valley.
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Jens, du bist im Silicon Valley so etwas wie der Touristenführer für deutsche Konzernmanager, auch weil du dort selbst schon mehrere Unternehmen gegründet hast. Wie bist du eigentlich dazu gekommen, Unternehmer zu werden? Das hat sich früh angedeutet. Schon in meiner Jugend habe ich immer viel gebastelt, mein erstes Oszilloskop hatte ich mit 13. Als ich dann an der TU Braunschweig studiert und meine Diplomarbeit geschrieben habe, habe ich meinen Studienkredit immer als Venture-Kapital für Dinge gesehen, die wirklich Wert haben. Wie bei einem Startup. So wurde auch ich später zum Unternehmer.

Du bist dann schnell ins Silicon Valley gegangen. Damals ein noch ungewöhnlicherer Schritt als heute. Wieso? Nach dem Studium hat mich eine Firma aus dem Silicon Valley angeheuert, um beim Aufbau einer Fabrik in Deutschland zu helfen. Das war mir nach zwei Jahren aber zu langweilig. Also habe ich mich an der Stanford-Universität eingeschrieben, wo ich Andreas von Bechtolsheim kennengelernt habe.

Den Gründer von Sun Microsystems. Genau. Es hat sofort gefunkt zwischen uns. Und er meinte zur mir: Hey, du verschwendest an der Uni deine Zeit. Willst Du nicht bei Sun Microsystems mitmachen? Und wenn es nicht funktioniert, gründen wir halt was Neues? So wurde ich einer der frühen Angestellten des Unternehmen und habe an den Sparcstations mitgearbeitet. Diese Art zu denken hat mich so beeindruckt, dass ich im Silicon Valley geblieben bin und später auch selbst gegründet habe.

Was war deine erste Firma? Zuerst X1, eine Firma, die Workstations für die Nutzung des Internets gebaut hat. Das war gegen Ende der achtziger Jahre. Wir wollten damit vor allem die Leute an der Wall Street überzeugen. Leider hat das nicht funktioniert. Trotzdem habe ich viel gelernt.

Zum Beispiel? Dass der alleinige Glaube an einen Markt nicht ausreicht, um einen zu schaffen. Neben dem richtigen Produkt muss man auch den richtigen Zeitpunkt erwischen. Mit X1 waren wir damals zu früh dran. Sechs oder sieben Mal habe ich das mit anderen Gründungen durchgemacht. Ich habe die Ideen dann immer weitergesponnen, neue Investoren reingeholt und einen neuen Markt in Angriff genommen.

Mit Ensemble Solutions, einem der ersten Softwareanbieter für Internetlösungen, hat das 1996 ja geklappt. Die Firma hast du mitten in der Hochphase des Dotcom-Booms verkauft. Wie erinnerst du dich heute an die Zeit? Das war schon ein bisschen wie im Wilden Westen. Obwohl noch kaum jemand eine Ahnung hatte, was das Internet überhaupt bringt, herrschte eine riesige Euphorie. Wer eine grobe Idee und ein halbwegs tauglich erscheinendes Team hatte, dem wurde das Geld hinterhergeworfen. Eine Million Dollar waren kein Problem. Die Leute dachten, es würde schon irgendetwas dabei herumkommen.

 Noch mal zurück zu den Rückschlägen: Gab es auch Momente, wo du an dir gezweifelt hast? War Aufgeben eine Option? Ja, solche Momente gab es. Aber mein Vater hat mich davon abgehalten.

Geht es etwas genauer? Mein Vater hat mir oft gesagt, ich solle doch etwas Vernünftiges machen. Das musste ich mir jedes Mal anhören, wenn etwas nicht klappte oder ich keine Zeit für Urlaub hatte. Er hielt dieses ganze Gründerding für eine Spielerei. Anstatt in Selbstzweifeln zu versinken, wollte ich aber das Gegenteil beweisen.

Der größte unternehmerische Erfolg kam dann 2002 mit DVDPlay, einer Firma, die DVD-Automaten aufstellte … Verrückt, oder? Ich hatte die Gründer durch einen Zufall kennengelernt, als sie gerade die ersten zwei Automaten in ihrer Garage in Los Gatos gebaut haben. Anfangs hielt ich das für eine ziemlich schlechte Idee. Blockbuster und Netflix waren bereits am Markt, wieso dann Automaten aufstellen, deren Produktion und Wartung noch dazu Geld kostet? Die Gründer haben mich aber dann solange bequatscht, bis ich als CEO für einige Jahre eingestiegen bin. Der Laden wurde später ja dann auch verkauft.

Arbeiten gehen war spätestens da kein Thema mehr, oder? Den Gedanken an Arbeit habe ich nicht. Jedes Mal, wenn ich nach Deutschland komme und alte Freunde treffe, geht es in den Gesprächen sehr schnell um Arbeit. Wie lange jemand arbeiten muss, wie viel oder wenig Freizeit man hat. Hier im Silicon Valley gibt es dieses Thema irgendwie nicht. Wir machen Dinge, weil sie uns Spaß machen, nicht, weil wir sie tun müssen. Egal, ob es um ein Startup oder ein Investment geht.

Aber ist im Silicon Valley immer alles besser? Es gibt auch im Silicon Valley jede Menge Probleme. Die Infrastruktur zum Beispiel, die kann nicht mehr mithalten. Es gibt inzwischen einfach zu viele Menschen hier. Die Probleme fangen bei kilometerlangen Staus an und hören bei Wohnungen auf, die sich kein Normalsterblicher mehr leisten kann.

 Siehst du Lösungen für die Probleme? Es gibt Ansätze, ja. Es werden Gebäude abgerissen für neuen Wohnraum oder mehr Züge bereitgestellt. Aber die Probleme sind auch nicht neu. Seit den achtziger Jahren durchlebt das Silicon Valley immer wieder Phasen des Booms, und bislang hat die Infrastruktur immer noch standgehalten. Trotzdem leidet die Lebensqualität schon. Ich kenne sogar Investoren, die sagen, sie müssten nicht mehr unbedingt im Valley leben. Übrigens auch ein Grund, warum ich die oft von deutschen Politikern ausgerufenen Silicon-Valley-Vergleiche eher für fragwürdig halte.

Was kann Deutschland besser machen? Zuerst einmal bin ich auch stolz. Erst im vergangenen Jahr gab es wieder eine Studie, wonach "Made in Germany" noch immer das mit Abstand gefragteste Qualitätskriterium in der Welt ist. Von dieser Marke können wir zehren. Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen, dass wir das Beste aus beiden Welten zusammenbringen. Im Silicon Valley sitzen viele Leute, die Deutschland nicht als Innovationsstandort wahrnehmen. Warum fahren die nicht mal nach Deutschland? Wenn die Akteure stärker kollaborieren und das mit den richtigen Projekten unter Beweis stellen, würde das beiden Standorten sehr gut tun. 

Interview: t3n



Dieser Artikel erschien zuerst bei t3n



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