Daydream View im Test

Googles virtueller Tagtraum schafft neue Realitäten im Marketing

Die Google VR-Brille sticht schon mit ihrem Produktdesign heraus
HORIZONT
Die Google VR-Brille sticht schon mit ihrem Produktdesign heraus
Mit dem Cardboard hat Google das Thema virtuelle Realität tauglich für den Massenmarkt gemacht. Jetzt soll Daydream View die verfügbaren Einsatzmöglichkeiten erweitern. Und der exklusive Praxistest von HORIZONT zeigt: Mit dem stoffüberzogenen Headset ist Google ein echter Treffer gelungen. Dreidimensionale Markenerlebnisse und frei erkundbare digitale PoS-Flächen könnten mit Daydream den Durchbruch in den Massenmarkt erleben.
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Die Daydream VR-App in Kombination mit dem Daydream-Headset View hat für Google gleich zwei strategische Aufgaben. Erstens soll die Markenkompetenz für virtuelle Medieninhalte gestärkt werden. Denn Google hat mit den 360-Grad-Filmen auf Youtube zwar eine wichtige Initialzündung für den hier entstehenden Content-Markt geleistet, verfügte aber bisher über kein glaubwürdiges Abspielgerät für höherwertige Inhalte.

Zweitens soll Daydream, ähnlich wie die Gear VR für Samsungs Smartpones, aktive Verkaufshilfe für das Google Pixel-Smartphone leisten. Das Pixel sorgt zwar auch mit dem integrierten Google Assistant, seinem extrem ausdauernden Akku und der exzellenten Kamera für Kaufanreize. Aber das Versprechen, durch das Daydream View hochwertigen VR-Content zu einem Bruchteil der Kosten eines HTC Vive oder Oculus Rift nutzen zu können, dürfte für viele potenzielle Pixel-Nutzer ein extrem relevantes Kaufargument darstellen.


Die Optik der Daydream App erinnert an die optik von Wii-Spielen
Google
Die Optik der Daydream App erinnert an die optik von Wii-Spielen
Damit sich diese Hoffnungen auch erfüllen, muss Daydreams VR-Brille allerdings mehr liefern als eine reine Kopie der von Samsung etablierten Headset-Standards.

Haptik und Optik des Produkts: Wo andere Headsets klobig und mit hartem Plastik daherkommen, bietet die Daydream View einen weichen Stoffbezug und einen besonders simplen Einlegemechanismus per Gummiband. Auch an den Tragekomfort für Brillenträger wurde gedacht. Damit entfällt die Notwendigkeit, ähnlich wie bei der Gear VR, eine Möglichkeit zur Feineinstellung der Brillenlinsen vorzusehen. Größter Nachteil des Daydream-Systems: Schon nach vergleichbar kurzem Gebrauch heizt sich das verwendete Smartphone deutlich schneller auf als etwa bei einem regulären 360-Grad-Film auf Youtube. Damit sind ausgedehnte Online-Sessions, wie sie bei einem Desktob- oder einem Mobile device selbstverständlich wären, in der virtuellen Realität noch nicht möglich. Insgesamt lässt sich aber sagen: Für den Kampfpreis von 69 Euro liefert Google eine VR-Brille, die sich deutlich wertiger als Samsungs Angebot anfühlt.

Googles VR-Gerät Daydream View im HORIZONT-Test

Interface: Bei VR-Brillen ist die Bildsteuerung produktbedingt ein Designproblem. Denn letztlich muss der Nutzer alle externen Steuerungselemente blind bedienen können. Bei VR-Lösungen, die mit Smartphones funktionieren, ist die Nutzung sogar noch uneleganter. Denn der Nutzer muss die App erst auf dem Smartphone einstellen, bevor er dieses in die VR-Brille einlegen kann. Ergeben sich während der Nutzung Probleme, muss das Smartphone erst aus der Brille entfernt werden, bevor Korrekturen möglich sind. Google hat das Dilemma gelöst, indem es die VR-Brille mit einem NFC-Chip ausgestattet hat, der die App nach dem Einlegen des Smartphones automatisch startet.

Die Bedienung der App erfolgt dann über einen mitgelieferten Controller, der einen eingebauten Bewegungssensor und ein Touchscreen hat. Das macht die Steuerung deutlich intuitiver und ermöglicht bewegungsgesteuerte VR-Games im Stil der Nintendo Wii. Eine Sprachsteuerung, die speziell bei der Suche nach Youtube-Inhalten über die Daydream-App sehr hilfreich ist, lässt sich zwar einrichten, erfordert von dem Nutzer jedoch einige Geduld.

Content-Erlebnis: Daydream kann nicht mit der Präzision der High-End-Geräte konkurrieren, wenn es um interaktive Inhalte geht. Aber das ist vermutlich auch nicht das Ziel. Schließt der Nutzer einen Kopfhörer an sein Pixel-Smartphone an und steuert mit der Konsole, dann liegt das VR-Erlebnis deutlich über der Qualität der bisherigen Massenmarkt-Headsets. Und das ist eine gute Nachricht für den Massenmarkt, denn der Wow-Effekt der ersten passiv zu konsumierenden 360-Gradfilme dürfte sich vergleichsweise schnell abnutzen. Doch nun muss die Konkurrenz auf die Daydream-Designlösung reagieren, was aller Wahrscheinlichkeit zu einem Qualitätssprung im Gesamtmarkt führen dürfte.

Die Integration von Daydream und Youtube 360 überzeugt derzeit allerdings noch nicht. Wer wirklich im gesamten Angebot von Youtube recherchieren will, ist im Moment noch deutlich besser bedient, wenn er das noch traditionell direkt am Smartphone macht und erst danach das Smartphone mit dem Headset verbindet.

Google Daydream View: Erste Eindrücke

Wird Daydream View den VR-Markt verändern?
Bisher gab es einen relativ simplen Trennstrich im VR-Content-Markt. Auf mobile Devices war der Zuschauer meist zum Zuschauen verdammt und konnte sich bestenfalls durch Blicksteuerung innerhalb des VR-Erlebnisses bewegen. Intuitive Interaktion war zwar über Highend-Geräte möglich, aber damit allein schon aufgrund der Kostenfrage für Marken nur bei ausgewählten lokalen Events zu nutzen.  Nicht zu unterschätzen sind auch die neuen Möglichkeiten, die sich für das Marketing aus Daydream ergeben. So gibt die britische Kaufhaus-Kette John Lewis ihren Kunden innerhalb der Märkte die Möglichkeit, dank einer Oculus Rift in die Welt von "Buster the Boxer" einzutauchen und mit den Wildtieren auf dem Trampolin zu springen. Wer dasselbe Erlebnis ohne das Oculus-Headset haben möchte, kann einen 360-Grad-Film bei Youtube finden. Dort ist man allerdings zum passiven Zuschauen verdammt.

Mit Daydream View können Agenturen nun skalierbare immersive Kampagnenerlebnisse bauen, die der Zielgruppe das spielerische Eintauchen in die Kampagne erlauben.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Möglichkeiten zur Gestaltung von Markentouchpoints. Erstmal gibt es jetzt eine massenmarkttaugliche VR-Brille, mit der sich interaktive Marken-Touchpoints wie beispielsweise ein Autokonfigurator oder eine virtuelle Präsentation von Markenmöbel intuitiv nutzbar umsetzen lassen. Auf der simpelsten Ebene könnten Unternehmen beispielsweise ihre Markenstores über die Daydream-Version von Google Streetview für ein potenziell unbegrenztes Publikum sichtbar machen. Galeria Kaufhof könnte beispielsweise über die digitale Präsentation der Weihnachtsdekoration seiner Häuser den Kunden zuhause Appetit auf einen Besuch in der nächstgelegenen realen Filiale machen. cam




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