Evan Spiegel, CEO von Snap, muss derzeit viele potenzielle Geldgeber überzeugen.
Der bevorstehende Börsengang von Snapchats Mutterkonzern Snap treibt einigen Experten die Sorgenfalten ins Gesicht. Wegen der schwächelnden Nutzungszahlen und dem mauen Werbegeschäft ziehen viele Fachleute bereits Parallelen zu Twitters Börsengang im Jahr 2013. Der Kurznachrichtendienst konnte den hohen Erwartungen bis heute nicht gerecht werden.
Anfang März soll es also soweit sein. Snap, die Betreiberfirma der populären Foto-App Snapchat, wird an die Börse gehen. Mit 19,5 bis 22,2 Milliarden US-Dollar wird sie bei ihrem Gang aufs Parkett etwas weniger wert sein als bislang angenommen. Doch selbst am unteren Ende der Bandbreite wäre es der größte Tech-IPO in den USA seit dem Börsengang des E-Commerce-Riesen Alibaba im Jahr 2014. Bei einer ersten Aktienplatzierung sollen laut Snap umgerechnet etwa 2,8 Milliarden Euro zusammenkommen.
Doch einige Börsenexperten läuten bereits mit den Alarmglocken. "Wir sehen den Börsengang durchaus skeptisch", sagt
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapiere (DSW). Neben der "sehr hohen" Bewertung komme hinzu, dass wohl nur stimmrechtslose Aktien an den Markt gelangen werden. "Die Neuaktionäre dürfen zwar ihr Geld geben, Einfluss sollen sie aber nicht bekommen", so Tüngler.
Der Rechtsanwalt verweist zudem auf den im DAX30 notierten Markenartikler Beiersdorf, der aktuell mit 21 Milliarden Euro bewertet wird und 2016 einen Gewinn vor Steuern von knapp 970 Millionen Euro erwirtschaftete. Snap dagegen wies für das gleiche Geschäftsjahr einen Umsatz von 375 Millionen Euro und einen Verlust von mehr als 480 Millionen Euro aus.
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Neue Schweizer Unit soll sich nach Tech-Zukäufen umschauen
Snap, der Mutterkonzern von Snapchat, hat in Genf eine neue Unit gegründet. Die Snap Switzerland GmbH soll sich um Tech-Zukäufe kümmern und hat bereits einen Schweizer IT-Spezialisten angeheuert, der auf die Verhinderung von Copycats spezialisiert ist. Eine An ...
Die von Snapchat favorisierte Idee, künftig vor allem mit Werbung Geld verdienen zu wollen, wird wohl vielen Twitter-Aktionären bekannt vorkommen. Auch der Kurznachrichtendienst wurde bei seinem Börsengang 2013 kritisch beäugt, wies zu dieser Zeit Umsätze von einer halben Milliarde Euro aus und produzierte Verluste von 133 Millionen. Und Twitter strauchelt nach wie vor: Bis heute ist es dem Unternehmen von CEO Jack Dorsey nicht gelungen, durch Werbeerlöse ein profitables Geschäftsmodell aufzubauen.
Das Wachstum bei Nutzerzahlen und Umsatz verlangsamte sich sogar im vierten Quartal 2016, der Verlust nahm deutlich zu. "Der Twitter-Kursverlauf ist ein Paradebeispiel für eine Gesellschaft, die mit hohen Erwartungen gestartet ist, die dann nicht vollständig erfüllt werden konnten", so Tüngler. Gewinne machten vor allem diejenigen, die den frühen Ausstieg wählten: Wer damals zum ersten Kurs von rund 38 Euro einstieg und immer noch dabei ist, sitze mittlerweile auf einem Verlust von 54 Prozent.
Der Twitter-Kursverlauf ist ein Paradebeispiel für eine Gesellschaft, die mit hohen Erwartungen gestartet ist, die dann nicht vollständig erfüllt werden konnten
Marc Tüngler
Und Twitter ist nicht der einzige Tech-Konzern, der auf dem Börsenparkett entzaubert wurde. Einst verheißungsvolle Unternehmen wie Linkedin, Groupon, Jive, Zynga und nicht zuletzt Yahoo haben bis zu 80 Prozent ihres Wertes verloren. Einer der großen Gewinner ist Facebook. Kaum ein anderer Tech-Konzern konnte in den vergangenen Jahren so stark vom Trend für Online-Werbung profitieren wie das soziale Netzwerk. CEO Mark Zuckerberg wurde beim Gang aufs Parkett übrigens ebenfalls kritisiert, weil sein Unternehmen drohte, die Entwicklung hin zu Mobile zu verschlafen.
Alles also halb so schlimm für Snap? Sind die Bedenken unbegründet? Nein, findet Börsenexperte
Klaus Kirchhoff. Der CEO von Kirchoff Consult begründet das mit dem Vorsprung von Facebook, das eine Plattform für alle Zielgruppen sein könne, auch für Unternehmen. "Zudem hat Facebook die einkommensstarken älteren Jahrgänge erobert, was Snapchat aus meiner Sicht nicht schaffen wird." Kirchhoff sei deshalb "sehr skeptisch" in Bezug auf den Snap-IPO.
Und zwar auch deshalb, weil die zahlreichen Angriffe aus dem Facebook-Lager Snapchat Probleme bereiten werden, prognostiziert Kirchhoff. Das weltweit größte Netzwerk kopierte im Herbst vergangenen Jahres die bei Snapchat populär gewordene Stories-Funktion und integrierte sie in den Dienst Instagram. Und das sehr erfolgreich: Über 150 Millionen Instagram-User, darunter viele Unternehmens-Accounts, nutzen diese Funktion mittlerweile täglich. Nun wird die Story-Funktion zusätzlich in Whatsapp und bald auch in der Facebook-App selbst ausgerollt. Das könnte der K.O.-Schlag für Snapchat sein.
Kein Wunder, dass Snap-CEO Evan Spiegel seit Montag auf einer IPO-Roadshow versucht, die Werbetrommel für sein Unterfangen zu rühren. Laut Informationen von "Reuters" sollen die potenziellen Investoren aber ziemlich enttäuscht gewesen sein, weil Spiegel sich in Bezug auf künftige Einnahmen recht bedeckt gehalten haben soll. "Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, und wir wissen die Antwort nicht", zitiert Reuters einen potenziellen Geldgeber.
ron