AppNexus-Chef Hegge

"Nicht unsere Aufgabe, eine Überzeugung gegenüber der anderen zu bevorzugen"

Ulrich Hegge, VP Strategic Market Development DACH bei AppNexus
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Ulrich Hegge, VP Strategic Market Development DACH bei AppNexus
Als einer der weltweit größten Technologiedienstleister ist AppNexus für einen Großteil der programmatisch ausgesteuerten Werbung im Netz verantwortlich. Das Unternehmen sorgte jüngst für Schlagzeilen, als es die populistische US-Plattform Breitbart.com aus seinem Vertriebsnetz nahm und sie auf diese Weise von den Werbeeinnahmen entkoppelte. Gegenüber HORIZONT Online erklärt Ulrich Hegge, Deutschlandchef von AppNexus, warum genau Breitbart ein Problem darstellt und warum Werbung überhaupt auf solche Seiten gelangt.
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AppNexus hat die Seite "Breitbart" vor wenigen Tagen aus dem Vertriebsnetz genommen. Aus welchen Gründen hat man sich für diesen Schritt entschieden? Wir arbeiten mit Websites unterschiedlicher politischer Ausrichtung direkt und indirekt zusammen. Es ist nicht unsere Aufgabe, eine Überzeugung gegenüber einer anderen zu bevorzugen. Das Gegenteil ist der Fall, denn wir sind davon überzeugt, dass das Internet ein offenes und demokratisches Forum für Nachrichten und Debatten sein sollte. Dennoch legen wir bestimmte Qualitätsstandards fest. Wir liefern beispielsweise keine Anzeigen auf Websites aus, die Piraterie fördern, Pornografie oder drastische Gewaltdarstellungen veröffentlichen. Das Gleiche gilt für Websites, die Hassreden verbreiten, das heißt nach der von uns verwendeten Definition wahrscheinlich zu Gewalt gegen oder zur Diskriminierung von Minderheiten führen. Wir haben Breitbart von unserer Plattform entfernt, weil die Seite gegen unser Hassredeverbot verstößt und nicht, weil sie eine bestimmte politische Überzeugung vertritt.

Können Sie in möglichst einfachen Worten erklären, wie genau die automatische Auslieferung der Werbemittel bei AppNexus funktioniert? Sprich: Wie landet Werbung auf Seiten wie "Breitbart"? Wie die meisten anderen Websites verwenden auch Nachrichtenportale jeglicher politischer Couleur sowohl direkte wie auch programmatische Werbungsbuchungen, um ihr Inventar zu monetarisieren. Häufig werden Zielgruppen mit bestimmten Interessen oder Eigenschaften gebucht, nicht eine Werbeschaltung auf einer bestimmten Website. Und je nachdem, welche Angebote diese Zielgruppen im Netz nutzen, kann Werbung auch in Umfeldern auftauchen, an die der Werbungtreibende nicht gedacht hat und/oder die nicht gewünscht sind. Also: Der Werbungtreibende erreicht die gebuchte Zielgruppe, aber abhängig vom Nutzerverhalten kann das zunächst technisch in fast jedem Umfeld passieren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für den Advertiser, dies bereits bei Buchung spezifischer auszusteuern.

Nach welchen Kriterien werden Publisher bei AppNexus geblacklisted? AppNexus' Definition der Hassrede orientiert sich an den Richtlinien des sogenannten Dangerous Speech Projects. Das ist ein gemeinnütziges Projekt zur Verhütung und Bekämpfung von durch Hassreden induzierte Gewalt, ohne dabei die Meinungsfreiheit zu verletzen.

Ulrich Hegge
Ulrich Hegge ist seit einem Jahr Deutschlandchef bei AppNexus. Vom Hamburger Büro aus leitet er die Geschäfte des Technologieanbieters für den automatisierten Handel mit Online-Werbeinventar in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hegge war vorher beim "Stern" und bei Gruner + Jahr EMS aktiv und gründete 1997 das E-Commerce Unternehmen E-Dict, zwei Jahre später den Targeting-Anbieter Wunderloop. Nach Stationen als Managing Director beim Media Innovation Lab von Hubert Burda Media und als Marketing- und Sales-Generalbevollmächtigter bei der Comdirect Bank war Hegge zuletzt als Investor und Berater für Fintech- und Onlinemarketing-Startups tätig

"Breitbart" ist nicht der einzige Publisher, der gegen Ihre Richtlinien verstößt. Wie will AppNexus sicherstellen, dass Werbung nicht auch auf anderen "Breitbart"-ähnlichen Webseiten ausgeliefert wird? Wir haben ein "Inventory Quality"-Team, das sich auf verschiedenen Ebenen eben um die Qualität des auf der Plattform zur Verfügung stehenden Inventars kümmert. Dies geschieht sowohl durch automatisierte, technische Methoden, die auf Auffälligkeiten wie beispielsweise fehlende Sichtbarkeit oder fehlende menschliche Interaktion hinweisen, wie auch durch manuelle Überprüfung. Bei diesen manuellen Checks überprüfen Mitglieder des Teams Websites direkt.

Auch in Deutschland gibt es einige Plattformen, die Hate-Speech verbreiten. Wie blicken Sie auf den deutschen Markt, wo sich entsprechende Seiten ebenfalls mit Onlinewerbung finanzieren? Hier gelten die gleichen Regeln wie überall, wo unsere Plattform eingesetzt wird.

Gibt es deutsche Publisher im Vertriebsnetz von AppNexus, auf die derzeit ein besonderes Auge geworfen wird, sprich: die eventuell Kandidaten für die Blacklist sind? Wir wissen von einigen Advertisern, die die Möglichkeiten zur gezielten Ausblendung von Websites nutzen. Darüber hinaus beobachten wir, dass externe DSPs (Systeme, die die programmatische Werbung für Advertiser steuern) hier aktiver sind als vorher. Wo wir Kenntnis von Verstößen gegen unsere Richtlinien erhalten, werden wir sofort aktiv. Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir keine Kandidaten in der manuellen Beobachtung, dies kann sich aber jederzeit ändern.

Hat AppNexus bereits deutsche Publisher geblacklisted? Ja, verschiedene Sites wegen unterschiedlicher Verstöße gegen unsere Richtlinien.

Andere Adtech-Dienstleister wie OpenX und Pubmatic liefern Werbung auch weiterhin auf "Breitbart" aus und erklären sich zum Hüter des freien Internets. Was halten Sie von dieser Einstellung? Liefern die entsprechend auch bewusst beispielsweise auf pornographischen und extreme Gewalt verherrlichenden Websites aus? Wäre nur konsequent.

Die automatisierte Erkennung von Hate-Speech ist technisch nicht machbar und funktioniert derzeit nur über ein Team von realen Menschen. Sind Adtech-Dienstleister wie AppNexus in der Pflicht, stärker in entsprechende Mitarbeiter zu investieren, um diesem Problem Einhalt zu gebieten? Wie bereits geschildert, haben wir ein Team, das innerhalb des übergeordneten Themas "Inventarqualität" auch Probleme wie Hate Speech adressiert. Dass dies grundsätzlich funktioniert, haben wir bereits gezeigt. Wie dies andere Marktteilnehmer handhaben, wissen wir nicht.




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