Anyline

Dieses Startup hat eine bessere Texterkennung als Google gebaut

Mithilfe der Anyline-Technologie ließ Red Bull seine Kunden Dosenlasche mit der App scnannen
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Mithilfe der Anyline-Technologie ließ Red Bull seine Kunden Dosenlasche mit der App scnannen
An einer Brücke zwischen der analogen und digitalen Welt haben sich schon einige Werbungtreibende die Zähne ausgebissen, vor allem im Mobile-Bereich. Das Wiener Startup Anyline will diese Brücke mit akkurater Texterkennung auf Smartphones möglich machen und behauptet frech: "Unsere Technologie ist besser als die von Google." Die junge Firma hat bereits große Marken wie Red Bull und einige Star-Investoren überzeugt.
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Wenn Lukas Kinigadner über seine Erfindung spricht, nimmt er ein Kürzel besonders häufig in den Mund: "OCR". Die drei Buchstaben stehen für "Optimal Character Recognition" und beschreiben eine Technologie, die für das Marketing der Zukunft, so Kinigadner, eine entscheidende Rolle einnehmen wird: die Texterkennung.

Kinigadner ist der Gründer und Geschäftsführer von Anyline, einem österreichischen Startup, das sich zur Aufgabe gemacht hat, die "OCR"-Technologie auf jedes Smartphone dieser Welt zu bringen. Das Prinzip: Die Smartphone-Kamera erkennt Zahlen und Buchstaben in der analogen Welt und überträgt sie automatisch ins Digitale. Stromzähler beispielsweise müssen auf diese Art und Weise nicht mehr per Hand ausgezählt werden. Informationen aus Pässen könnten problemlos in die digitale Welt übertragen werden. Es gibt eine Vielzahl von Einsatzgebieten.

Eines der wichtigsten Einsatzgebiete ist heute das Marketing. Als Kinigadner Anyline 2012 mit drei Freunden in Wien gründete, hatten er und sein Team die Werbeindustrie aber keineswegs auf dem Plan. Ganz im Gegenteil: Sie entwickelten die Technologie ursprünglich, um das Leben von Diabetikern einfacher zu machen: Mit der Anwendung war es den Kranken nämlich möglich, ihre Blutzuckermesswerte per Smartphone-Texterkennung aus dem Messgerät in ein digitales Tagebuch zu überführen. "OCR" gibt es bereits seit über 30 Jahren, aber eine Texterkennung auf diesem Niveau war völlig neu. Kratzer und Spiegelungen im Display sowie schlechte Kameras und Prozessoren machten Kinigadner das Leben schwer. "Die Erkennungsrate für solch ein medizinisches Produkt muss nahezu 100 Prozent sein", so der Gründer. Acht Monate später war das Patent für die Technologie beantragt.

Anyline-Gründer und -Geschäftsführer Lukas Kinigadner
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Anyline-Gründer und -Geschäftsführer Lukas Kinigadner

Heute interessieren sich für Kinigadners Produkt vor allem Werbungtreibende, die das Software Development Kit (SDK) von Anyline kostenpflichtig herunterladen können. Red Bull beispielsweise integrierte die Texterkennung in die eigene App und startete im polnischen Markt eine Kundenbindungskampagne, in der die Käufer der Brause eine Ziffernfolge an der Dosenlasche scannen und schließlich Preise gewinnen konnten. Der Konzern hatte monatelang nach einem solchen Tech-Partner gesucht, wurde nicht einmal im Silicon Valley fündig, und fand schließlich im Heimatland den Partner Anyline. Mit 325.000 Scans und 48.000 Unique Usern soll der Brause-Hersteller über das Engagement sehr zufrieden gewesen sein.

Auch die Biermarke Karlsberg nutzte Anylines Technologie, um während der Fußball-EM in Frankreich ihre Kronkorken scannen zu lassen. Die Kampagne, die ausschließlich in Deutschland lief, verbuchte 40.000 Nutzer und 1 Million Interaktionen im Monat. Während eines Deutschland-Spiels zählte das Unternehmen gar 200 Scans in der Minute.

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Kinigadner will sich zukünftig besonders auf den deutschen Markt konzentrieren, immerhin das Land der Biertrinker. Der junge Unternehmer werde demnächst den Kontakt mit deutschen Brauereien suchen, sagt er. Einen ersten deutschen Partner aus dem Energiesektor hat er bereits im Boot: EON. Das Unternehmen integriert die Technologie in die App "Mein EON", mit der Kunden zukünftig ihren Stromzähler abscannen und per Smartphone direkt an EON übertragen können. Auch mit vielen Digitalagenturen sei man mittlerweile in Gesprächen, sagt Kinigadner, um an weitere Großkunden heranzukommen.

Denn der Konkurrenzkampf im "OCR"-Markt ist groß. Einer der wichtigsten Wettbewerber ist niemand geringeres als Google. Der Suchmaschinenriese kaufte 2014 die Texterkennungs-App Wordlense und integrierte die Technologie in die eigene Translate-App. "Wenn du in einem Restaurant in Japan ein grobes Verständnis davon haben möchtest, was auf der Speisekarte steht, ist Wordlense gut", sagt Kinigadner. Absolute Genauigkeit biete die App aber nicht. "Unsere Technologie ist besser, weil akkurater", sagt der Firmenchef selbstbewusst. "Bei Blutzuckerwerten und Kontoauszügen muss die Erkennungsrate enorm hoch sein."

Außerdem macht Kinigadner, anders als Google, seine Technologie für jede Firma verfügbar. "Wenn Google eine Technologie zuhause einsperrt und in keiner weiteren App verfügbar macht, nützt das niemandem", so der Gründer. Sein Ziel: Jedem Unternehmen Texterkennung möglich machen. Gerne hätte der Geschäftsführer seine Technologie auf jedem Smartphone, die Hersteller geben aber ungern die Schnittstelle zu ihren Kameras her. Auf dem Weg zum selbstgesteckten Ziel, bis 2020 Weltmarktführer in mobiler Texterkennung zu sein, bleibt das Geschäft des Startups daher erst einmal App-basiert.

Beim Smartphone soll es aber nicht bleiben. Kinigadner sieht für seine Texterkennung großes Potential bei Wearables, vor allem in der Industrie. Ein Arbeiter bräuchte mit einer Smartglass den Stromzähler nur ansehen, um die Daten ins System zu übertragen. Um diesen Traum real werden zu lassen, arbeitet Anyline mit allen möglichen Wearables-Herstellern zusammen - derzeit tüftelt ein Entwicklerteam an einer Lösung für Microsofts Holo Lens. Kinigadner: "Ich könnte mir vorstellen, dass in Zukunft ein Beamter am Flughafen die Holo Lens anhat und mit unserer integrierten Technologie die Pässe scannt."

Prominente Geldgeber wollen Anyline nun unter die Arme greifen, um dem Startup zum Durchbruch zu verhelfen. Erst vor wenigen Tagen verkündete Hermann Hauser, "der Steve Jobs Großbritanniens", dass er sich mit knapp einer halben Million Euro als strategischer Investor beteiligt. Hauser hatte einst den ARM-Prozessoren zum Erfolg verholfen und ist außerdem einer der führenden Köpfe im sogenannten Tech-Cluster der Universität Cambridge. Erst im Februar 2016 hatte Anyline 1,5 Millionen Euro unter anderem von Business Angel Hansi Hansmann (der auch in Runtastic investierte) und der Swarovski-Stiftung erhalten. ron




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