Algorithmus-Feed

Snapchat wird facebookiger

Snapchat zeigt Stories derzeit noch in chronologischer Reihenfolge an
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Snapchat zeigt Stories derzeit noch in chronologischer Reihenfolge an
"Wir sind bereit, dieses Risiko einzugehen, weil wir glauben, dass das langfristige Vorteile für unser Geschäft bringen wird.“ Weil die Zahlen für das dritte Quartal wieder einmal nicht zufriedenstellend ausfielen, kündigte Snap-CEO Evan Spiegel gestern drastische Veränderungen in der App an. Dazu gehöre auch, so heißt es, die Inhalte künftig über eine Algorithmus anzeigen zu lassen. Ausnahmsweise schaut sich also Snapchat etwas von Facebook ab - und nicht umgekehrt.
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Snapchat war schon immer eine Art Anti-Facebook. Vertikale statt horizontale Bilder und Videos, Selbstzerstörungs- statt Archivfunktion, chronologische statt algorithmische Darstellung der Inhalte. Doch weil die Geschäftszahlen - mal wieder - nicht den Erwartungen der Analysten und Unternehmenslenker entsprechen, soll nun zumindest mit dem letztgenannten Prinzip Schluss sein. Snap-Chef Evan Spiegel hat angekündigt, die chronologische Anzeige der Stories aufzugeben. Künftig soll eine Software sie nach vermuteter Relevanz für den Nutzer sortieren. Snapchat wird also facebookiger.


Snapchat-Nutzer hatten die Stories ihrer Freunde und abonnierten Kanäle bislang in einer umgekehrt-chronologischen Reihenfolge angezeigt bekommen. Heißt: Die jüngsten Inhalte tauchen ganz oben im Feed auf. Der Nachteil: Nutzer, die viele Inhalte posten, tauchen häufiger an prominenter Stelle auf, unabhängig davon, ob man die Bilder und Videos auch tatsächlich anschaut, geschweige denn sie den eigenen Interessen entsprechen. Spiegel will den Story-Feed nun personalisieren. Am 4. Dezember, so will es Business Insider erfahren haben, sollen die Änderungen online gehen.
Und das scheint ein sinnvoller Schritt zu sein. Wenn Nutzer künftig die Inhalte angezeigt bekommen, die sie wirklich interessieren oder von engen Freunden stammen statt von entfernten Verwandten, dann ist anzunehmen, dass die Abrufzahlen zunehmen und das User-Engagement steigt. Die Werbekunden werden sich freuen. Schon jetzt habe Snapchat Millionen Stories indexiert und somit genügend Content, um jedem Nutzer einen personalisierten Feed zu basteln, so der 27-jährige Firmenchef.

Die algorithmische Darstellung ist auch deshalb möglich, weil Snapchat mittlerweile einen profunden Datenschatz im Rücken hat. Die App weiß nicht nur, mit welchen Freunden und mit welchen Inhalten Nutzer am häufigsten interagieren sondern auch, wo sie sich aufhalten, nach welchen Stichworten sie in der Story-Search suchen oder welche Discover-Inhalte angeschaut werden.

Das Anti-Facebook Snapchat geht somit einen Weg, den andere Social-Media-Plattformen bereits gegangen sind. Bei Facebook ist der Algorithmus schon lange Standard, Instagram führte eine solche Darstellung im März vergangenen Jahres ein, Twitter einen Monat vorher. Der Kurznachrichtendienst, der diese Bezeichnung seit gestern eigentlich nicht mehr verdient, entschied sich, trotz zahlreicher Nutzer-Proteste, für diesen Schritt, um einen Weg aus der Krise zu finden. Die große Kehrtwende blieb aber aus. Ob das bei Snapchat anders sein wird, bleibt abzuwarten. ron




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