Airbnb-Marketingchefin Lulu Skinner

"Deutsche vertrauen uns leider weniger als andere Europäer"

Lulu Skinner, Head of Marketing EMEA bei Airbnb, im Interview mit HORIZONT Online
HORIZONT Online
Lulu Skinner, Head of Marketing EMEA bei Airbnb, im Interview mit HORIZONT Online
Airbnb disruptiert gerade ein komplettes Geschäftsmodell und gilt nicht umsonst als eines der wertvollsten "Einhörner" überhaupt. Hierzulande kämpft der Wohnungsvermittler aus San Francisco aber gegen viele politische Widerstände an. Lulu Skinner, Marketingchefin EMEA von Airbnb, fährt deshalb in Deutschland die Kommunikationsaktivitäten hoch und wirbt im Exklusiv-Interview mit HORIZONT Online um Vertrauen. Auch erklärt sie, warum ihr die deutsche Start-up-Konkurrenz namens Wimdu und 9flats keine Sorgen bereitet.
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Wir treffen Lulu Skinner in Hamburg. Die Britin ist zum ersten Mal in der Hansestadt und stellt sich und ihren Arbeitgeber bei der Konferenz "Year of the Monkey" jungen Gründern und erfahrenen Marketingmanagern vor. Skinner muss in Deutschland ein wenig die Wogen glätten. Die Sharing-Plattform steht hierzulande in der Kritik, gilt in vielen Augen als Katalysator der Gentrifizierung. Einige Städte, darunter New York, San Francisco und Berlin, haben bereits die gesetzlichen Regelungen bezüglich der Untervermietung von Wohnraum verschärft.


Frau Skinner, Sie sind bereits seit gestern in Hamburg. Hand aufs Herz: Haben Sie sich für Ihren Aufenthalt eine Bleibe über Airbnb gesucht oder doch lieber ein Hotelzimmer gebucht? Natürlich habe ich mir ein Zimmer über Airbnb gesucht. Mein Gastgeber heißt Dirk, ich habe ihn gestern Abend kennengelernt. Er ist sehr nett, hat mich durch seine Wohnung geführt und mir ein paar Tipps gegeben, wo ich in der Stadt etwas trinken gehen kann. Aber mein Aufenthalt in Hamburg ist nur sehr kurz, deshalb habe ich nicht wirklich viel von der Stadt sehen können.

Das klingt zwar schön und gut. Allerdings ist Deutschland nicht gerade ein einfacher Markt für Airbnb. Seit dem 1. Mai ist es in Berlin beispielsweise nicht mehr erlaubt, über die Plattform ein privates Appartement ohne Spezialerlaubnis der Behörden zu vermieten. Ansonsten drohen Bußgelder. Ärgern Sie die harten deutschen Regularien? Berlin benötigt klare Regeln für Home Sharing, die es Berlinerinnen und Berlinern ermöglichen, ihr Zuhause zeitweise an Gäste zu vermieten. Wir suchen den konstruktiven Dialog mit der Stadt Berlin, um über konkrete Modelle zu sprechen, die Home Sharer von in Berlin unerwünschten kommerziellen Anbietern abgrenzen. Weltweit wollen wir mit politischen Entscheidern zusammenarbeiten und unseren Beitrag leisten, damit ein zeitgemäßer und verantwortungsvoller gesetzlicher Rahmen geschaffen werden kann. So auch mit Berlin, um dem weltoffenen und innovativen Charakter der Stadt gerecht zu werden.
Wer ist Lulu Skinner?
Lulu Skinner ist seit Januar 2016 als Marketingchefin EMEA für Airbnb tätig. Davor sammelte die Britin bei Agenturen Erfahrungen im Bereich Digital-Marketing. Unter anderem war sie für das Kreativunternehmen AKQA für die Marke Nike tätig und arbeitete an prämierten Kampagnen für Brands wie Cadbury und Skoda mit.
Nicht nur Airbnb hat es in Deutschland schwer. Auch der umstrittene Fahrdienstvermittler Uber ist hierzulande weitestgehend verboten. Warum scheinen sich vor allem Unternehmen aus der Sharing Economy im hiesigen Markt die Zähne auszubeißen? Ich bin mir nicht sicher, ob das grundsätzlich ein Problem der Sharing-Economy ist. Klar ist: Deutsche vertrauen neuen technologischen Plattformen in der Regel leider weniger als andere Europäer. Und genau darum geht es doch bei der Sharing Economy: Vertrauen. Wenn Airbnb in Deutschland erfolgreich sein will, muss das Unternehmen Vertrauen in der Bevölkerung und in der Politik gewinnen. Genau das berücksichtigen wir in unserer Kommunikationsstrategie für Deutschland, die wir extra für dieses Land anpassen. Es wäre ein großer Fehler, hierzulande Marketingstrategien anzuwenden, nur weil sie in anderen Märkten bereits funktioniert haben.

Seit wenigen Wochen bekommt Airbnb hierzulande zusätzlich Gegenwind aus der Start-up-Szene. Die beiden Portale Wimdu und 9flats haben sich jüngst zusammengeschlossen, um Ihnen das Feld streitig zu machen. Wie blicken Sie auf diesen Vorstoß? Das bereitet uns ehrlich gesagt keine großen Sorgen, weil wir uns in einem Merkmal von den Wettbewerbern sehr deutlich unterscheiden: die Community. Wir fokussieren uns stets darauf, unsere besondere Gemeinschaft weiterzuentwickeln und auszubauen. Das bedeutet nicht, das für andere Player in Deutschland kein Platz ist, im Gegenteil. Aber wir konzentrieren uns nicht darauf, was unsere Wettbewerber machen, sondern auf das, was uns von diesen unterscheidet. Das ist eine Mentalitätsfrage. Ich rate generell davon ab, egal in welchem Markt sich ein Unternehmen bewegt, zu sehr darauf zu achten, was die anderen machen. Ein gutes Beispiel für diese Mentalität ist Nike.
Wir konzentrieren uns nicht darauf, was unsere Wettbewerber machen, sondern auf das, was uns von diesen unterscheidet. Das ist eine Mentalitätsfrage.
Lulu Skinner, Head of Marketing EMEA Airbnb
Die Marke haben Sie während Ihrer Zeit bei der Kreativagentur AKQA betreut. Genau. Nike hat sich nie dafür interessiert, was Adidas treibt, sondern war immer darauf aus, sein eigenes Ding durchzuziehen. Mit Erfolg.

Nike und Airbnb sind zwei völlig unterschiedliche Marken. Die eine stellt seit 50 Jahren Sportbekleidung her, die andere disruptiert gerade ein ganzes Geschäftsmodell. Sie unterscheiden sich in einem zentralen Element: Anders als Airbnb musste Nike die digitale Plattform erst aufbauen, sich quasi neu erfinden. Um das Kernprodukt Schuh ist in den vergangenen Jahrzehnten deshalb ein digitales Ökosystem aufgebaut worden, ein gutes Beispiel ist die Running-App. Bei Airbnb ist das stattdessen umgekehrt. Das Unternehmen wurde 2008, also in der digitalen Ära, gegründet. Das Unternehmen selbst ist eine digitale Plattform. Es musste sich also nicht wie Nike neu erfinden.

Als Head of Marketing EMEA überblicken Sie den gesamten europäischen Raum. Welchen Stellenwert hat Deutschland eigentlich für Airbnb? Deutschland ist ein unglaublich wichtiger Markt für uns. Immerhin gaben die Deutschen in den vergangenen Jahren so viel Geld fürs Verreisen aus, wie kaum jemand anderes. Und noch mehr: Deutschland ist nicht nur ein sehr reisefreudiges Land, sondern selbst eine attraktive Destination für Touristen aus anderen Nationen. Aus diesen Gründen haben wir einen besonderen Fokus auf diesen Markt und werden unsere Bemühungen auch 2017 weiter fortsetzen.

Was heißt das genau? Wir werden im nächsten Jahr eine weitere Kampagne in Deutschland ausrollen. Die Planungen dafür sind allerdings noch nicht abgeschlossen, weshalb ich dazu leider noch nicht mehr sagen kann. Nur so viel: Neben Social Media werden wir wieder ins TV gehen und mit Influencern zusammenarbeiten. Darüber hinaus eruieren wir derzeit, inwiefern Partnerschaften mit anderen deutschen Marken möglich sind.

2015 ist Airbnb in Deutschland erstmals ins TV gegangen. Warum eigentlich? Ihre Zielgruppe werden Sie doch sicherlich über soziale Kanäle besser erreichen, oder? Wir sind im vergangenen Jahr ins Fernsehen gegangen, weil wir in Deutschland noch sehr viel Awareness erzeugen müssen. Klar, jungen Menschen, Medienmachern und Großstadtbewohnern ist Airbnb in der Regel ein Begriff, aber Sie werden überrascht sein, wie wenige diese Plattform in ländlicheren Gebieten kennen. Die Millenials, von denen Sie sprechen, machen derzeit einen großen Teil unserer Community aus, das ist korrekt. Aber wir wissen auch, dass es noch viele weitere Menschen gibt, die von Airbnb profitieren könnten. Deshalb erweitern wir unsere Zielgruppe Schritt für Schritt.
In Richtung Familie beispielsweise. Im April diesen Jahres ging hierzulande eine TV-Kampagne an den Start, in der es Airbnb zum ersten Mal nicht nur auf Einzelreisende abgesehen hat. Genau. Und Sie werden in nächster Zeit sehr wahrscheinlich viele weitere solche Spots von uns sehen.

Wenn wir über das Marketing von Airbnb sprechen, müssen wir Social Media erwähnen. Die Analyse-Firma Socialbakers hat Airbnb in einer aktuellen Auswertung für die Arbeit auf Facebook und Instagram in höchsten Tönen gelobt, etwa in puncto Community Management. Wie wichtig sind soziale Medien für Ihre Marketingstrategie? Social-Media-Marketing ist in unseren Augen fundamental. Für eine Marke, bei der die Community gleichzeitig das Geschäftsmodell ist, muss die Community auch ein essentieller Teil der Kommunikationsstrategie sein. Wir haben uns lange Zeit gefragt, wie wir diese Devise auf Facebook und Co umsetzen wollen und sind dann zu dem Entschluss gekommen, unsere Community für uns sprechen zu lassen. 90 Prozent unserer Inhalte in allen Social-Media-Kanälen sind „crowdsourced“, also Inhalte von unseren Nutzern. Der Vorteil daran ist, dass diese Fotos und Videos extrem authentisch sind, weil sie von denjenigen stammen, die tatsächlich ein Airbnb-Erlebnis hatten.

Interview: Giuseppe Rondinella




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