Die mittlerweile durchaus kostspielige Tradition lässt bereits erahnen, dass es sich bei dem Berliner Start-up Adjust längst nicht mehr um einen kleinen Player in der Branche handelt. Der Adtech-Spezialist ist so etwas wie ein stummer Riese, der unauffällig im Hintergrund agiert und sich weitestgehend um Diskretion bemüht. "Wir sind in unserer Kommunikation bewusst nicht so laut, wie andere Unternehmen aus der Marketing-Branche", sagt Henschel, der gerade erst mit seinen Mitarbeitern aus der Dominikanischen Republik zurückgekehrt ist und sich erst noch an die kalten Temperaturen in Berlin gewöhnen muss.
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Entstanden ist Adjust vor fünf Jahren, weil Henschel und seine beiden Mitgründer
Manuel Kniep und
Paul H. Müller schlau genug waren, inmitten des Smartphone-Booms eine Marktlücke zu erkennen. Im stationären Web können Unternehmen damals wie heute das Nutzungsverhalten der User mit Cookies recht einfach tracken. In der mobilen Welt der Apps ist das jedoch ungleich schwieriger, weil Googles Play Store und Apples App Store das Geschäft kontrollieren. Woher kommen die App-User? Wie wurden sie auf die App aufmerksam und wie wird sie genutzt? App-Anbieter werden darüber in der Regel im Dunkeln gelassen.
Adjust hat sich auf die Fahne geschrieben, mit einer eigenen Technologie - die vom User quasi huckepack mit der jeweiligen App heruntergeladen wird - eben diese Insight zu verkaufen. Und die Nachfrage bei den Marketiers ist weltweit riesig. Jeden Monat verarbeitet und analysiert Adjust monatlich eigenen Angaben zufolge mehr als zwei Petabyte (2000 Terabyte) Datenmaterial von circa 22.000 Apps auf mehr als 1,8 Milliarden mobilen Endgeräten. Selbstbewusst kommuniziert das Unternehmen, dass man auf jedem zweiten Smartphone der Welt zu finden sei. Große App-Anbieter wie
Spotify,
Universal Music, Lidl und die
Telekom, die erst vor kurzem die Zusammenarbeit mit Adjust auf Gesamt-Europa ausgeweitet hat, nutzen die Dienstleistung.
Und mit dem steigenden Interesse für App-Insights, wächst auch Adjust immer schneller und schneller. Bereits im vierten Jahr schrieb das Unternehmen schwarze Zahlen, erwirtschaftete im vergangenen Jahr 3,5 Millionen Euro Gewinn - dreimal soviel wie im Jahr zuvor. Auf die Zahlen angesprochen, beschwichtigt Henschel jedoch und übt sich gewohnt in Diskretion: "Wir fokussieren uns nicht auf den Gewinn." 145 Mitarbeiter arbeiten mittlerweile an insgesamt 13 Standorten weltweit, allein 2016 stellte Henschel 80 neue Leute ein, in diesem Jahr sollen nochmals 60 bis 70 weitere hinzukommen.
Mittlerweile hat es Henschel mit seiner Firma vor allem auf den US-amerikanischen Markt abgesehen und dort nicht nur,
wie HORIZONT Online berichtete, seine Mitarbeiterzahl verdreifacht und die Standorte in San Francisco und New York ausgebaut, sondern auch Top-Manager von Wettbewerbern wie
AppsFlyer abwerben können. Das israelische Start-up gilt neben dem US-Unternehmen
Tune als einer der wichtigsten Konkurrenten von Adjust und konnte erst vor wenigen Tagen in einer weiteren Finanzierungsrunde
56 Millionen US-Dollar einsammeln. Zu den neuen Geldgebern gehört auch die
Deutsche Telekom.
Dass auch AppsFlyer das Interesse von Investoren auf sich zieht, kommt nicht von ungefähr. Eigenen Angaben zufolge hat das Startup innerhalb der letzten beiden Jahre ein Umsatzplus von 500 Prozent erzielt und das Team in insgesamt 12 Niederlassungen weltweit von 40 auf 240 Mitarbeiter ausgebaut. In Berlin hatte das Unternehmen 2016 eine Zentrale für die deutschsprachige DACH-Region eröffnet und analysiert mittlerweile monatlich über 300 Milliarden mobile Nutzeraktivitäten. Zu den integrierten Partnern zählen Unternehmen wie Pinterest, Tencent, Adobe, IBM und Yahoo.
Christian Henschel bereitet sein Unternehmen unterdessen auf die nächsten Herausforderungen vor. Denn, so Henschels Prognose: "Apps werden immer wichtiger." Gemeint sind etwa Zukunftsthemen wie Smart TV, Connected Cars oder Virtual-Reality-Brillen, bei denen Apps eine entscheidende Rolle einnehmen werden. Und dann will Henschel mit seinem Unternehmen präsent sein.
Nur mit diesem Gespür für neue Märkte, so könnte man witzeln, kann sich Henschel seine liebgewonnene Tradition der alljährlichen Urlaubsreisen für die gesamte Belegschaft weiterhin leisten. Die Planungen für den nächsten Trip sind bereits angelaufen. Wo es hingeht, steht noch nicht fest. Nur so viel will Henschel verraten: 2018 soll eine eigene Insel gemietet werden.
ron