Jan Christe ist Herausgeber von t3n
Vom Nerd-Projekt zu einem der beliebtesten Digitalmagazine Deutschlands: Die Marke t3n hat sich mittlerweile als Pflichtlektüre für viele Tech-Enthusiasten etabliert - sowohl das Heft als auch der Online-Auftritt.
Zur 50. Magazin-Ausgabe, die morgen in den Handel kommt, blickt Herausgeber Jan Christe im Interview mit HORIZONT Online auf zwölf Jahre Heft-Geschichte zurück. Und gibt einen Ausblick, wie sich die Marke künftig aufstellen will.
Jan, t3n wächst entgegen des Branchentrends. Wie erklärst du dir das? Das ist vermutlich eine Kombination aus vielen Gründen. Zum einen erscheint das Magazin nur vier Mal im Jahr. Diese Verknappung ist bewusst gewählt und führt letztlich dazu, dass wir einen sehr hohen Qualitätsfilter anwenden müssen. Heißt: Wir lassen nur Themen ins Heft, die wir für relevant erachten. Ein anderer Grund ist unsere bunte Themenmischung. Wir wissen von unseren Lesern, dass sie genau dies schätzen. Nicht zuletzt spielt uns auch der große Informationsbedarf in die Karten, den es bei Digitalthemen seit Jahren und nach wie vor gibt.
Schon einmal darüber nachgedacht, die Erscheinungsfrequenz zu erhöhen? Wir greifen die wichtigsten Trends der Digitalbranche auf und liefern dazu hintergründige Artikel. Damit geben wir Orientierung und erklären, welche Entwicklungen relevant sind. Das funktioniert als Print-Zusammenfassung einmal im Quartal einfach perfekt. Für diejenigen, die eine schnellere Taktung brauchen, für die gibt es t3n.de.
Schauen wir mal zurück auf 50 Ausgaben t3n. Als das erste Heft 2005 erschien, gab es noch kein iPhone. Heute beschäftigt sich die Tech-Welt mit Themen wie Blockchain und Virtual Reality. Wie hat sich eure inhaltliche Ausrichtung verändert? Wir haben zum Jubiläum natürlich mal in der Mottenkiste gekramt und uns alte Ausgaben angeschaut. Man muss schon sagen: Die inhaltliche Ausrichtung hat sich extrem verändert. Wir sind 2005 als Nerd-Magazin für Webentwickler und Typo3-Enthusiasten gestartet. Über die Jahre hinweg haben wir die Ausrichtung dann immer stärker verändert, das Magazin deutlich zugänglicher gemacht und den Themenfokus erweitert. Beispielsweise kamen Social Media, Online-Marketing, E-Commerce, Start-ups und zuletzt auch viele Themen um digitale Arbeit und Karriere hinzu.
Streit mit Sido
Das Cover der 50. Ausgabe sorgt aktuell für
Twitter-Beef mit Rapper Sido. Das Magazin habe sich an den Zeilen seines Hits "Mein Block" aus dem Jahr 2004 bedient, woraufhin der Musiker zur Verbalattacke ausholte und die Macher als "Drecksmenschen" bezeichnete
Das sind vor allem auch „mainstreamige“ Themen. Haben euch die Leser der ersten Stunde, also die Nerds, das verziehen? Die inhaltlichen Veränderungen waren für uns immer eine logische Weiterentwicklung. Das waren Themen, die im Digitalen aufkamen und die wir für wichtig erachtet haben. Letztlich verändert man damit auch seine Leserschaft, was aber nicht heißt, dass wir unsere Leser der ersten Stunde verloren haben. Im Gegenteil: Wir haben einen großen Stamm an Langzeitabonnenten, die uns seit vielen Jahren die Treue halten. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass wir unserer Kern-DNA treu geblieben sind.
Ein Blick in die Glaskugel: Welche Themen werden euch in den nächsten Jahren beschäftigen? Ein Thema, das jetzt schon sehr wichtig ist aber in den nächsten Jahren noch deutlich an Relevanz zunehmen wird, ist die digitale Transformation beziehungsweise die Transformation der Wirtschaft. Die Veränderungen in diesem Bereich werden uns in den nächsten Jahren sicherlich noch intensiv begleiten, außerdem gibt es dort einen riesigen Informationsbedarf in Unternehmen, den wir stillen wollen. Die Themen Künstliche Intelligenz und Automatisierung werden künftig ebenfalls noch stärker zum Tragen kommen.
Deutschland ist aber eher ein technophobes Land. Das spielt euch ja nicht unbedingt in die Karten. In Deutschland stehen bei technologischen Veränderung oftmals erst die Risiken im Mittelpunkt, das stimmt. Viele Medien geben dann eher den Mahner. Unser Anspruch aber ist, dass wir die Chancen aufzeigen, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Wir sehen uns als eine Art positive Stimme. Eine andere Ausrichtung ginge auch komplett an unserer Zielgruppe vorbei. Unsere Leser sind Menschen, die etwas bewegen wollen und die Chancen der Digitalisierung sehen. Das heißt aber nicht, dass wir nur die rosarote Brille aufhaben und nicht auch mal kritisch hinschauen.
Ihr habt vor mehr als einem Jahr einen Podcast gestartet. Welche Rolle spielt der heute in eurer Strategie? Wir haben den Podcast damals ins Leben gerufen, weil wir die Marke t3n auf möglichst vielfältige Art und Weise erlebbar machen wollen - vor allem auch die Menschen hinter dem Magazin und t3n.de, die die Episoden moderieren. Das Medium bietet uns darüber hinaus auch die Gelegenheit, die Themen, die wir im Heft und Online bringen, viel stärker zu vertiefen. Und letztlich erschließen wir so neue Nutzungsszenarien für unseren Content - ob bei der Autofahrt oder beim Sport. Deshalb betrachte ich das Thema in erster Linie nicht als Business-Case, obwohl das Interesse von Werbungtreibenden natürlich deutlich wächst.
Verkauft ihr Anzeigen in eurem Podcast? Der Anzeigenverkauf nimmt gerade Fahrt auf. Marken wie Casper und Jimdo haben wir bereits für uns gewinnen können, aber das Geschäft ist noch ein zartes Pflänzchen. Im Schnitt haben wir 10.000 Hörer pro Episode nach etwa vier Wochen - über alle Plattformen hinweg.
Die erste Ausgabe von t3n.
Plattform ist ein gutes Stichwort. t3n ist auch beim Thema Social Media ziemlich umtriebig und war früh auf den heute selbstverständlichen Kanälen unterwegs. Zahlt sich das heute aus? Wir haben immer großen Wert darauf gelegt, möglichst früh auf so vielen Plattformen wie möglich präsent zu sein. Es geht uns dabei nicht in erster Linie darum, Traffic auf unsere Seiten zu locken, sondern eine Community aufzubauen. Das ist etwas, das sich letztlich gar nicht in Zahlen bemessen lässt. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Präsenz auf diesen vielen Kanälen langfristig einfach in puncto Markenvertrautheit oder Leserbindung auszahlen wird.
Auf Snapchat seit ihr vergleichsweise ziemlich leise. Auch dort haben wir relativ früh Präsenz gezeigt, wir bekommen den Kanal jedoch nicht wirklich in unsere Abläufe integriert. Snapchat ist einer der wenigen Kanäle, die bei uns noch nicht Fahrt aufgenommen haben. Wir konzentrieren uns lieber auf Facebook, Twitter und Instagram. Uns gibt es darüber hinaus noch über Whatsapp und den Facebook Messenger.
Medienunternehmen tun heutzutage einfach gut daran, so viele Boote wie möglich ins Rennen zu schicken, weil es sehr schwer ist, vorauszusagen, was am Ende des Tages funktioniert und was nicht.
Jan Christe, t3n
Wie siehts mit Voice-Interfaces aus? Viele Medien, inklusive HORIZONT, sind über Amazon Echo oder Google Home bereits verfügbar. Eigentlich wollten wir schon längst unsere News über smarte Lautsprecher ausspielen lassen, hatten aber technische Probleme. Im Grunde sind wir nun aber kurz davor, auf Amazon Echo und Google Home zu launchen. Es kommt uns einfach darauf an, auf so vielen Touchpoints wie möglich präsent zu sein. Und smarte Lautsprecher drängen sich für Publisher aktuell geradezu auf. Insgesamt glaube ich aber, dass das Thema noch Zeit braucht.
t3n in Zahlen
Knapp 14.000 Abonnenten beziehen das t3n-Magazin jedes Quartal, am PoS gehen im Schnitt 3000 bis 4000 Ausgaben über die Ladentheke. 60 Mitarbeiter sind aktuell für das Unternehmen tätig, davon 13 Festangestellte in der Redaktion. Für die Inhalte arbeitet t3n zudem mit einem großen Pool an freien Autoren zusammen. In 50 Ausgaben sind etwa 800 Autoren zusammengekommen.
Glaubst du, dass smarte Lautsprecher künftig eine zentrale Distributionsplattform sein werden für Publisher? Ich glaube, dass sie eine weitere, nicht die zentrale Distributionsplattform sein werden. Menschen werden weiterhin Texte lesen, auch wenn sie in einigen Jahren wahrscheinlich viel mehr Tätigkeiten mit ihrer Stimme steuern werden. Publisher sollten Voice trotzdem auf jeden Fall ausprobieren. Medienunternehmen tun heutzutage einfach gut daran, so viele Boote wie möglich ins Rennen zu schicken, weil es sehr schwer ist, vorauszusagen, was am Ende des Tages funktioniert und was nicht. Unser Credo ist: Dinge ganz pragmatisch umsetzen, schauen, ob es funktioniert, weitermachen oder einstampfen. Fünf-Jahres-Strategiepläne sind da nur hinderlich.
t3n sitzt in Hannover. Wie sehr liebäugelt ihr eigentlich mit einem Umzug in die Tech-Hauptstadt Berlin? Wir werden tatsächlich sehr häufig auf unseren Standort angesprochen
(lacht). Aber wir fühlen uns hier sehr wohl. Hannover ist eine sehr lebenswerte Stadt, viel Natur, eine gute Größe, wir hatten Anfangs eine tolle Unterstützung von der lokalen Wirtschaftsförderung und haben diverse Start-up-Wettbewerbe hier gewonnen. Das hat uns damals den Start sehr erleichtert, insofern hängt unser Herz an dieser Stadt.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass das Recruiting nicht so einfach ist. Das stimmt. Vor allem für die Anwerbung neuer Redakteure ist der Standort Hannover teils eine echte Herausforderung, das muss man zugeben. Das liegt natürlich auch an dem überschaubaren Image, das diese Stadt genießt - völlig zu Unrecht übrigens. Das Stadtmarketing hat da sicherlich noch viele Vorurteile zu beseitigen. Wir selbst unternehmen mit Bewerbern immer eine Stadttour und zeigen ihnen die schönsten Ecken von Hannover, um das Bild ein wenig zurechtzurücken. Und man darf nicht vergessen: Hannover hat natürlich den Vorteil, dass man einen etwas distanzierten Blick auf die Tech-Hotspots in Berlin oder Hamburg werfen kann. Aber natürlich braucht man auch die Nähe zu dieser Szene, deshalb haben wir auch ein paar Mitarbeiter, die in Berlin leben und einmal pro Woche zu uns ins Büro kommen, um sich mit uns auszutauschen.
Interview: Giuseppe Rondinella