Wenn es um Sprachassistenten geht, stehen Werbungtreibende vor einer großen Herausforderung: Alexa empfiehlt nämlich nur exakt ein einziges Produkt - und lässt sich scheinbar kaum durch Werbegelder bestechen. Und wenn doch, kennt bis jetzt noch niemand so richtig die Mechanismen, die dahinter stecken. Unternehmen sollten sich deshalb aus der Abhängigkeit Amazons lösen, meint Marcel Hollerbach, CMO von Productsup. In unserer Gastbeitragsreihe "Nerd Alert" plädiert er für eine Stärkung der Konsumentenbeziehungen.
Wer ist das? Klein, unscheinbar, intelligent, hockt dauernd in unserem Wohnzimmer herum und gibt uns die besten Einkaufstipps. Richtig: Alexa. Rund um den Globus macht sich Amazons virtueller Sprachassistent gerade in den Haushalten der Konsumenten heimisch und stellt damit die gesamte E-Commerce-Branche auf den Kopf. Denn: Schon jetzt läuft der Großteil der Produktsuche über den globalen Versandhandelsriesen – mit Voice Search kommt aber nochmal eine ganz andere Dynamik in den Markt. Weil Sprechen eben noch viel einfacher und intuitiver als Schreiben bzw. Tippen ist, mausern sich Sprachassistenten zu den wohl wichtigsten Influencern der Konsumenten überhaupt.
Dank KI werden sie sich der Stimmung ihrer Besitzer anpassen, ihre Stimme entsprechend modulieren und weitgehend eigenständig Produkte vorschlagen und auch kaufen. In diesem gigantischen Zukunftsmarkt hat Amazon ebenfalls längst die Nase vorn – und zwar deutlich vor Google Home.
Das ist eine tolle Entwicklung für die User, denn die müssen sich nicht länger durch lange SEO- und SEA-Listen wühlen, bekommen keine Reisetipps für New York, obwohl sie sich längst für San Francisco entschieden haben und auch übergroße Banner für Alufelgen werden ihnen nicht mehr angezeigt, nur weil sie einmal auf der Homepage von BMW waren. Schlecht ist dies wiederum für Werbungtreibende: Alexa empfiehlt nämlich nur exakt ein einziges Produkt und dabei lässt Amazons Wunderwaffe sich scheinbar kaum durch Werbegelder bestechen – und wenn doch, kennt bis jetzt noch niemand so richtig die Mechanismen, die hinter Alexas "first choice" stecken.
Amazons Wunderwaffe lässt sich scheinbar kaum durch Werbegelder bestechen – und wenn doch, kennt bis jetzt noch niemand so richtig die Mechanismen, die hinter Alexas "first choice" stecken.
Marcel Hollerbach, Productsup
Händler stellt das in ihren gesamten Aktivitäten künftig vor riesige Herausforderungen, denn wie soll man auf diese Scharade richtig reagieren? Die Antwort lautet: Wie in jeder guten Partnerschaft – Nähe und Distanz, und dabei bloß nicht klammern – das ist die Lösung. Das bedeutet einerseits: Die Produktdaten wie Bilder, Überschriften und Produktbeschreibungen konsequent auf Amazon zu optimieren und idealerweise mit den Amazon-Anzeigen "Sponsored Product Ads" zu flankieren. Das ist soweit Basic. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die Beziehung zu den Konsumenten wieder eigenmächtig zu stärken, um sich aus der Abhängigkeit von Amazon herauszulösen. Vier Wege sind dabei aus meiner Sicht erfolgversprechend:
RMS-Manager Frank Bachér
"Smartspeaker durchdringen den Markt mit unglaublicher Geschwindigkeit"
In wenigen Tagen werden sie vermutlich wieder unter zahlreichen Weihnachtsbäumen zu finden sein: smarte Lautsprecher. Die Geräte von Amazon, Google und Co durchdringen aktuell "mit einer unglaublichen Geschwindigkeit" den deutschen Markt, beobachtet Frank Bachér von RMS. ...
1.
Exklusive Angebote im eigenen Webshop
Unternehmen wie der US-amerikanische Golfausrüster Callaway tarieren ihr Sortiment sehr genau aus. Ein Großteil der Produkte wird tatsächlich über Amazon und andere Marktplätze angeboten, zugleich bleibt der eigene Shop exklusiven bzw. auch limitierten Artikeln vorbehalten. Das erhöht einerseits die Attraktivität der eigenen Web-Präsenz und stärkt zusätzlich die Kundenbindung. Über eigene Newsletter bleiben die treuen Bestandskunden up to date. Das wiederum festigt die eigene Datenbasis.
2.
Der stationäre Handel als Erlebniswelt
Immer noch begreifen viele den E-Commerce und damit eben auch Amazon als reine Konkurrenz zum stationären Handel. Doch häufig ist das Geschäft vor Ort der letzte und entscheidende Touchpoint der Customer Journey. Laut einer Umfrage von Forbes Insights bei 250 Einzelhändlern in den USA beginnen 46 Prozent aller Konsumenten zwar im Web ihre Shoppingtour – doch gekauft wird dann direkt beim Händler vor Ort. Für die Händler wird es deshalb immer wichtiger, ihre Filialen zu Erlebnisflächen zu machen.
Mag sein, dass Alexa den Trend zum virtuellen Einkauf begünstigt, doch umso wichtiger ist es, in der realen Welt ein echtes Gegengewicht zu schaffen und die eigenen Produkte im Handel gekonnt zu inszenieren. Mehr und mehr setzen Markenprodukte hier auf eigene Erlebniswelten – wie etwa Apple bei den bekannten Elektronikmarktketten, mit kompetenter Beratung, einer ansprechenden Umgebung, freundlichem Service und vor allem der Möglichkeit, Produkte hier ausgiebig selbst zu testen. Wie bedeutend der stationäre Handel auch weiterhin ist, zeigt nicht zuletzt die Amazon-Übernahme von Whole Foods.
3.
Neue Online-Abomodelle
Vor allem im FMCG- und auch Low-Interest-Bereich liegt es nahe, Produkte direkt im Abonnement zu vertreiben; ähnlich wie es etwa
Blacksocks für Socken, Unterwäsche und T-Shirts anbietet. Ein solches Modell ist für viele weitere Produktbereiche adaptierbar – angefangen bei Getränken über Nahrungsmittel bis hin zu Toilettenpapier und Windeln. Ein solcher Ansatz trägt ebenfalls dazu bei, die direkte Kundenbeziehung zu stärken und beschert den Unternehmen außerdem noch bessere und exaktere Kundendaten.
Wenn Maschinen mit Maschinen in Sachen Produktbestellungen kommunizieren, ist das Rennen wieder völlig offen: Es stellt sich die Frage, ob unsere Kaffeemaschine dann etwa die Nespresso-Kapseln direkt beim Anbieter ordert oder doch lieber bei Amazon. Nicht unwahrscheinlich allerdings, dass hier dann auch ein Bidding-Mechanismus greift – also das Gerät blitzschnell die Angebote aller Handelsplattformen abfragt und bei der günstigsten bestellt.
In der Evolution der Produktsuche wäre das dann die dritte Phase: Erst suchen die Konsumenten im Netz, dann geben sie ihre Bestellung über Sprachassistenten auf und schließlich erledigt die Maschinen das in Eigenregie. Mehr Konsumetenzentrierung geht nicht. Für Alexa wäre das gleichwohl nicht das Aus – man kann mit ihr ja schließlich noch Musik hören.