Julian Kramer, Adobe
KI meets CX

Was Marketer über Künstliche Intelligenz und Customer Experience wissen müssen

Künstliche Intelligenz (KI) und Customer Experience (CX) sind der heiße Scheiß im Marketing! Aber was bedeuten die beiden Trendthemen eigentlich konkret? Was beide eint, ist eine Grundlage an Daten. Aber wie können KI und CX wirklich sinnvoll und gewinnbringend ins Marketing integriert werden. Diesen Fragen geht Julian Kramer, Chief Experience Ambassador bei Adobe Deutschland, in seinem Gastbeitrag für HORIZONT auf den Grund.
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Wenn wir speziell über KI im Marketing sprechen, dann drehen sich die Diskussionen meist um die Bereiche Automatisierung (etwa im Targeting, Media Buying oder Reporting), Analysis (Pattern Recognition in Nutzerverhalten, um verhaltensbasierende Schnittmengen oder Anomalien zu finden) und Assistance (Stapelverarbeitung von Assets oder Anpassen von Interfaces basierend auf Nutzerbedürfnissen). Customer Experience hingegen ist die Ambition einer Marke, den Content für ihre Kunden on- wie offline möglichst kontextsensibel, konsistent und relevant umzusetzen. Über den reinen Transaktionsprozess hinaus gilt es, die Customer Journey in all ihren Touchpoints auf die Bedürfnisse des Kunden anzupassen und möglichst positiv zu gestalten.
Eine gute Customer Experience wirkt filternd: Nicht 'mehr' ist besser, sondern 'besser' ist besser.
Julian Kramer
Dabei wirkt eine gute Customer Experience auch "filternd", denn: Nicht "mehr" ist besser, sondern "besser" ist besser. Es geht also nicht darum, den Kunden möglichst überall zu erreichen, sondern vielmehr dort abzuholen, wo er es will. Warum ich an dieser Stelle ganz bewusst nicht "zu erreichen" schreibe? Ganz einfach: Wenn Sie mich anrufen, erreichen Sie mich vermutlich. Das heißt aber nicht, dass ich mit Ihnen reden oder Ihnen zuhören möchte. Wenn wir jetzt bedenken, dass jeden Tag neue Kunden in den Funnel kommen und sich jeder an einer anderen Stelle mit anderen Bedürfnissen in seiner Customer Journey befindet, dann kann eine ordentliche Personalisierung nur mit KI geleistet werden: Analyze – Act – Automate (repeat). Dafür benötigen wir wiederum genug Assets und eine einheitliche Datenplattform, die 24/7/365 messen und ausspielen kann. Das heißt: Die perfekte Personalisierung quer über eine Customer Journey funktioniert nur mit einem performanten Asset Management und einer Analyse und Targeting- Plattform, die eben mehr misst als nur Media – und das über alle Touchpoints.

opinary ki

Klingt jetzt erst mal logisch, aber technisch nicht unaufwendig. Warum also den ganzen Aufwand betreiben? Nun, zum einen sind gute integrierte Datenplattformen im Vergleich zum durchschnittlichen jährlichen Mediaspend der meisten Marken recht günstig und in einer Welt von GDPR unerlässlich. Warum also weiter mit dem Faustkeil Bäume fällen, wenn es im Baumarkt für kleines Geld eine gute Motorsäge gibt? Zusätzlich haben verschiedene Studien ergeben, dass Marken, die sich der Customer Experience verschreiben und danach handeln, eine um 36 Prozent höhere Umsatzwachstumsrate, eine 1,8-mal höhere Customer Retention und eine 1,6-mal höhere Customer Lifetime Value haben (Quelle: Forrester Studie). Gezielt ein begeisterndes Kundenerlebnis zu designen, hat also einen klaren ROI, fördert Loyalität – und das in einer immer vergleichbareren, sprunghaften Digitalwelt. 

Schöne neue Welt, aber wo liegen die Risiken? Nun, wenn wir von den KI Use-Cases im Marketing ausgehen, liegt die wirkliche Herausforderung im mangelnden Verständnis von guten Metriken – und nachdem ich die KI auf eine Metrik ansetze, gegen die sie optimieren soll, kann dabei eben auch viel Mist herauskommen. Ein einfaches Beispiel: Ich habe zwei Videos. Das eine ist ein Markenspot, das andere ein Erklärfilm zum neuen Produkt. Einer der Filme bekommt dank sexy Storytelling und Media Millionen von Views, der andere erreicht organisch einen Bruchteil davon. Welcher war jetzt besser? Beim Erklärfilm will ich doch, dass die Leute ihn so lange wie möglich sehen, weil er im Funnel viel näher am Sale stattfindet als der generische Markenfilm. In dem Fall will ich, dass die KI auf View-Through-Metriken optimiert, nicht auf Views. Viele Brands nutzen immer noch zu viele "dumme" Pauschalmetriken, die einfach jedes Quartal größer werden müssen – in der KI-Welt ist dies das Äquivalent dazu, eine Motorsäge zu kaufen und dann ausgeschaltet damit zu hacken... Folglich liegt das größte Risiko darin, dass wir die falschen Metriken wählen und die KI auf die falsche Optimierung ansetzen. Parallel dazu darf KI keine Blackbox sein. Algorithmen entscheiden auf Basis von mathematischen Modellen.
Viele Brands nutzen immer noch zu viele 'dumme' Pauschalmetriken, die einfach jedes Quartal größer werden müssen - in der KI-Welt ist dies das Äquivalent dazu, eine Motorsäge zu kaufen und dann ausgeschaltet damit zu hacken.
Julian Kramer
Bleibt die alte Frage nach den Daten: Auch hier ist mehr nicht unbedingt mehr. Zuerst einmal geht es um Qualität: Ein Algorithmus, der auf ein fehlerhaftes Datenset trainiert ist, kommt nur auf falsche Rückschlüsse. Shit in = Shit out. Wenn wir also KI einsetzen wollen, sollten wir langsam und mit einzelnen Datenpunkten arbeiten, sukzessive lernen und unsere Modelle erweitern, statt den prall gefüllten Datensack im Zimmer auszuschütten. Qualität statt Quantität, langsam, aber stetig lernen und in dem Prozess das ganze Unternehmen und den Kunden mitnehmen.

Ich hoffe, dass wir durch die Kombination aus KI und guten KPIs zukünftig nicht nur eine Hyperpersonalisierung ermöglichen, sondern irgendwann CX Attribution Modelling betreiben können. Das bedeutet, nicht nur Media-Kanäle an ihrem Beitrag zum Sale zu messen, sondern alle Unternehmensaktivitäten in Relation zu ihrem Wert auf die Kundenzufriedenheit.
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