Mirko Kaminski, achtung!
IT-Messe

Warum die Cebit mehr Unternehmertum gebraucht hätte

Die Cebit ist seit gestern offiziell Geschichte. Die einst weltgrößte Computershow ist auch gescheitert, weil ihr das nötige Unternehmertum gefehlt hat, urteilt Achtung-CEO Mirko Kaminski, der regelmäßig Messen und Events wie die CES, die SXSW, OMR und Dmexco besucht. In seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online sagt er: Messen müssen Unternehmer an Bord holen, die die Lust und die Ambition haben, aus einem Event einen richtigen Blockbuster zu machen. Das habe die Cebit nicht geschafft.
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Wenn so eine Institution wie die Cebit dahinwelkt und schließlich verdorrt, löst das ambivalente Gefühle aus. Irgendwie hat man schließlich das Gefühl, dass sie schon immer dagewesen ist und damit irgendwie zum eigenen Leben gehören würde. So wie die Queen, Angela Merkel oder Nina Ruge. Wenn es sie dann nicht mehr geben soll, hat man doch zumindest so ein bisschen das Gefühl, es könnte künftig etwas fehlen. Vielleicht aber auch nicht.


Sicher ist: Das erste Mal war ich auf der Cebit, als ich meine Bankausbildung in Lübeck gemacht habe. Da war ich wohl 19 Jahre alt. Das war ‘ne große Gaudi. Auch weil ein paar Mitschüler um Frank Holzer hinten in der letzten Reihe des Reisebusses... Aber ich schweife ab! Auf der Cebit gab es sagenhaft viele Stände. Und wir Berufsschüler haben alle über den Tag hinweg so große Taschen mit Give-aways vollgesteckt. Die Taschen wogen nachher – zumindest gefühlt – Tonnen. Dabei habe ich damals gar nicht so richtig verstanden, was mir all die Marken, Stände, Aussteller eigentlich sagen wollten.

Opinary Cebit

Gut 18 Jahre später war ich dann erneut da. Als Agenturgründer und -geschäftsführer. In meiner Erinnerung hatte sich da gar nicht so viel verändert: allerhand Stände, Stapel an Broschüren, Bildschirme, auf denen Image-Filme liefen. In so vielen Jahren kaum was verändert? Wenn es einer Messe jahre- und jahrzehntelang so gut geht, kann sich der sichere Erfolg wie Mehltau über alles legen. Insbesondere über die Bereitschaft und die Ambition zur beherzten, konsequenten und kontinuierlichen Veränderung.

Vor einigen Jahren war ich auf der Dreamforce von Salesforce in San Francisco. Eigentlich sowas wie eine Salesforce-Hausmesse. Nur eben seinerzeit mit weit mehr als 100.000 Besuchern. Heute sind es noch viel mehr. On stage: Hollywood-Stars. Überall Bühnen mit Bands. Inspirierende Vorträge. Die halbe Stadt im Salesforce-Blau. Mehr Festival als Messe. Bunt. Inspirierend. Flimmernd. Ein Top-Manager der Cebit war auch da. Ich habe mit ihm gesprochen. Er wollte sich die ganze Geschichte mal anschauen, um zu lernen.

Aber kann sowas überhaupt funktionieren? Wir reden über Angestellte einer Messegesellschaft, die öffentlich-rechtlichen Charakter. An ihr zerren Eigentümer wie Stadt und Land – mit oft starken politischen Eigeninteressen. Man stelle sich mal vor, da wird dann einem Messe-Team gesagt, die Cebit müsse doch bitte mal mehr wie Dreamforce, SXSW, CES & Co. werden und man müsse sich das alles doch mal näher angucken. Näher angucken? Wahrscheinlich hätten die „normalen“ Mitarbeiter, Aussteller- und Programmverantwortlichen – ich rede nicht vom Top-Management – schon arge Schwierigkeiten gehabt, überhaupt eine Freigabe zu bekommen, mal zur SXSW in Austin zu fliegen, ein Ticket zu erwerben und dort mehrere Tage zu nächtigen. Ich stelle mir das so vor: Da kommt ein Manager in das Büro eines Mitarbeiters, der an der Cebit mitarbeitet, und sagt: „Hör mal! Nächstes Jahr mal mehr Festival, ok? So ein bisschen mehr Tschakka, alles klar? Wie bei den OMR, bei der Dmexco und der SXSW, roger?“
Ja, Himmel! Was soll denn der arme, nach Tarif bezahlte und wenig aus seinem Büro rauskommende Messemitarbeiter mit dieser Ansage machen? Der Reflex: Ein paar Bühnen aufbauen, Bands einladen und „Chill Zones“ einrichten?!?! Aber so wird aus einer Messe noch lange kein pulsierendes, buntes und inspirierendes internationales Großevent mit Festivalcharakter, über das die Welt spricht, und zu dem man eben pilgern muss, weil es irgendwie alle tun.

Ganz anders sieht es aus, wenn man auf andere Großevents und Branchenfestivals schaut. Picken wir uns mal die OMR heraus. Da ist ein Unternehmer, nämlich Philipp Westermeyer, der herumreist, am Puls der Zeit ist und sein Ding jedes Jahr weiterentwickelt. Und das mit immensem Erfolg. Er muss vorne bleiben, denn seine wirtschaftliche und persönliche Existenz hängt davon ab! Außerdem hat er den persönlichen Antrieb, ja Ehrgeiz, sein „Baby“ jedes Jahr erneut zu einem großen Erfolg zu machen. Oder da ist die Dmexco, die sich zu helfen weiß. Gut, dahinter steckt die Kölnmesse. Klingt jetzt per se auch nicht kosmopolitischer als die Deutsche Messe, Hannover (Warum übrigens eigentlich „Deutsche Messe“?). Aber die Dmexco hat sich Dominik Matyka geholt. Und der ist Unternehmer, tankt sich allenthalben mit Inspiration auf und kommt rum. Der weiß, was gerade läuft. Und er hat von einem Jahr aufs andere etwas verändert. Und schon vorher hatte man auf diese Vernetzung mit Entrepreneurship gesetzt. Die Kölnmesse hatte mit Christian Muche und Frank Schneider kooperiert. Eigentlich auch ein gutes Konzept. Auch die beiden: umtriebig, vernetzt, reisend, neugierig. Ging dann aber auseinander. Sei es drum. Der Ansatz bleibt ein guter.
Messen können gar nicht mehr so funktionieren wie vor 10, 20 Jahren. Dafür verändert sich die Welt viel zu schnell.
Mirko Kaminski, Achtung
Meine Meinung: Messen können gar nicht mehr so funktionieren wie vor 10, 20 Jahren. Dafür verändert sich die Welt viel zu schnell. Und deshalb braucht es Leute, die rumkommen, die ihre Nase in den Wind halten, Entrepreneure sind und schnell agieren können. So eine öffentlich-rechtliche Messegesellschaft, an der Eigentümer mit politischen Interessen zerren und die vor allem Messe-Sachbearbeiter beschäftigt, kann nicht gewinnen. Da braucht es ganz neue Formen. Ich glaube, es gibt ein riesiges Potenzial für neue, für moderne Branchen- und Themengroßveranstaltungen. Die Leute sind hungrig, Orientierung zu erhalten, Inspiration zu tanken und sich auszutauschen. Wir brauchen solche Leuchtturmevents, die helfen, sich zu informieren, zu lernen, aber eben auch Business zu machen. Gerade jetzt. Aber um solche Großveranstaltungen zu entwickeln, braucht man Kreativität, Umtriebigkeit, unternehmerisches Denken. Dafür muss man auch die Organisationsformen dahinter überdenken und/oder Unternehmer holen, die die Lust und die Ambition haben, aus so einer Messe einen Blockbuster zu machen und ein großes Rad zu drehen.




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