An datenbasierten Lösungen kommt aktuell keine Branche vorbei. PR-Fachleute sind aber noch vergleichsweise zurückhaltend, beobachtet Gregor Schermuly, General Manager von OSK Berlin. "Eine vertane Chance", meint er. In der HORIZONT-Gastbeitragsreihe "Nerd Alert" erklärt Schermuly, wie sich die sogenannte Data-driven PR mit wenigen – aber dafür wertvollen – Daten umsetzen lässt.
Die Buzzwords Big Data und KI vernebeln uns den Blick darauf, was mit datengetriebener Kommunikation möglich ist. Aus den Versprechen über die neuen Heilsbringer sind große Erwartungen entstanden. Vor diesem Hintergrund bleiben in der Kommunikationsbranche die Use Cases und Best Practices vermeintlich aus. Eine Studie von Roland Berger zeigt das im Mai 2019 eindrucksvoll: Etwa zwei Drittel der Kommunikationsmanager setzen digitale Kommunikationstools so gut wie gar nicht oder nur wenig ein. Dabei sind bereits verschiedene datenbasierte Lösungen verfügbar, mit denen Kommunikatoren das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit im Blick behalten und die Medienarbeit für jeden Journalisten individuell optimieren können.
Content für Journalisten wird unique
Lösungen zur datenbasierten Content-Produktion und -Distribution gibt es schon seit einigen Jahren auf dem Markt, bisher sind sie aber noch kaum verbreitet. Und das obwohl Entscheider beides mit Daten umsetzen können, die in den Kommunikationsabteilungen bereits generiert werden oder auf einfachem Wege generiert werden können.
Die Buzzwords Big Data und KI vernebeln uns den Blick darauf, was mit datengetriebener Kommunikation möglich ist.
Gregor Schermuly
Ein Beispiel aus der Praxis macht das deutlich: Ein Journalist oder Blogger macht sich hinter einer Data Wall – zum Beispiel durch eine Anmeldung in einer Blogger-Datenbank – gezielt zu einem Thema schlau oder lädt auf der Website eines Unternehmens nach Angabe seiner E-Mail-Adresse ein Dokument herunter. Durch diese Aktion werden seitens des Unternehmens Informationen zum Journalisten (z.B. sozio-demografische Merkmale) und seinen Interessen (anhand seines Surfverhaltens innerhalb der Data Wall) generiert.
Da der Journalist sein Einverständnis zur Verwendung seiner Daten gegeben hat, dürfen diese genutzt, mithilfe eines Media-Relationship-Management-Systems zusammengeführt und durch externen Content angereichert werden. Auf dieser Basis können Unternehmen automatisiert ergänzende Inhalte an den Journalist/Blogger ausspielen.
Nerd Alert
In der Gastbeitragsreihe "Nerd Alert" kommen wöchentlich Branchenexperten zu Wort, die ihr Wissen in Know-how-Beiträgen zu aktuellen Tech- und Digital-Themen weitergeben.
Kommunikationsabteilungen entscheiden selbst, was sie empfehlen wollen: Veranstaltungen, Produkte, Studien oder Hintergrundberichte. Dabei gilt es zu eruieren, welche Daten benötigt werden. So sind für Events unbedingt Standort-Informationen des Nutzers notwendig. Im nächsten Schritt wird ein individuelles Data Warehouse konzipiert und entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Datenbank, in der die Daten aus verschiedenen Quellen – Nutzungsdaten, Produkt-Releases, im Vorfeld recherchierter Themen- und Terminpläne der Redaktion etc. – zusammengeführt werden.
Daraus leitet die Analysefunktion der Plattform passende Themen und die richtige Art der Distribution ab. Im Ergebnis wird der Journalist auf der Media Site oder in der App persönlich begrüßt und bekommt Content oder Themendossiers empfohlen. Möglich sind auch die persönliche Ansprache, zum Beispiel via Mail oder Twitter, automatisch generierte Content-Ads oder digitale Exponate und Events.
All diese technischen Möglichkeiten und Innovationen sollen nicht an die Stelle des Kommunikationsmanagements treten, sondern es ergänzen. Das bedeutet, dass der erste Schritt weiterhin die strategische Kommunikationsplanung bleibt. Im zweiten Schritt geht es darum, Technologien genau an der Stelle einzusetzen, an der sie tatsächliche Mehrwerte schaffen.
Ein Blick in die Zukunft – der Themenradar
Proaktive und analytische Lösungen – wie beispielsweise Social Listening oder Medienanalysen – fasse ich unter dem Stichwort Predictive Communications zusammen. Diese Produkte und Systeme basieren auf verschiedenen Arten des Monitorings und generieren Vorhersagen. Konkret heißt das: Moderne Plattformen führen Daten zusammen und werten sie statistisch aus. Dashboards bieten dem User einen Überblick über den Status der Berichterstattung zum Unternehmen und zu strategischen Themenfeldern. Entscheider sehen damit die Entwicklung von Themen voraus, eruieren, ob es sich lediglich um einen Hype oder doch um einen ernstzunehmenden Trend handelt, treffen Ableitungen für die Zukunft und erkennen unter Umständen erste Anzeichen für Krisen.
Operationalisiert ein Kommunikator beispielsweise ein Thema in Stichwörtern, kann er mithilfe eines solchen Tools beobachten, wie oft, in welcher Frequenz und in welchem Kontext es in den Medien vorkommt. Steigt die Anzahl der Nennungen, ist es Zeit zu handeln: Key-Kontakte ansprechen, Statements platzieren oder eine Pressemeldung versenden. Die Analysen der Artikel oder Beiträge lassen Rückschlüsse auf verwandte Aspekte zu. Damit richten Entscheider Inhalte am Medieninteresse aus. Handelt es sich hingegen um ein kritisches Thema, erhalten die Verantwortlichen ab einer definierten Häufigkeit einen Hinweis/Alarm. Das erlaubt es, frühzeitig auf potenzielle Krisen zu reagieren.
DSGVO-konforme Small Data als Schlüssel
Aus Monitoring-Daten auf einer Plattform einen Themenradar zu machen, ist ein rein technischer Schritt. Auch die für datenbasierten Content-Produktion und -Distribution notwendigen Daten – in diesem Fall handelt es sich um Small Data – sollten in jedem Unternehmen vorhanden sein. Wer als Unternehmen beginnt, diese Informationen zu nutzen und zu verstehen, ebnet damit den Weg, weitere Daten zu generieren und das Content-Targeting immer weiter zu verbessern.
Sobald genügend Daten vorhanden sind, können Unternehmen auch über die Entwicklung und Programmierung von Algorithmen sowie über eine Steuerung über KI nachdenken. Eine solche KI könnte nicht mehr nur Themen empfehlen, sondern auch neue generieren. Das gleiche gilt für Inhalte: Texte oder Bilder entstehen auf Basis individueller Anforderungen und sind absolut exklusiv.
Entscheidend bei der Nutzung von Daten – auch wenn es sich dabei „nur“ um Small Data handelt – ist ein DSGVO-konformer Umgang. Moderne Tools unterstützen Kommunikatoren dabei, gängige Grundsätze der Daten-Nutzung einzuhalten.
Gerade ist der Zeitpunkt, sich als Unternehmen inpuncto Data-driven PR auszuprobieren und Ideen zu generieren – und auch wieder zu verwerfen – ideal.
Gregor Schermuly
Gerade ist der Zeitpunkt, sich als Unternehmen inpuncto Data-driven PR auszuprobieren und Ideen zu generieren – und auch wieder zu verwerfen – ideal. Denn die technologischen Möglichkeiten sind bereits vorhanden.
Datenbasierte Content-Produktion und -Distribution kann nicht den persönlichen Kontakt zwischen Kommunikatoren in Unternehmen und Medienschaffenden ersetzen. Vielmehr geht es stattdessen darum, Journalisten eine verbesserte User Experience zu bieten und einfachere sowie effizientere Prozesse einzuführen.
Es ist definitiv kein Hexenwerk, mit Small Data umzugehen: Kommunikatoren lernen mit jeder Interaktion dazu und verbessern kontinuierlich die Qualität der Daten. So machen sie sich nicht nur fit für die Zukunft und optimieren ihr Media Relationship Management, sondern verschaffen sich auch einen Wettbewerbsvorteil.