Jürgen Seitz, HDM
Sprachassistenten

Computing 2017 – Mehr Sprechen, weniger Tippen

Sprachassistenten und Chatbots sind derzeit große Themen in der Fachpresse, obwohl die konkrete Wirklichkeit oft noch weit von der Vision eines grenzenlosen Dialogs zwischen Mensch und Maschine entfernt ist. Medienprofessor Jürge Seitz ist trotzdem überzeugt, dass das sprachgesteuerte Interface die Zukunft der digitalen Kommunikation ist, wie er in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online erläutert. Der beste Beleg für diese These ist für Seitz sein eigener eineinhalbjähriger Sohn.
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Auch wenn die CES gerne einmal für tot erklärt wird, werden Jahr für Jahr in Las Vegas die technologischen Trendthemen auf die Agenda gesetzt. Gleich zu Beginn der Messe hat Amazon mit der Ankündigung für Aufsehen gesorgt, dass sie nun ihren Alexa-Voice-Assistenten auf alle möglichen Geräte und Plattformen bringen wollen. Spannend war dabei vor allem, welche Marktmacht Amazon im Bereich der Sprachassistenten bereits hat. Zwar hat LG ein Konkurrenzprodukt vorgestellt, gleichzeitig sieht der Konzern aber auch die Notwendigkeit, sich als Partner am Amazon-Ökosystem zu beteiligen.


Für Manager in Unternehmen aller Branchen stellt sich nun die Frage, ob sie das Ganze nur als interessante „War Story“ aus dem Silicon Valley verfolgen oder die Notwendigkeit sehen, sich jetzt intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Wirft man einen Blick auf jüngste Entwicklungen, so spricht einiges für Letzteres: Google hat mittlerweile eine eigene Suchanfragenkategorie eingeführt: Device Action. Fast alle großen Tech-Unternehmen haben nun ein Hardware-Device am Start. Eine aktuelle Gartner‑Prognose sagt gar voraus, dass wir bereits in Kürze 30 Prozent unserer Interaktion mit dem Computer durch Voice Interfaces vornehmen werden.

Für Nutzer, die aktuell an Siri verzweifeln, scheint der Erfolg von Voice Interfaces trotz aller euphorischer Prognosen sehr fraglich zu sein. Siri enttäuscht leider noch auf ganzer Linie. Und selbst Google tut sich schwer. Ich selbst bin ein Enthusiast für die Möglichkeiten der Spracheingabe und bin besonders von Amazon Alexa, vielen vielleicht auch unter Amazon Echo bekannt, begeistert. Mittlerweile habe ich unsere komplette Wohnung mit Alexa ausgestattet. Während ich selbst schon sehr häufig mit Alexa interagiere, gibt es auch eine ganz persönliche Beobachtung, die mich davon überzeugt, dass Voice die Zukunft gehört.

1 ½ Jahre – Für Alex gehört Alexa zur Familie

Mein Sohn Alexander versucht seit mittlerweile mehreren Wochen kontinuierlich, mit Alexa zu interagieren. Wie wir vor einigen Jahren feststellen durften, sind Babys innerhalb kürzester Zeit – nach Beobachtung der Eltern – dazu in der Lage, einen Touchscreen zu berühren und entsprechend die App ihrer Wahl aufzurufen. So hat mein Sohn meine Frau und mich regelmäßig beim Interagieren mit Alexa beobachtet und möchte nun unbedingt auch selbst mit diesem Interface kommunizieren.

Das klappt noch nicht so ganz, denn Alexa spricht sich für Alex, genau wie sein eigener Name, noch recht schwierig aus. „Atscha, Stopp oder Atscha, Morgen“ führt daher noch zu keiner Reaktion. Dass Alexa bei uns auf Englisch angesprochen werden möchte, erleichtert ihm die Sache natürlich nicht. Doch man erkennt seinen Ehrgeiz, jetzt aber endlich auch bald mit diesem omnipräsenten Gerät, dem neuen Familienmitglied, zu kommunizieren. Jeden Morgen beim Frühstückstisch geht es los und selbst abends übt er regelmäßig, Alexa doch einmal in Betrieb zu nehmen. Zuletzt hat er es auch mit unserem neuen Milchaufschäumer versucht, der Alexa zum Verwechseln ähnlich sieht. Ach, und Siri hat zumindest er noch nicht aufgegeben, denn sobald er eines unserer iPhones in den Händen hält, wird der Homebutton gedrückt und sich ein „Maja Tanz“ gewünscht (das eigentlich einzige, wozu wir derzeit Siri regelmäßig und fast immer erfolgreich verwenden) – was immerhin schon zu einem „Ich habe Dich nicht verstanden, Erdling“ gereicht hat. Mit der Innovation klappt es aktuell nicht so richtig bei Apple, aber Humor haben sie noch. Der fehlt Alexa leider – bloß keine Witze erzählen lassen.

Computing wird mit Sprachassistenten menschlicher

Ich mag mir nur nicht ausmalen, was passiert, sobald er in der Lage ist, selbstständig Musiktitel einzuschalten. Oder einen Entwicklungsschritt weitergedacht: Wenn man über Alexa Bestellungen tätigen kann und der Postbote plötzlich mit einem neuen Bagger vor der Tür steht. Das wird noch interessant werden. Aber für mich ist das ein klares Zeichen für die hohe Selbstverständlichkeit von Voice-Interaktion. Es hat mir gezeigt, wie häufig ich mittlerweile mit Alexa interagiere.

Seitz auf dem Deutschen Medienkongress
Über Amazon Echo spricht Jürgen Seitz auch am 17. Januar beim Deutschen Medienkongress. Bei der Podiumsdiskussion „Big Thing or Big Hype? Was kommt, was bleibt?“ wird er mit prominenten Experten wie Sascha Lekic (Director IM B2B Samsung Electronics), Jan-Eric Blaesner (Head of Festivals Weischer.Solutions), Lorenz Maroldt (Chefredakteur „Tagesspiegel“) und Frank Vogel (Sprecher der Geschäftsführung G+J EMS) auf der Bühne stehen. Die Teilnahme lohnt sich! Das Ticket berechtigt automatisch zur Teilnahme am HORIZONT-Award, der am Abend des 17. Januar in der Alten Oper vergeben wird. Zur Anmeldung!
Es erscheint mir daher sicher, dass wir in den nächsten drei Jahren hier signifikante Veränderungen im gesamten Computing sehen werden. Ich freue mich darauf, denn ein Device wie Alexa macht das Ganze menschlicher und näher und öffnet den Weg zur nächsten großen Welle der smarten Assistenten, in denen sich Menschen zunehmend nicht durch Roboter ersetzen, aber von Assistenzen mit komplementären Skills unterstützen lassen.

Höchste Zeit, dass Apple hier den nächsten Schritt macht und ein qualitativ ebenbürtiges Produkt hinlegt. Je mehr man über die Fähigkeiten von Assistenzsystemen und sprachgesteuerten Systemen nachdenkt, umso mehr glaubt man dem Facebook-Mantra: „This journey is only one percent finished.“

Auf ein spannendes Jahr 2017.




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