Samuel Kirchhof, T-Systems
Social-Media-Kommunikation

Was der Hype um Bots bedeutet

Messenger oder virtuelle Assistenten, bei denen Anfragen realer Personen von einer Software beantwortet werden, sind spätestens seit Facebooks Messenger-Revolution ein Hype-Thema der Marketing-Branche. Samuel Kirchhof, Advanced Social Business Consultant bei T-Systems Multimedia Solutions, widmet sich in diesem Beitrag der Frage, welche verschiedenen Bots es überhaupt gibt und wofürt sie sich eignen.
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Der Kundenservice ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die existierenden Support-Communitys haben einen gewissen Reifegrad erreicht, und mittlerweile wird ein Bot-Service nach dem anderen angeboten. Zukünftig muss es statt, "there is an app for everything", wohl eher heißen "there is one app with bots for everything". Denn Kunden/Nutzer lassen sich immer weniger zum Download einer neuen App bewegen und verbleiben lieber in den ihnen bekannten bzw. bestehenden Ökosystemen. Und wer die Entwicklerkonferenz F8 von Facebook gesehen hat, bekommt eine Vorstellung davon, wie Messengers als Basis mit zusätzlichen Funktionen (Bots) angereichert das Ökosystem für unser gesamtes Leben werden möchten. Was bedeutet also dieser Bot-Hype?

Zuerst einmal die Frage danach, was Bots überhaupt sind 

Bots sind nichts anderes als ein Stück Software, das alltägliche Aufgaben automatisiert übernimmt. Dabei kann man zwischen Chat Bots, Virtual Assistants, Conversational Agents und Virtual Agents, die speziell im Kundenservice zum Einsatz kommen, unterscheiden. Hier gilt es zu beachten, dass Kundenservice heute viel weiter unter dem Begriff "Social-Service" gefasst werden kann/muss. Das Verständnis ist unangefochten holistisch und geht damit weit über das einfache Bearbeiten von Service-Anliegen hinaus.

Chat Bot: Ein Computer-Charakter, der über natürliche Sprachverarbeitung einfache Aufgaben erledigt, wie die Beantwortung häufiger Fragen oder Navigationsunterstützung auf Webseiten
Virtual Assistant: Eine virtuell menschenähnliche Repräsentanz, die nicht nur Antworten gibt, sondern richtig strukturiert sowie sinnvolle Unterhaltungen führt und Anfragen mit verschiedenen Inhalten koordiniert
Conversational Agents: Ein Software-Programm, das einfache Anfragen im Sprachstil interpretiert und beantwortet
Virtual Agents: Ein computergeneriert animierter Charakter mit künstlicher Intelligenz, der als online verfügbare Kundenservice-Repräsentanz fungiert und komplexe Aufgaben wie die Verarbeitung von non verbalem Verhalten erledigen kann

Bots lassen sich also hinsichtlich der funktionalen Komplexität und der definierten Aufgaben unterscheiden. In diesem Zusammenhang hat (die Person) Suman Deb Roy die sogenannte "layered architecture for human bot interconnection" entwickelt. Diese Pyramide stellt das Zusammenspiel von Algorithmen und dem/den Menschen dar, wobei die menschliche Beteiligung mit zunehmender Aufgaben-Komplexität gegenüber der Technik zunimmt.
Social-Media-Kompass BVDW:
Dieser Beitrag stammt aus dem achten Social-Media-Kompass der Fokusgruppe Social Media im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Das komplette Paper steht ab dem 08. September auf der BVDW-Seite zum Download bereit. Mehr zu den Hintergründen des aktuellen Social-Media-Kompass lesen Sie in HORIZONT-Ausgabe 36/2016, die auch auf  Tablets oder - nach einmaliger Registrierung - als E-Paper gelesen werden kann. Nicht-Abonnenten können hier ein HORIZONT-Abo abschließen.

Wo finden Bots aktuell Anwendung?

Verschiedene Unternehmen haben Bots in unterschiedlichster Form im Einsatz, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Automatisiert Essen bestellen: Taco Bell (US-Filialist für Systemgastronomie) nähert sich seinen Fans über einen, in die Plattform slack (locker) integrierten, Bot weiter an. Dieser nutzt künstliche Intelligenz in Form von natürlicher Sprachverarbeitung. Auf diese Weise können Bestellungen über Spracheingabe aufgegeben und bezahlt werden. Zudem empfiehlt die Software passende Angebote, beantwortet Fragen und organisiert Gruppenbestellungen.

Gäste und Hotels agieren bot-basiert auf einer Plattform: Booking.com (Hotelbuchungsplattform) wird zukünftig einen bot-basierten Chat-Service anbieten, mit dem Nnutzer und Hotels miteinander interagieren können. Während Gäste proaktiv eine Anfrage über das Endgerät ihrer Wahl eingeben, können die Hotels ihrerseits Notifications (Benachrichtigungen) mit zusätzlichen Service-Informationen direkt zu den Gästen schicken. Interessant ist dabei, dass Booking als Mittler zwischen Gast und Hotel (Third-Party-Anbieter) auftritt und auf der eigenen Plattform den Dialog steuern kann. Damit unterscheidet sich dieses Angebot von jenen anderer Anbieter, die ihre Bot-Services häufig in bestehende Plattformen wie Messengers integrieren.

Der virtuelle Assistent als Gegenüber: Der Chatbot, der in Apps wie Line, WeChat oder Weibo agiert, treibt das Thema Kundenservice weiter. Neben der Bedienung "normaler" Service- Anliegen ist das System beispielsweise in der Lage, den neuen Haarschnitt zu bewerten oder Kaufempfehlungen basierend auf geführten Telefonaten zu geben. Es reagiert emotional, und 25 Prozent der Nutzer haben schon einmal ihre Gefühle gegenüber dem System bekundet. Diese Art von Interaktion mag auch am fernöstlichen Kulturkreis liegen, der technischen Neuerungen möglicherweise offener gegenübersteht. Es zeigt aber auch, was heute schon technisch möglich ist.

Bewertung und Ausblick

Diese und viele andere Beispiele zeigen, dass Bots bereits vielfach zum Einsatz kommen und Aufgaben unterschiedlicher Komplexitätsstufen autark übernehmen, die zuvor von Menschen erledigt wurden. Um diese Entwicklung bewerten zu können, werden im Folgenden einige damit einhergehende Herausforderungen und Vorteile dargestellt.

Mit der Automatisierung von Aufgaben werden Teile der Kundenservice-Mitarbeiter durch Bots ersetzt. Eine Studie der Oxford University und Deloitte sieht beispielsweise 35 Prozent der Jobs in Großbritannien durch Automatisierung gefährdet. Die Kundenservice-Mitarbeiter müssen aber nicht zwangsläufig ersetzt werden. Ein Wandel ihrer Jobbeschreibung oder das Entstehen ganz neuer Jobs ist durchaus denkbar. Schließlich müssen Bots entwickelt, trainiert und optimiert werden. Zudem werden komplexe Anliegen aufgrund der technischen Restriktionen kurzfristig nicht von Maschinen übernommen werden können.

Mit der Optimierung 
von künstlicher Intelligenz und der Weiterentwicklung von selbstlernenden Maschinen wird sich perspektivisch aber auch das immer mehr ändern. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es entscheidend, wie die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine koordiniert wird. Welche Aufgaben übernimmt die Software und wo muss der Mensch nach wie vor übernehmen? Bisher ist das noch relativ statisch definiert. Zudem sind Bots häufig bei Messengerplattformen integriert, die an Text- und Spracheingabe bzw. natürliche Sprachverarbeitung gebunden sind. Wenn man das Thema Bots im Kundenservice aber weiter denkt, ergeben sich weitere vielfältige Anwendungsfälle jenseits der jetzigen Restriktionen.
Hier ein kleines Szenario: Bots "leben" in der Cloud und updaten sich selber mit neuen Funktionen. Verschiedene Bots können miteinander interagieren. Zudem können sie verknüpft werden, damit eine Serie von Aktionen ausgeführt werden kann, die bisher von einander separiert waren. Einkaufen, Verabredungen, Arbeiten, Messaging werden auf Basis der Vorlieben automatisiert im Hintergrund stattfinden. Bots können andere Bots leiten, basierend auf Hierarchien.

Was für die einen wie ein Horrorszenario einer fremdbestimmten Maschinenwelt klingt, birgt für andere das Potenzial einer automatisiert effizienten Welt. Darüber hinaus gibt es sicherlich gerade für Start-ups weitere Ansatzpunkte, die sich mit innovativen Vorzügen gegenüber gegenwärtigen Platzhirschen bzw. Dominatoren wie Siri (Apple), Facebooks M oder Cortana (Microsoft) positionieren können.

Und um die Eingangsfrage zu beantworten: Bots haben das Potenzial, die neuen Apps zu werden und sind es in Teilen auch schon. Bis sie Apps aber vollständig ablösen, wird noch etwas Zeit vergehen.




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