Lars Hense, InSkin Media
Onlinewerbung

Warum Viewability nicht zum Sündenbock des Programmatic Advertising taugt

Viewability ist in Zeiten massiv zunehmender Online-Werbung und Programmatic Advertising zu einem Reizwort geworden. Lars Hense, Sales Director bei dem Technologie-Anbieter InSkin Media, warnt allerdings davor, geringe Sichtbarkeit von Online-Werbemitteln grundsätzlich negativ zu sehen: "Das Inventar mit geringer Sichtbarkeit ist günstig genug, um die Übersteuerung in Kauf zu nehmen", schreibt Hense in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online.
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In letzter Zeit hat sich Viewability in der Onlinewerbung zu einem Reizwort entwickelt: In Deutschland erreichen gerade mal 55 Prozent aller Displayanzeigen die von der Branche festgelegten Schwellenwerte. Wenig überraschend, dass Werbetreibende unter diesen Umständen Verbesserung fordern. Auch im europäischen Ausland wird trotz aller Parameter des IAB und Media Rating Councils für die Sichtbarkeit von Anzeigen noch sehr negativ über Viewability berichtet.



Jene Negativberichte lassen jedoch einen entscheidenden Fakt außer Acht: Für einige Kampagnen wird eine geringere Sichtbarkeit oftmals billigend in Kauf genommen und beruht somit auf einer bewussten Entscheidung der Werbetreibenden. Je nach Kampagnenziel und insbesondere in der abverkaufsorientierten Werbung ist es nicht unüblich, dass eine großflächige Streuung von Anzeigen über günstiges Inventar erfolgt. Genauso wie in der industriellen Massenproduktion müssen wir auch hier den Return on Investment als Ganzes betrachten – das Inventar mit geringer Sichtbarkeit ist günstig genug, um die Übersteuerung in Kauf zu nehmen.

Eines sollten wir uns hinsichtlich der Viewability bewusst machen: So wichtig sie zur Validierung von Inventar und Optimierung der Auslieferung von Kampagnen ist, gibt sie dennoch keine Auskunft über die Effektivität und Wirkung einer Kampagne – dafür ist technische Sichtbarkeit kein Indikator. Werbetreibende legen zur Messung des Erfolgs einer Kampagne heute konkrete Performance Parameter fest, die in Direct-Response-Kampagnen an eine Conversion geknüpft sind (eine Registrierung, einen Klick, einen Kauf oder einen Download). Anders ist es beim Branding, wo Brand Safety und Aufmerksamkeitswerte eine große Rolle spielen: An dieser Stelle ist es besonders wichtig, dass die Umfelder und die Anzeigenformate hochwertig sind. Der tatsächliche Branding-Erfolg einer Kampagne kann jedoch nur mithilfe von kampagnenbasierten Studien evaluiert werden, in denen Metriken über die konkreten Kampagnenziele wie z.B. Werbeerinnerung und Markenassoziation Anwendung finden.
Angesichts der Kritik, die derzeit hinsichtlich Transparenz an der Displaywerbung geübt wird, ist es umso erstaunlicher, dass große Werbetreibende kürzlich Budgetverlagerungen in Richtung TV-Werbung angekündigt haben. Das ist vor allem auch angesichts der Parallelnutzung bemerkenswert, denn die Aufmerksamkeit der Konsumenten liegt während der Werbepause mehr und mehr auf dem Smartphone statt auf dem Fernseher.

Ad-Clutter-Reduktion, Smart Loading-Technologien und der Faktor Zeit

Die Qualitätsoffensive, die BurdaForward Advertising im Sommer 2016 vorstellte, reduziert nun das Auftreten von Ad-Clutter – also die Überexponierung eines Nutzers mit Anzeigen vieler unterschiedlicher Anbieter – im eigenen Webseitenportfolio, massiv. Ad-Clutter verschlechtert das Nutzererlebnis erwiesenermaßen erheblich und Anzeigen sind in solch einer Umgebung nachweislich weniger effektiv. Zudem kommen nutzerorientierte Werbeformate sowohl dem Image des Werbetreibenden, als auch dem des Publishers zu Gute, da der Nutzer das positive Erlebnis kognitiv mit dem Umfeld und dem Inhalt der Anzeige verbindet.

Gleichzeitig hat das Vermarkterhaus die "Smart-Loading-Technologie" eingeführt – eine Technologie, die Anzeigen nur dann vollständig lädt, wenn der Nutzer mit der Maus darüberfährt oder klickt. Für Burda ist die Einführung ein Erfolg: Sowohl Viewability, als auch die Ladezeiten der Webseiten haben sich laut Aussage des Unternehmens deutlich verbessert.
So wichtig Viewability zur Validierung von Inventar und Optimierung der Auslieferung von Kampagnen ist, gibt sie dennoch keine Auskunft über die Effektivität und Wirkung einer Kampagne.
Lars Hense
Die Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (kurz Agof) erweiterte dieses Jahr die Dimensionen, anhand derer wir Werbeinventar beurteilen. Sie misst nun auch den Faktor "Zeit" und gibt Auskunft über die potenzielle Verweildauer auf verschiedenen Websites. Somit liefert Agof einen Anhaltspunkt für das Maß, zu dem ein Nutzer auf einer Website involviert ist, was je nach Format und Platzierung der Anzeige Auswirkungen auf die Effektivität haben kann.

Darüber hinaus muss die Displaywerbebranche die Werbetreibenden davon überzeugen, dass ihre Budgets in der Onlinewerbung gut investiert sind. Deshalb muss es eine Verbesserung und Priorisierung der Anzeigenvalidierung auf der Basis eines durchgängig branchengültigen Indexes geben. Außerdem müssen wir strengere Richtlinien und neue Gesetzgebungen für Anzeigenbetrug durchsetzen, die allen Akteuren mehr Sicherheit gibt. Neben dem Indikator für technisches Wirkungspotenzial einer Kampagne, der Viewability, brauchen wir Metriken zur Erfassung faktischer Anzeigeneffektivität in Form von tatsächlicher Aufmerksamkeit und Interaktion mit der Anzeige durch Blicke, aber auch bezüglich der Resonanz der Anzeige, die beim Nutzer ausgelöst wird.

Quick fix: ein positives Nutzererlebnis generieren!

Neben der Investition in qualitativ hochwertiges Inventar zur Optimierung der Viewability müssen Werbetreibende auch in Ressourcen zur Erstellung attraktiver Werbemittel investieren, um sich die Aufmerksamkeit des Nutzers zu sichern. Auch durch das Anzeigenformat kann ein Zugewinn der Viewability und eine Verbesserung der User Experience erreicht werden, indem auf Overlays und andere Formate, die Inhalte verdecken, verzichtet wird. Außerdem bieten neue Rich-Media Werbeformate Interaktionsmöglichkeiten mit dem gezeigten Angebot, was den Mehrwert für den Nutzer erhöht und den positiven Gesamteindruck der Anzeige verstärkt.

Eine effektive Lösung ist also denkbar einfach umzusetzen: Werbetreibende sollten verstärkt auf ansprechende und interaktive Creatives setzen, die mit der allgemeinen User Experience auf der Website nicht kollidieren. Damit motivieren und aktivieren sie Nutzer deutlich stärker, mit einem Werbemittel zu interagieren.




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