Expedia-Chef Dara Khosrowshahi ist der neue Uber-CEO, nachdem Travis Kalanick im Juni seinen Rücktritt erklärt hat. Zahlreiche Skandale und Fehlentscheidungen haben das Unternehmen in Verruf gebracht. Kann der neue CEO das Unternehmen wieder auf Kurs bringen? In seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online skizziert Marcus Worbs, Managing Director bei Diconium, vier Zukunftsszenarien.
Im Juni 2017 verkündigte Uber-CEO Travis Kalanick erst seine Auszeit, dann - eine Woche später - den Rücktritt. Danach brauchte das Unternehmen nahezu drei Monate, um einen Ersatz zu finden. Nachdem man die CEOs von Youtube, HP Enterprise oder GE näher unter die Lupe genommen hatte, entschied man sich schließlich für Expedia-CEO Dara Khosrowshahi, dessen langzeitige operative Erfahrung die Entscheider überzeugte.
Khosrowshahi steht vor einer Herkulesaufgabe. Denn zahlreiche Skandale und Fehlentscheidungen haben Uber in Verruf gebracht. Darüber hinaus hat das Unternehmen trotz des immensen Wachstums bisher keine Profitabilität erreicht. Ganz im Gegenteil: Das gegenwärtige Business-Modell scheint dem sogar entgegenzuwirken.
Travis Kalanick
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Kann Khosrowshahi es schaffen, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen? Oder ist der Zug längst abgefahren? Wir haben uns kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt und vier mögliche Szenarien für Uber skizziert. Sie basieren auf der Annahme, dass Dara Khosrowshahi alles darauf auslegt Führungsstil, Unternehmenskultur und Marke mit einer neuen, modernen Belegschaft des Managementboards und spezifischen, internen Maßnahmen zu stärken
Szenario 1: Tech-orientierte Plattform
Khosrowshahi folgt dem Wunsch des Uber-Investoren Jason Calacanis und gründet eine Partnerschaft mit einem
Originalausrüstungshersteller (engl: OEM) wie Tesla. Der Einfluss durch den Führungsstil von Elon Musk könnte den Eintritt von Khosrowshahi vereinfachen und bereits entstandene Schäden vermindern. Eine gemeinsame Vision könnte eine End-to-End-Plattform für autonomes Fahren sein – integriert und geteilt.
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Eine starke Partnerschaft würde die Firma von derzeitigen Risiken befreien und helfen, die Entwicklung der Technologie für autonomes Fahren wiederaufzunehmen. Die Win-Win-Situation würde durch den Austausch von hochqualifiziertem Tech-Knowhow und Kunden-Routen-Daten entstehen. Finale Vision wäre es, weltweit zum zentralen Akteur für selbstfahrende Autos zu werden und endlich profitabel zu sein. Dennoch wäre der Wettbewerb hart und ausdauernd.
Szenario 2: Anbindung an das Alphabet-Ökosystem
Uber wird aus Zeitdruck nicht seine eigene Plattform bauen, sondern auf eine bereits existierende zurückgreifen. Dara Khosrowshahi wird sein persönliches Netzwerk (etwa seine familiären Kontakte zu Google Ventures) nutzen, um als Mediator und Risikoreduzierer zwischen Uber und Alphabet zu wirken. Langfristig würde es helfen, Rechtsstreitigkeiten und den Kampf um die Technologie für autonom fahrende Autos zu lösen und den Austausch von relevanten Daten und Technologien anzuregen.
Uber könnte in das Ökosystem von Alphabet integriert oder zumindest angebunden werden. Beide könnten gegenseitig von Reichweite, Daten, Technologie und finanzieller Macht profitieren. Zusammen könnten sie autonomes Fahren und Konnektivität in einem nahtlosen Ökosystem vereinen und damit die Konkurrenz überholen.
Szenario 3: Integration in Expedias Ökosystem
Dara Khosrowshahi nutzt seine langjährige Verbindung zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Onlinereiseagentur Expedia. Das Ökosystem von Expedia bietet Reiseservices von der Buchung von Hotels, Flügen, Fahrzeugen über soziale und inhaltliche Netzwerke bis hin zu technischen Lösungen für B2B-Unternehmen im Reisekontext an.
Der disruptive und tech-orientierte Geist von 2009, humaner und legal ausgestaltet, könnte Uber helfen, wieder das angesagteste Unternehmen der Welt zu werden.
Marcus Worbs, Diconium
Expedia könnte seine Customer Journey mit nahtlos angebundenen Abholservices durch Uber vervollständigen. Die gemeinsame Vision wäre es, Kunden von Tür zu Tür gesamtheitlich zu begleiten, dadurch ein weiteres Geschäftsfeld zu belegen und Kunden- und Routendaten mit einem breiteren Verständnis für Mobilität anzureichern: lokal und international.
Szenario 4: Der Untergang
Uber verliert den Rechtsstreit mit Alphabet und die Erlaubnis, Technologien für autonomes Fahren weiterzuentwickeln. Trotz der Chance, das Management Board neu zu definieren, ist das Unternehmen nicht fähig, seinen Kern wieder zu stärken. Die Möglichkeit, sich selbst neu zu erfinden und die Kosten zu reduzieren, ist vertan. Das Geld geht aus, die nächste Finanzierungsrunde ist nicht so erfolgreich wie zuvor. Der Wert einer privaten Uber-Aktie sinkt.
Zugleich entwickeln andere Marktteilnehmer als erstes eine intelligente Plattform mit einer autonomen Flotte. Zusammen wandeln sie die Ineffizienzen von Uber in ein profitables Geschäftsmodell um. Uber wird zum nächsten MySpace: Das Unternehmen kreierte einen neuen Markt, aber verbrannte sich die Finger an den eigenen Fehlentscheidungen. Letztendlich wurde es von anderen Marktteilnehmern mit ausgefeilten Konzepten eingeholt.
Das derzeitige Geschäftsmodell von Uber wird nicht überleben – ein neues Uber wird dringend benötigt: Ein Uber 2.0 ohne Schulden und Lasten traditioneller oder etablierter Unternehmen. Der disruptive und tech-orientierte Geist von 2009, humaner und legal ausgestaltet, könnte helfen wieder das angesagteste Unternehmen der Welt zu werden. Dara Khosrowshahi, überraschen Sie uns!