Volker Schütz
Dmexco-Kommentar

Kein Platz mehr fürs lokale Business

Die Dmexco ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Doch der stringente Fokus auf internationale Redner und Gäste führt zu einem grundsätzlichen Problem: Die Begeisterung für die US-Milliardenkonzerne lässt kaum mehr Platz für den deutschen Markt zu. Das ist schlecht.
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Eins vorweg: Dieser Text soll nicht dazu dienen, miese Stimmung zu verbreiten. Christian Muche und Frank Schneider haben es innerhalb von sieben Jahren geschafft, ausgerechnet im Internet-Neuland Deutschland eine der zentralen Kongresse der Digital-Industrie zu etablieren. Auch die achte Dmexco war eine Dmexco der Rekorde: Über 1000 Aussteller, die Hälfte davon aus dem Ausland. Mehr als 50.000 Besucher. 570 internationale Redner. Hotelpreise wie in Zürich zur Ferienmesse  FESPO. Partys, bis die Leber schmerzt. Und, und, und.


Soweit so gut. Doch die vehement vorangetriebene internationale Ausrichtung des Events sorgte schon am Vorabend der Veranstaltung für Grummeln. BVDW-Mitglieder, aber auch nationale Vermarkter signalisierten beim OVK-Dinner unter der Hand deutlich Gesprächsbedarf mit der Messe und Schneider/Muche über die Ausrichtung des Kongresses.

Die Angst, unter die Räder zu kommen, ist deutlich zu spüren. Und sie ist nicht unbegründet.

Die Dmexco ist, wie die Älteren noch wissen, 2009 aus den Trümmern der maroden Online-Markting Düsseldorf hervorgegangenen. Ziel war es, vor allen Dingen für die Mitglieder des OVK eine Präsentationsplattform aufzubauen. Dazu engagierte sich der OVK nicht nur als ideller Medienpartner, sondern beteiligte sich auch finanziell an der Etablierung der Dmexco. Die Markenrechte an der Dmexco, so heißt es immer wieder, liegen nicht etwa bei der Messe Köln, sondern beim BVDW.

Nun ist das Internet ein internationales, sogar globales Business. Und die Digitalwerbung ist längst mehr als langweilige Display-Werbung auf Homepages. Es war also die richtige Strategie, den Event zu internationalisieren und neben Digitalvermarktung Services und Produkte zu präsentieren.

Doch in diesem Jahr ist das bis dato ausgewogene Verhältnis international/national gekippt. In der Congress Hall durften vor allen Dingen die riesigen US-Konzerne gute Stimmung über die „great opportunities“ verbreiten. Man mag Deutschen ja gerne vorwerfen, sie seien zu pessimistisch, zu wenig risikobereit, zu pedantisch. Doch der andauernde Hinweis amerikanischer Redner, wie toll die Entwicklung des Internets sei und welche großen Chancen sie bietet, kann einem genauso auf den Geist gehen. Und am Beispiel des Twitter-Gründers Jack Dorsey zeigte sich, wie schnell allgemeines Blabla in fade Geschwätzigkeit endet. Der Mann ist ein Genius und hat eine der interessanten Plattformen gegründet. Doch auf die klugen Fragen von Interviewer Martin Sorrell gab Dorsey im Videochat nur Plattitüden von sich. Sorrell fragt: "Kann es sein, dass Twitter mit einem Partner zusammengeht oder übernommen wird?" Dorsey antwortet: "Wir haben einen starken Plan." So ähnlich redet Dorsey wahrscheinlich vor Analysten. Was hat er auf der Dmexco zu suchen, wenn er nichts erzählen will oder kann?

Auch bei den erfolgreichen US-Vertretern hielt sich der Mehrwert für lokale Vermarkter in Grenzen: Die Philosophie von Google & Co lautet: "All business is global." Was haben nationale Vermarkter und mittelständische Werbungtreibende von globalen Einsichten? Nichts. Es kann deshalb der Dmexco dauerhaft nicht guttun, wenn auf der Bühne wenige Mega-Konzerne schildern dürfen, wie sie auch künftig Milliarden Dollar scheffeln werden, und die Vermarkter des OVK sich alljährlich mit denselben Thesen der Organisation Werbungtreibender und vermeintlich banalen, in Wirklichkeit aber hochkomplexen Problemen wie Viewability, Adfraud, Wirkungsforschung, Bannerqualität und anderes rumschlagen müssen.

Was tun? Die Dmexco muss sich nicht neu erfinden, und es wäre fatal, den internationalen Blick aus den Augen zu verlieren. Doch ich stimme Rasmus Giese von United Internet Media zu. Der hatte im Vorfeld der heißen Tage in Köln in HORIZONT Online formuliert: „Die Dmexco ist einmal angetreten, den deutschen Werbungtreibendenden den Weg durch das Dickicht der digitalen Werbung zu weisen. Damit ist sie groß geworden. Der Informationsbedarf in dieser Richtung ist in den letzten Jahren sicher nicht kleiner geworden (…) Leider lassen sich lokale Anforderungen aber aus globaler Höhe nur schwer ausmachen.“

Also, lieber Frank Schneider, lieber Christian Muche: Zwei Alternativ-Vorschläge:
1) Warum nicht einfach in einer Konferenz-Halle künftig ein Programm für lokale oder regionale Vermarkter, Werbungtreibende und Dienstleister anbieten? Das würde OVK, OWM, BVDW, ADC und anderen die Möglichkeit geben, praxisnah den Status und die Problemfelder der digitalen Werbung zu reflektieren. Und wer die großen Visionen erleben will, kann ja dann trotzdem in der Congress Hall Google, Facebook, Snapchat und Martin Sorrell zuhören.
oder
2) Die Panels stärker mischen und auch Nicht-Amerikaner Keynotes halten lassen.




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