Bastian Scherbeck, Kolle Rebbe
Chatbots

3 Thesen zur Messenger-App-Economy

Immer mehr Unternehmen experimentieren mit Chatbots. Doch welche Vorteile haben eigentlich diese textbasierten Dialogsysteme? Und wie können sie in Kombination mit Messenger-Apps den Kundendialog verbessern? Bastian Scherbeck, Head of Digital Interaction bei Kolle Rebbe, formuliert in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online drei Thesen zum Potenzial von Chatbots.
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April 2016 - Der Hype um die “Messenger-App”-Economy erreicht einen Ihrer Höhepunkte: Facebook launcht seine “bots on messenger”-Plattform und erlaubt damit Unternehmen, Konversationen im Facebook Messenger durch sogenannte “Chatbots” zu unterstützen. Bei Chatbots handelt es sich um textbasierte, automatisierte Dialogsysteme, welche es Unternehmen im Idealfall ermöglichen, Dialoge mit (potenziellen) Kunden innerhalb von Messenger-Apps zu skalieren. Kein Wunder, dass kurzfristig alle nervös werden. Chatbots versprechen die kostengünstige, da (teil-)automatisierte Beratung der (potenziellen) Kunden in einem für Sie gewohnten und von Ihnen exzessiv genutzten Medienumfeld. 

Messenger wie WhatsApp, Facebook, WeChat und Co haben sich in den letzten Jahren einen umfassenden Teil unserer alltäglichen privaten Kommunikation erobert – insbesondere für die junge Zielgruppe sind sie in der Regel der primäre Kommunikationskanal. In dem Zusammenhang erscheinen Chatbots als die eierlegende Wollmilch-Sales-Beratungs-Sau, als neues Versprechen an die Zunft der Marketeers. Wird hier mal wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben? Oder steckt mehr hinter dem ganzen Hype? Zeit, sich das einmal genauer anzusehen.

These 1: Mainstream Appeal. Warum der Durchbruch für Bots so einfach sein könnte.

Es stellt sich eine einfache Frage: Wenn Messaging Apps so nützlich und beliebt sind: Warum nutzen wir diese dann primär in der privaten Kommunikation mit Freunden und der Familie? Warum buchen wir nicht unsere Flüge oder bezahlen unsere Rechnungen über Messenger? Die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Mainstream-Nutzung der Messenger auch abseits der privaten Kommunikation sind bereits gegeben: Für Unternehmen stellen Messaging-Apps - insbesondere im direkten Vergleich mit ansonsten vollständig von Ihnen selbst zu entwickelnden Consumer Apps - eine traumhafte “im Huckepack” nutzbare Kommunikationsplattform dar. Die bei der Entwicklung von Consumer Apps pro Plattform (iOS, Android) notwendigen und kostenintensiven Schritte (Development, Freigabeprozess im App-Store, Marketing inkl. Mobile App Install Ads um Downloads zu generieren etc.) fallen hier fast vollständig weg.

Messaging vereinfacht damit den Prozess massiv: Statt native Apps für verschiedene Plattformen zu bauen, reicht der Support nur einer Messaging App, um auf diversen Endgeräten der (potenziellen) Kunden stattfinden zu können.

Kurz gesagt: Die technischen wie finanziellen Hürden, einen Service via Messenger anzubieten, sind überschaubar. Die “konversationellen Hürden” hingegen erscheinen im ersten Moment deutlich stärker: Ist die “künstliche Intelligenz” (KI), welche das Gespräch mit dem User führen soll, tatsächlich dazu in der Lage? Oder beschränkt sich die Interaktion nicht am Ende doch wieder auf Frage-Antwort-Spiele in einfachen, eng definierten Kontexten?

Die Antwort darauf lautet: Ja, aber. Da Messaging Systeme noch rein textbasiert sind, sind kombinierte Mensch-Maschinen-Systeme denkbar, welche die aktuell noch bestehenden Beschränkungen der KI elegant umgehen: Immer wenn die “Maschine” nicht sicher ist, um was es geht, springt der Mensch ein und unterstützt: Dem User am anderen Ende wird der Unterschied zwischen beiden im besten Fall kaum bewusst.

Auch auf Seiten der User sind die Nutzungshürden technisch gesehen deutlich geringer als bei nativen Apps: Der Download fällt weg - alles was der User tun muss, ist den Bot zur Konversation hinzuzufügen – sofort ist die Interaktion mit dem Bot auf allen Endgeräten nahtlos verfügbar: feel the flow.

Zusammengefasst: Kommunikation via Bots bringt bereits jetzt die besten Voraussetzungen für einen Durchbruch im Mainstream mit. Doch: Wie schnell wird er tatsächlich passieren?

These 2: Nischendasein. Warum es für Chatbots im (deutschen!) Markt schwer werden wird.

Die Voraussetzungen erscheinen gut, Marktteilnehmer gibt es auf Seiten der Anbieter ebenfalls bereits. Man könnte meinen: Beste Voraussetzungen für Chatbots, zeitnah einen Durchbruch im Mainstream zu erreichen.

Doch gerade für Deutschland es gibt gute Gründe, skeptisch zu sein.

-        Die Frage der Distribution von Chatbots ist bisher nicht gelöst: Wie wird ein User kosteneffektiv auf die Bots aufmerksam? Sollten sich die Anbieter von Chatbots allein auf die Distribution durch die App Stores der großen Messenger verlassen? Oder gibt es andere, kontextuell durch die Konversation getriebene Wege, welche den Start des Bots triggern könnten, so dass ein App Store nicht notwendig ist?

-        Chatbots haben tendenziell die Möglichkeit, auf sensible Daten der User - von Location bis Social Data - zuzugreifen. Insofern dies den Usern bewusst ist und es nicht transparent und sensibel von den Anbietern kommuniziert wird, könnte dies eine schwere Hürde in der Marktdurchdringung darstellen – insbesondere im von einer permanenten Datenschutzdiskussion geschwängerten Markt wie Deutschland.

 -        Der Mainstream erwartet gute und schnelle Lösungen. Auf neue Kommunikationsansätze - selbst innerhalb bestehender Applikationen - lässt er sich nur ein, wenn die Qualität der Erfahrung von Anfang an reibungslos ist. Holprige Kommunikation wird eine Nutzung von Chatbots durch die breite Masse der Nutzer verhindern.

Alle drei angesprochenen Themen führen dazu, dass Chatbots weitere 6-12 Monate brauchen werden, um zu einem für den Massenmarkt relevanten Marketing- und Sales-Kanal zu werden. Sind die Herausforderungen einmal bewältigt, wird es jedoch spannend.

These 3: Das Paradigma von Conversational Commerce & Consultancy wird den E-Commerce grundlegend verändern

Jeder kennt es, jeder hasst es: User Experience (UX) vom Mars bei E-Commerce Anbietern ebenso wie in der Service-Interaktion mit namhaften Unternehmen. Die Chance: Reibungslos funktionierende Chatbots, welche von Commerce/Sales bis Consultancy/Support alles abdecken und damit dem Kunden eine einheitliche und abbruchfreie Kommunikationserfahrung mit nur einem “Ansprechpartner” gewährleisten. Auf einer Plattform - aber über diverse Endgeräte hinweg.

Doch dies ist nicht der einzige Vorteil einer Nutzung von Messaging Apps als Kanal für Commerce und Consultancy.

Der Status Quo: Selbst wenn die UX im Sales-Kanal “online” relativ problemlos funktioniert, ist sie gestreamlined und glattgezogen. Sie weist (im Gegensatz zu der Erfahrung im stationären Handel) kaum mehr einen differenzierenden Faktor zur Konkurrenz auf. Chatbots bzw. die Kombination aus Mensch und “Maschine” innerhalb einer Messaging App werden sich - allein schon aufgrund der Tatsache, dass Sie konversationsbasiert ist - deutlich stärker dazu eignen, eine “menschliche” Ebene und damit einen Service-USP zurück in die Kundenbeziehung zu bringen, der im traditionellen Online-Geschäft schon lange verloren gegangen ist. Das Potenzial, E-Commerce deutlich weiterzuentwickeln ist damit klar gegeben - wir können gespannt sein, was die Zukunft bringen wird.

Zusammenfassung

“Bots are here to stay” - auch wenn Sie noch eine Weile brauchen werden, um Ihr Potenzial voll zu entfalten, stellen Sie eine deutlich evolutionäre Entwicklungsstufe in den Online-Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen/Marken dar. Eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg von Chatbots in Commerce und Consultancy wird dabei eine KI sein, welche sich dem Menschen soweit annähert, das die Interaktion mit ihr einer tatsächlichen Konversation mit einem Menschen gleicht. Eine mögliche Zwischenstufe stellt der Support des Chatbots durch reguläre Support-Mitarbeiter dar, die immer dann einspringen, wenn die KI Gefahr läuft, daneben zu greifen. Wir sind noch nicht da - aber die Zukunft ist (mal wieder) zum Greifen nah. Lasst Sie nicht an Euch vorbeilaufen.




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