Simon Ueberheide und Maximilian Kuck, RCKT
Bitcoin & Co

Warum der Krypto-Hype der größte Kommunikations-Case 2017 war

Alle Kryptowährungen der Welt sind zusammengenommen mehr als 250 Milliarden Euro wert. Einen großen Anteil an diesem Höhenflug haben PR- und Kommunikationsfachleute, behaupten Simon Ueberheide und Maximilian Kuck von der Agentur RCKT. "Der Krypto-Hype im vergangenen Jahr ist wahrscheinlich einer der größten Cases, mit dem sich unsere Branche 'schmücken' kann", schreiben sie in ihrem Gastbeitrag für HORIZONT Online. Auf allen Kanälen, ob Medienberichterstattung oder Social Media, würden sich die Effekte der Kommunikation in Euro messen lassen.
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"And it’s gone" - Mit dieser kurzen Message richtete sich das Frankfurter Fintech Savedroid in dieser Woche an die Besucher seiner Website. Nachdem das Unternehmen im Rahmen eines ICOs Geld von Krypto-Investoren eingesammelt hatte, schien sich das Unternehmen mit der Kohle aus dem Staub gemacht zu haben. Heute klärt sich: Alles nur ein Scherz und ein gelungener PR-Stunt. Im Rahmen des großen Krypto-Hypes des vergangenen Jahres, ist dieser PR-Stunt jedoch nur das bisherige Highlight des wohl größten Kommunikations-Cases der vergangenen Jahre.


Blicken wir einmal auf das Jahr 2017 zurück. Kryptowährungen haben sich rasch wie ein Phönix aus der Asche auf der globalen öffentlichen Agenda etabliert. Angefangen als Geheimtipp unter Tech-Nerds, hat sich die Krypto-Szene im Verlauf des letzten Jahres zu einem Phänomen entwickelt, das jedermann die Chance auf schnellen Reichtum versprochen hat. Medien sprachen vom "Digitalen Goldrausch", der die ganze Welt erfasst hat. Es entwickelte sich eine Spirale, in der auf der einen Seite immer neue Coins und Token entwickelt wurden und auf der anderen Seite Anleger immer weiter in diese Währungen investierten. Fürs Protokoll: Der gesamte Krypto-Markt besteht aktuell aus mehr als 1.500 handelbaren Krypto-Währungen und in Summe lagen die Kryptowährungen global bei einer Marktkapitalisierung von über 250 Milliarden Euro.
Blickt man auf das vergangene Jahr zurück, so lässt sich konstatieren, dass der Kryptomarkt viele spannende Geschichten von Ups and Downs zu erzählen hatte. Die Geschichten in den Medien lesen sich wie eine Daily-Soap mit Gewinnern und Verlierern im Tagesrhythmus. Auch die Kurse schwanken täglich in Bereichen, die ambitionierte Kleinanleger um tausende Euros reicher oder ärmer machen.

Doch wie lassen sich solche Hypes eigentlich erklären? Gibt es einen Zusammenhang zwischen medialer Berichterstattung und Kursentwicklungen? Wir werden an dieser Stelle nur bedingt empirisch, aber bei genauer Betrachtung liegt die Vermutung nahe, dass Kommunikatoren hier eine viel einflussreichere Rolle spielten, als zunächst vermutet.

Die These lautet sogar: Das Volumen des Kryptomarktes ist die stärkste KPI, die die Kommunikationsbranche in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Ein genauerer Blick auf Medienberichterstattung, Twitter und Youtube lohnt sich.

Bitcoin auf dem Prüfstand

2018 begann ziemlich mies für den Bitocin. In 2017 noch mit unglaublichen Wachstumsprognosen begleitet, kam Anfang dieses Jahres ein abrupter Kursabfall. Es begann am 10. Januar 2018, als CNBC und andere große Nachrichtenseiten wie The Verge darüber berichteten, wie Südkorea ein Gesetz zum Verbot von Krypto-Währungen vorbereitete. Die Meldungen waren an dieser Stelle jedoch mehr als übertrieben. Was Südkorea eigentlich vorhatte, war lediglich die Regulierung der Kryptowährungen, um den Verbrauchern einen besseren Schutz und höhere Standards für Kundeneinlagen und damit mehr Transparenz zu bieten. Diese politische Maßnahme war jedoch eigentlich nicht neu und wurde bereits im November 2017 offiziell verkündet, fand jedoch medial keine wirkliche Beachtung.
Die Entwicklung von Bitcoin
RCKT
Die Entwicklung von Bitcoin
Im Laufe dieser Veröffentlichung wurden viele verschiedene Nachrichten über Südkorea und sein angebliches Verbot verbreitet, was zu Unsicherheit bei den Anlegern führte. Es dauerte ganze fünf Stunden, bis der Wert von Bitcoin um über 15 Prozent fiel.

Nur wenige Tage später, am 15. Januar 2018, veröffentlichten einflussreiche Medien wie Techcrunch, The Guardian, Bloomberg und CNBC Artikel, in denen sie die weltweite Regulierung der Kryptowährungen zum Thema machten. Bloomberg nutzte dabei den Aufhänger, dass China sich verstärkt um Regulierung bemüht. Auch dieser Aufhänger geht auf eine ältere News zurück, denn bereits im September 2017 hatte das Reich der Mitte den Krypto-Handel im Allgemeinen und die ICOs im Besonderen verboten.
An alle Kommunikationsverantwortlichen da draußen: Der Krypto-Hype im vergangenen Jahr ist wahrscheinlich einer der größten Cases, mit dem sich unsere Branche 'schmücken' kann.
Simon Ueberheide und Maximilian Kuck, RCKT
Danach veröffentlichte Techcrunch die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie darüber, wie Bitcoins Anstieg von 150 Dollar auf 1000 Dollar vermutlich von einer Person im Jahr 2013 manipuliert worden war. Der Guardian stimmte mit einem allgemeinen Abgesang auf die Kryptowährungen mit ein. Das alles an einem einzigen Tag, dem 15. Januar 2018. Und das Ergebnis? Der Preis von Bitcoin sank in nur 20 Stunden um 24 Prozent und über einen Zeitraum von 48 Stunden sogar um 35 Prozent.

Auch das Beispiel von IOTA und der fälschlicherweise angekündigten Partnerschaft mit Microsoft und Cisco zeigt, welchen Einfluss Medien auf Kursentwicklungen haben. Nachdem die Meldung zur Partnerschaft relativiert worden war, reagierte der Preis zu Beginn dieses Jahres mit einem Rückgang von 45 Prozent in nur 24 Stunden trotz der Bemühungen der IOTA, die Fehlkommunikation zu korrigieren.

Krypto und seine Influencer: Twitter und Youtube geben den Takt vor

Innerhalb der Krypto-Szene gibt es inzwischen eine Vielzahl von Influencern, die via Youtube die Debatten treiben. Für die interessierte Kernzielgruppe spielen diese Influencer eine entscheidende Rolle und ihre Beliebtheit wird immer größer. Entsprechende Kanäle, wie zum Beispiel Altcoin Buzz und Crypto Daily, sind innerhalb von wenigen Monaten um ein Vielfaches gewachsen und liegen derzeit im Bereich von 100.000 bzw. 200.000 Followern.
Ende Dezember und Anfang Januar gewann eine spezielle Kryptowährung auf Youtube unheimlich an Bedeutung, die medial bislang noch gar nicht auftauchte: PACcoin. PACcoin wurde aufgrund des geringen Ausgabepreises und eines vermeintlich hohen Potenzials zum heißen Tipp. Angetrieben von den wichtigsten Influencern der Szene kletterte der Coin von Platz 407 Ende Dezember unter die Top 50 der wertvollsten Kryptowährungen innerhalb von zwei Wochen. Nachdem die ersten Videos veröffentlicht worden waren, stieg der Wert der Münze in weniger als 48 Stunden um 620 Prozent.

Auch Twitter hat einen hohen Einfluss auf die Kryptowerte. Einer der wichtigsten Influencer auf der Plattform ist John McAfee mit seiner Rubrik "Coin of the Day", später "Coin of the Week". Seine ersten Beiträge über Electroneum trugen dazu bei, dass der Preis der Währung innerhalb von 45 Minuten um 57 Prozent stieg.

Der wichtigste Wert der Krypto-Szene ist Kommunikation

Wenn wir über die Bedeutung und Relevanz einzelner Kryptowährungen sprechen, so liegt der große Wert immer in möglichen Anwendungsfällen in der Zukunft. Was bleibt, wenn der eigentliche Wert einer Technologie in der Zukunft liegt? Nichts als Kommunikation und Storytelling, die bei der Zielgruppe Vertrauen schaffen. An alle Kommunikationsverantwortlichen da draußen: Der Krypto-Hype im vergangenen Jahr ist wahrscheinlich einer der größten Cases, mit dem sich unsere Branche "schmücken" kann. Auf allen Kanälen, ob Medienberichterstattung oder Social Media, lassen sich die Effekte der Kommunikation in Euro messen. Am Ende stehen mehr als 300 Milliarden Euro für eine einzige, große Geschichte, die sich ein Jahr lang brilliant hat erzählen lassen.

Trotzdem sollte man sich zuallererst die Frage nach Verantwortung stellen. Vergleicht man die Marktkapitalisierung von Bitcoin allein, so sieht man sie auf einem Niveau mit börsennotierten Unternehmen wie IBM. Die Investitionen in Kryptowährungen sind real.

Was bedeutet die Herstellung von Öffentlichkeit in einer Zeit, in der klassische Leitmedien scheinbar nicht mehr den Takt vorgeben? Das Krypto-Beispiel zeigt eindrucksvoll: Es gibt nachwievor einen Mainstream, der sich über die Vielzahl neuer Kanäle erstrecken kann.

Gleichzeitig zeigen die enormen Kursschwankungen im Kryptomarkt deutlich, welche Auswirkungen die Tendenz zu übertriebenen und dramatisierenden Headlines haben kann. Gerade der Online-Journalismus steht scheinbar unter Druck, für Klicks und Impressions die besten und schärfsten Headlines zu liefern. Dieser Hang zum Dramatischen, spiegelt sich auch immer mehr in den Kampagnen unserer Branche wider.

Die Hypes um Krypto-Währungen zeigen im Nachdruck, mit welcher Verantwortung diese Entwicklung verbunden ist. Wir Kommunikatoren sollten uns darauf zurückbesinnen, was wirklich unser Ziel sein sollte: Nachhaltig wirksame Geschichten zu erschaffen, die die öffentliche Agenda setzen und dabei unsere Verantwortung für die Gesellschaft nicht außer Acht lassen.




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