Vor wenigen Monaten hatte das Interactive Advertising Bureau (IAB) das Skript Ads.txt ins Leben gerufen. Die Branche steckt große Hoffnungen in das Tool: Es soll nämlich den systematischen Klickbetrug, auch Adfraud genannt, bei Programmatic Advertising den Garaus machen. Doch die Wirkung des Tools ist limitiert, meint Paul Wright. Der Chef der Media-Buying-Platform iotec erklärt in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online, warum ads.txt nicht das Allheilmittel ist.
Die Lösung des IAB zur Bekämpfung von Ad-Fraud, ads.txt, setzt sich schnell durch. Aber hat diese bescheidene Textdatei, die auf den Servern der Verlage hinterlegt wird, wirklich einen messbaren Einfluss auf das Problem?
Anzeigenbetrug hat die Branche geplagt, mit Lücken im System, die es betrügerischen Anbietern ermöglichen, sich als echte Verleger auszugeben. Laut Umfragen, die für den aktuellen
Mobile Transparency Report von iotec durchgeführt wurden, ist Anzeigenbetrug heute eines der größten Problem für deutsche Programmatic Marketers.
Wie kann ads.txt helfen? Publisher hosten eine Textdatei mit einer Liste von Unternehmen, die berechtigt sind, ihr Inventar zu verkaufen. Diese Methode zur Verhinderung von Ad-Fraud könnte dazu beitragen, Anzeigenbetrug von Anfang an zu bekämpfen. Die Zahl der Verlage, die die Lösung schon umsetzen, ist exponentiell angestiegen. Deshalb haben wir bei iotec im Oktober letzten Jahres aktiv begonnen ads.txt in der Kampagnenausspielung zur Validierung zu nutzen.
Doch wie wirkungsvoll kann eine so simple Methode wirklich sein? Kann eine einfache Textdatei wirklich flächendeckend zu einem Umdenken führen? Und mit der Methode, die die Akzeptanz auf Buying- und Verkäufer-Plattformen gleichermaßen erfordert, hat ads.txt wahrscheinlich einige natürliche Einschränkungen.
Vorangegangene Methoden zur Bekämpfung von Ad-Fraud haben einige Fortschritte gebracht. Blacklists, Whitelists, retrospektive manuelle Prüfungen und eine Rückkehr zu direkten Partnerschaften - diese Techniken erzielten allerdings nur Teilerfolge, weil Listen gegen Domain-Spoofing nicht wirksam und oft zu manuell sind.
Ads.txt hat die Fähigkeit, besser zu skalieren, weil es so einfach ist. Werfen wir nur einen Blick darauf, wie eine parallele Technik, robots.txt, es Web-Publishern ermöglicht hat, mit Hilfe einer Textdatei zu kontrollieren, welche Suchmaschinen ihre Seiten durchsuchen dürfen.
Der jüngste Ansturm von Publishern, ads.txt zu übernehmen, hat Buying- und Trading-Plattformen ermutigt, diesem Beispiel zu folgen. Das ist in ihrem Interesse.
Für die Verkäuferseite ist es eine Chance. Keiner von ihnen will mit irgendwelchen undurchsichtigen Praktiken in Verbindung gebracht werden. Werbungtreibende wollen verständlicherweise kein Inventar kaufen, das gefährlich sein könnte und haben daher ein aktives Interesse daran, ihre Plattformen voranzutreiben, um ihnen Zusicherungen, auch in puncto Sicherheit, zu geben. In diesem Jahr wird man von diesen Plattformen erwarten, dass sie ihre Versprechen einhalten - sowohl das Blockieren von Media aus nicht genehmigten Quellen, als auch das Ausschließen von Media von nicht genehmigten Publishern.
Die Adaption von ads.txt ist ein kostengünstiger Weg um dies zu tun – ein No-Brainer. Ich fordere alle glaubwürdigen Käufer und Publisher auf, ads.txt so schnell wie möglich zu implementieren, denn es ist unglaublich effektiv bei der Reduzierung von Ad-Fraud und einfach zu umzusetzen. Ich erwarte, dass alle unsere Media-Buys bei iotec ausschließlich aus ads.txt-konformen Quellen stammen.
Allerdings ist ads.txt nicht das Allheilmittel für all diese Probleme. Es besteht nach wie vor ein geringes Risiko, dass einige, nicht autorisierte oder inkorrekte Quellen, gefälschte Slots verkaufen. Zum Beispiel kann ads.txt anzeigen, dass ein bestimmter Kanal ein zugelassenes Ziel ist, aber die Datei unterscheidet nicht zwischen den Anzeigeformaten, was bedeutet, dass das Displayinventar als Video umgepackt werden kann, um beispielsweise höhere Raten zu erzielen.
Das IAB arbeitet daran, die Lücken zu schließen.
Ads.cert, eine zusätzliche Ebene zu ads.txt, zeigt Bieter-Anfragen mit kryptographischen Signaturen an, um die Informationen, die zwischen Käufer und Verkäufer ausgetauscht werden, zu validieren - und zeigt so effektiv, wer welche Variablen in der Ad Impression Opportunity in jedem Stadium modifiziert oder hinzugefügt hat.
Betrüger werden jedoch weiterhin unterschiedliche Betrugsmöglichkeiten finden und es müssen neue Lösungen entwickelt werden, um diese zu bekämpfen.
Aber wie die ads.cert zeigt, hat ads.txt zum ersten Mal den grundlegenden Rahmen geschaffen, auf dem wir die Zukunft der Betrugserkennung aufbauen können.
Es wird sich zu einem Standard entwickeln, den Qualitätspublisher hoffentlich implementieren werden. Die nächste Etappe ist die Übernahme durch andere Teile des Ökosystems: Exchanges, Sell Side Plattformen und vor allem die Seite der Buyer, die ads.txt-Inventar kaufen und den Wert erkennen müssen. Letztendlich kommt es darauf an, dass diese Plattformen und ebenso Käufer klare Informationen zu dem von ihnen gekauften Inventar haben.
Wir von iotec glauben, dass wir hier eine Verantwortung tragen. Zudem hoffen wir, dass andere Käufer das ebenso sehen. Wann fangen wir wirklich an, über ads.txt als Industriestandard im wahrsten Sinne des Wortes zu sprechen?
Der Wendepunkt liegt nun vor uns, denn die jüngsten zahlen zeigen, dass rund
rund 70% der 1.000 größten deutschen Verlage die ads.txt Lösung bereits übernommen haben. Was als nächstes passiert, ist wichtig - schließen sich die übrigen namenhaften Publisher, die diese Lösung noch nicht übernommenen haben, der Bewegung an? Wird das restliche Inventar von irgendjemandem gekauft? Bedeutet ads.txt, dass wir die Einkaufsmetriken neu bewerten müssen (betrügerische Inventarisierung führt in der Regel zu höheren Klickraten dank Bot-Traffic)? Hoffen wir, dass ads.txt in den nächsten 12 Monaten einer der Bausteine eines ethischen Adtech-Ökosystems ist.