Noch bis vor wenigen Monaten war ads.txt eines der meist diskutierten Themen der Adtech-Branche. Jetzt gibt es parallel auch noch Debatten um den Einsatz von ads.cert als weiteres Protokoll. Was die Abkürzungen überhaupt bedeuten und warum das Thema so wichtig ist, erklärt David von Hilchen, Sales Director DACH bei iotec, in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online.
Die Programmatic-Advertising-Szene hat einen Ruf zu verlieren und so positionieren sich einige Marktteilnehmer entsprechend stark gegen den Vertrauensverlust. Das Problem, vor dem die gesamte Branche seit einiger Zeit steht, ist ein stattfindender systematischer Anzeigenbetrug, der neudeutsch auch als Adfraud bekannt ist. Zu Anzeigenbetrug gehört beispielsweise das Verkaufen von Anzeigen, die später nicht ausgespielt werden oder deren Anzeigeformat anders ausgespielt wird als es vereinbart war.
Medienhäuser ebenso wie Media-Buying-Plattformen plädieren daher seit einiger Zeit für eine Transparenzoffensive. Ein elementarer Bestandteil ist dabei der Kampf gegen betrügerische Anbieter. Wir möchten bei iotec mit gutem Beispiel vorangehen und haben uns ein eigenes Manifest für "
Ethical Adtech" auferlegt. Wir sind der Meinung, dass es für die gesamte Branche richtig und wichtig ist, sich einem transparenten Prozess zu verschreiben und damit eventuell verlorengegangenes Vertrauen in die Branche wieder aufzubauen.
Anti-Adfraud-Skript
Deutsche Publisher geben bei Ads.txt weiter Vollgas
Das Tempo, mit dem deutsche Publisher das Anti-Adfraud-Skrift ads.txt implementieren, ist weiter bemerkenswert hoch. Wie der Adtech-Anbieter Adform gegenüber HORIZONT Online mitteilt, nutzen mittlerweile 87 Prozent der 1000 größten Publisher hierzulande die Datei. ...
Mit der Adaption von ads.txt wurde ein Mittel gefunden, auf einem verhältnismäßig einfachem Weg, betrügerisches Handeln zu erkennen und den Riegel vorzuschieben. Hierbei wird in einer Textdatei eine Liste von vertrauenswürdigen Anbietern hinterlegt, die berechtigt sind, Anzeigen zu verkaufen. Der Erfolg dieser einfachen .txt-Datei zeigt die Bereitschaft zu mehr Transparenz vieler Marktteilnehmer. Immerhin sind schon über
70 Prozent der Verlage dem Beispiel gefolgt und haben ads.txt implementiert.
Ein Blick in die Zukunft verrät, dass ads.txt zwar der wesentliche Grundstein ist, weitere Protokolle dieses jedoch ergänzen könnten. Beispielsweise kann das ursprüngliche ads.txt durch ads.cert in naher Zukunft ergänzt werden. Hierzu wird der Datenbank von zertifizierten Anbietern ein weiteres Level der Überprüfbarkeit hinzugefügt. In ads.cert werden die Inhalte und Formate der verkauften Anzeige hinterlegt, sodass eine nachträgliche Änderung selbiger nachvollziehbar wäre. Auf diese Weise kann zum Beispiel überprüft werden, ob ein gebuchtes Pre-Roll Video nicht letztlich als kleines Banner ausgespielt wurde. Die Falschdarstellung ist eine der häufigsten Varianten des Anzeigenbetrugs, da es für den Käufer ohne ads.cert kaum überprüfbar ist, wie die Anzeige genau dargestellt wird.
Mit der Verifizierung des Angebots, beziehungsweise des Bid-Requests durch den Inhaber des Mediums selbst, kann dieses Verhalten jedoch eingedämmt werden. In seltenen Fällen kann die nachträgliche Änderung des Bid-Request sogar sinnvoll sein, wenn beispielsweise die Anzeige kontextualisiert wird oder in Kategorien eingeordnet. Durch den Einsatz von ads.cert soll lediglich die Überprüfbarkeit möglicher Änderungen gewährleistet werden.
Auch wenn es abgedroschen klingt, entscheidend für den Erfolg ist die Haltung der Branche und ein klares Bekenntnis hin zu Transparenz
David von Hilchen, iotec
Jedoch müssen wir auch mit einer möglichen Erweiterung durch ads.cert durchgehend auf der Hut sein. Betrüger arbeiten ständig an neuen Möglichkeiten, diese Sicherheitsmechanismen zu umgehen oder sie wenden sich explizit an die Käufer, die ads.txt noch nicht im Einsatz haben. Daher kann die alleinige Antwort auf Adfraud auch nicht die ständige Erweiterung der Protokolle sein. Natürlich dürfen wir in diesem Bereich nicht nachlassen, jedoch ist ein grundlegender Wandel der Mentalität weitaus wichtiger.
Das Zauberwort kann nur Transparenz heißen. Verkäufer wie Käufer müssen sich dazu verpflichten, Pricing, Placement, Datennutzung und Optimierung der Anzeigen klar auszuweisen. Alle Akteure in diesem Feld müssen ein Interesse an einer hohen Transparenz zeigen. Denn auch wenn es abgedroschen klingt, entscheidend für den Erfolg ist die Haltung der Branche und ein klares Bekenntnis hin zu Transparenz. Technologien und Skripte alleine werden immer nur die Symptome bekämpfen.