Umwerten statt Abwerten

Warum der weibliche Blick auf die Dinge unverzichtbar ist

Autorinnen Janine Steeger und Ines Imdahl
Janine Steeger und Ines Imdahl
Autorinnen Janine Steeger und Ines Imdahl
Es geht in diesem Buch nicht um Männer und Frauen, so erklären die Autorinnen, sondern es geht um das weibliche und das männliche Prinzip. Und es gibt einige gute Gründe, beide Prinzipien gleichberechtigt zur Geltung kommen zu lassen. Die Autorinnen sind Ines Imdahl und Janine Steeger. Die eine Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts Rheingold Salon in Köln, die andere Journalistin, Moderatorin und Co-Founder von futurewoman.de. Das Buch will nicht weniger als die Welt retten.
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Die Gründe, die genannt werden, warum es besser ist, das weibliche und das männliche Prinzip gleich wichtig zu nehmen, sind nicht trivial: Es geht um Diversity und Nachhaltigkeit, um ein friedlicheres Miteinander, es geht um nicht weniger als die Rettung der Welt. „Warum Frauen die Welt retten werden – und Männer dabei unerlässlich sind“, so der Titel des Buches.

Erschienen am 8. März, dem internationalen Frauentag, und mit viel Pink auf dem Cover, erinnert es auf den ersten Blick an die Emanzipationslektüre der 80er Jahre (wenigstens diejenigen, die diese Zeit erlebt haben). Aber das Ziel ist kein Männer-Bashing – wie sich ja auch schon aus dem Titel ergibt –, sondern „wir möchten der vorwiegenden männlichen Weltsicht eine weibliche Perspektive an die Seite stellen“, so die Autorinnen.

Warum ist das notwendig? Weil „das männliche Prinzip der Maßstab der Kultur ist“. Auf allen erdenklichen Ebenen sei das so, von der Anatomie bis zu Wirtschaft und Politik und davon seien selbst als weiblich geltende Domänen wie Erziehung oder Literatur oder Schauspiel nicht ausgenommen.

Das führe zur Abwertung des weiblichen Prinzips und dazu, das weibliche Stimmen nicht gehört werden. Selbst da, wo sie die ersten oder besten sind oder waren. Beispiel: Ada Lovelace hat den ersten Algorithmus geschrieben. Hätten Sie es gewusst? Diese subtile Abwertung werde von uns allen gelebt, nicht nur von Männern, auch von Frauen und anderen Geschlechtern. Und damit soll jetzt Schluss sein. Imdahl und Steeger fordern eine „Umwertung“ und wollen damit „Mehrwert schaffen. Für Frauen und Männer.“

Grundlage ist eine wissenschaftliche Studie

Aus diesem Mindset heraus wollen sich die Autorinnen nicht allein auf ihre eigene Meinung und die Sammlung vieler anekdotischer Beispiele beschränken, sondern haben eine „wissenschaftlich fundierte tiefenpsychologische und repräsentative Marktforschung durchgeführt“. Es wurden Thesen zu dem typisch Weiblichen und typisch Männlichen und dessen möglichem positiven Einfluss auf die Weltrettung formuliert. Wie von einer qualitativen Forscherin vom Rheingold Salon nicht anders zu erwarten, wurden zunächst 30 zweistündige Tiefeninterviews geführt und die Thesen anschließend quantitativ (n=200) abgesichert, beides mit Führungskräften bzw. Selbstständigen.

Das Ergebnis: 89 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Frauen die Welt retten werden. Vor allem Eigenschaften, die das weibliche Prinzip deutlich machen, führen zu diesem Ergebnis: Kreativität, Emotionalität und Empathie, das Bedürfnis, sich um das Wohlergehen anderer zu kümmern und möglichst alle Eventualitäten mit einzubeziehen. Freilich finden die einzelnen Fragen nicht solch eine überwältigende Zustimmung. So sagen etwa 34 Prozent, dass Frauen „auch die Zukunft immer mit einbeziehen“ oder 25 Prozent stimmen zu, dass Frauen „ständig hinterfragen, ob man Dinge nicht noch besser machen könnte“.
Das Buch
Warum Frauen die Welt retten werden
Komplett Media
Warum Frauen die Welt retten werden - und Männer dabei unerlässlich sind, Ines Imdahl und Janine Steeger, Komplett Media: München, 2022
Die entwickelten sechs Thesen, die Eigenschaften des weiblichen Prinzips beschreiben, werden im Buch in einzelnen Kapiteln bearbeitet. Dabei kommen auch noch Experten und Expertinnen zu Wort mit denen Janine Steeger in journalistischen Interviews gesprochen hat. Zum Teil entwickeln diese in den Gesprächen neue Argumente und Belege für die Thesen, lassen sich „umbegeistern“ für die Idee, dass männlich und weiblich zwei Seiten einer Münze sind, die ohne einander nicht existieren und nur gemeinsam die Welt zu einer besseren machen können.

Weibliche Schwächen werden zu Stärken gemacht

In den Thesen werden scheinbare Schwächen des Weiblichen umgedeutet und zu Stärken gemacht. Etwa die Emotionalität und Verletzlichkeit, die gleichzeitig Achtsamkeit lehrt - wenn man sie lässt. Eine andere These zeigt: „Das Kümmernde ist eine weibliche Stärke, die hilft, die Welt zu retten“. Hier wird belegt, dass wir bei der (vorwiegend) weiblichen Care-Arbeit – sei es gegenüber Kindern, Älteren oder Partnern – definitiv einen blinden Fleck haben. Würde man die vorwiegend kostenlos erbrachten Leistungen der Sorge und Vorsorge mitrechnen, wäre dies der größte Sektor der Wirtschaft, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen würde nicht bei 18 sondern bei 45 Prozent liegen. Hier wird der Ökonom Friedrich List zitiert, der sagte: „Wer Schweine erzieht, ist ein produktives …, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft.“ Sehr treffend.
Frauen absolvieren kein soziales Jahr, sondern ein soziales Leben
Digitalunternehmerin Verena Pausder
Oder das Kreative. Der Aktivist Shai Hoffmann berichtet den Autorinnen. „Frauen sind ganz oft die heimlichen Leader. Und sie verpacken das dann kreativ, damit der Chef ein gutes Gefühl hat.“ Und gerade für den Klimaschutz, eine der Mammutaufgaben der Menschheit, werde Kreativität gebraucht. 38 Prozent stimmen zu, wenn gefragt wird: „Frauen werden die Welt retten, weil sie kreative und unkonventionelle Lösungen entwickeln.“

Oder das Zähe, das Leiden-Können. Das bezieht sich nicht nur aufs Kinder-kriegen, sondern auch um die Leidenschaft für etwas einzutreten, durchzuhalten, um Krisensituationen zu bewältigen. „Frauen werden die Welt retten, weil sie in krisenhaften Situationen zäh sind und dranbleiben“ befürworten 34 Prozent der Befragten.

Lesen, weiterdenken, diskutieren, Konsequenzen ziehen

Das Buch von Imdahl und Steeger ist gut und leicht lesbar geschrieben. Es ist klar in zahlreiche Kapiteln strukturiert und lädt zum immer wieder „Reinlesen“ ein. Die These „Warum Frauen die Welt retten werden“ ist natürlich zugespitzt, aber welche mediale Aufmerksamkeit hätte wohl eine wissenschaftliche Erhebung erhalten, die etwa so gelautet hätte: Die Evaluation des weiblichen und männlichen Prinzips und deren Beitrag zur besseren Lebensgestaltung für die Menschheit unter besonderer Berücksichtigung der Einstellung von Führungskräften.

Für jede These wird ausführlich hergeleitet, warum diese Eigenschaften sinnvoll für die Gesellschaft sind und derzeit unterbewertet werden. Da finden sich manche Gedanken, die es lohnt weiterzudenken oder zu diskutieren. Lesenswert ist das Buch für alle, die an einer Weiterentwicklung interessiert sind, sei es der des eigenen Unternehmens, des Zusammenlebens in einer häuslichen Gemeinschaft, unserer Gesellschaft ganz allgemein.
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