Das Management von Kundenerlebnissen über mehrere, sowohl direkte als auch indirekte Vertriebskanäle ist eine Herausforderung. Digitale und analoge Touchpoints brauchen Konsistenz. Die Professoren Dr. Stephan Bingemer und Dr. Martin Ohlwein von der Frankfurter International School of Management haben sich dazu Apple-Kunden angeschaut.
Die Studie unterschied zwischen vier Vertriebskanälen: dem Offline- und dem Online-Store von Apple sowie von einem Drittanbieter. Die Teilnehmer wählten den Kanal aus, in dem sie bereits ein Apple-Produkt erworben hatten. Mehrfachnennungen waren zulässig. In Bezug auf jeden Kaufakt wurde jeweils das Kundenerlebnis sowie die Kundenzufriedenheit abgefragt. Die acht erhobenen Erlebnisfacetten, in denen das Kauferlebnis zum Ausdruck kommt, dienten einer Segmentierung (hierarchische Clusteranalyse) der Käufer. Als Erfolgsgröße, in der sich das Kauferlebnis widerspiegelt, diente die markenbezogene Wiederkaufabsicht. Zur statistischen Absicherung dieses Haupteffekts flossen neben der Clusterzugehörigkeit auch weitere, potenziell erfolgserklärende Größen wie etwa der Bildungsstand und das Einkommen als Kovariaten in eine Kovarianzanalyse ein.
Apple-Käufer lassen sich in vier Erlebnistypen einteilen
Die Befragten hatten in durchschnittlich 1,71 Apple-Vertriebskanälen bereits einmal gekauft. Aus der Segmentierung der Käufer anhand ihrer Kauferlebnisse wurden vier Erlebnistypen abgeleitet. Auf dieser Basis ließ sich auf das Selbstverständnis des Verkäufers sowie die personelle und die materielle Ausgestaltung des Vertriebskanals zurückschließen.
Im Fokus der
Transaktionsorientierten Drücker etwa steht der kurzfristig erzielte Vertriebserfolg. Bei diesem Vertriebsansatz spielt der Wert einer langfristigen Kundenbeziehung offenbar eine nur untergeordnete Rolle. Dieser Verkäufertyp erzeugt bei jedem einzelnen der acht Aspekte das negativste Erlebnis. Kunden, die sich mit diesem Selbstverständnis konfrontiert sehen, bemängeln insbesondere die Geschwindigkeit und die Qualität des Service sowie das geringe Ausmaß, in dem auf ihre Wünsche eingegangen wird. Diesem Konzept begegnen Kunden überproportional häufig in Webshops von Drittanbietern, aber auch in deren Filialen.
Dem gegenüber stehen die
Erlebnis-Heroen. Kunden, die mit diesem Verkäufertyp Kontakt hatten, bewerten ihre gemachten Erfahrungen am positivsten. Es erstaunt nicht, daß es den stark auf den Kunden ausgerichteten Apple-Stores besonders gut gelingt, ein insgesamt überzeugendes Erlebnis zu schaffen. An diesem Kontaktpunkt wird eine emotionale Bindung aufgebaut. Der Laden ist ansprechend gestaltet, und die handelnden Akteure folgen einem konsequent am Kunden orientierten Prozess.
Das Erlebnis des nächsten Clusters weist ein inneres Spannungsfeld auf. Während sich die Kunden positiv über die kundenbezogenen Prozesse, das Design und die vertrauliche Behandlung ihrer Daten äußern, bemängeln sie zugleich, dass der Verkäufer ihnen nur wenig Aufmerksamkeit schenkt. Der Verkaufstyp
Kühle Effiziente dokumentiert, dass hier zwar die Prozesse stimmen, aber eine Kernkomponente des Erlebnisses, nämlich die persönliche Interaktion sowie die Emotionalität des Kaufprozesses, zu kurz kommt. Insbesondere ein Kauf im Webshop vermittelt das Erlebnis kühler Effizienz. Ein Indiz dafür, dass ein gelungener Internetauftritt alleine nicht das gleiche Kundenerlebnis aufbauen kann wie ein Ladenbesuch.
Eine vierte Art von Kundenerlebnis vermittelt der
Überlastete Begeisterer. Bis auf die Aussage „Die Mitarbeiter wirkten nie zu beschäftigt, um sich mit mir zu befassen“ weisen alle Clustervariablen auf einen positiv erinnerten Kaufakt hin. Gleichwohl erreichen sie nicht ganz das hohe Niveau der Erlebnis-Heroen. Die ‚Überlasteten Begeisterer‘ scheinen Opfer des eigenen quantitativen Erfolgs zu sein. Obwohl vordergründig alles in Ordnung erscheint, fühlen sich die Kunden dennoch nicht richtig abgeholt. Ein Kauf in einem Drittanbieter-Store führt überproportional häufig zu einem solchen Erlebnis. Der Unterschied zwischen den realen Gegebenheiten in einem Drittanbieter-Shop und einer systematischen Markenführung in einem Apple-Store macht sich hier besonders bemerkbar.
Die Erlebnisse von vier Kundengruppen unterscheiden sich deutlich
Positives Erlebnis erhöht die Wiederkaufwahrscheinlichkeit
In der Studie zeigte sich bei den
Erlebnis-Heroen die größte Wiederkaufwahrscheinlichkeit. Die
Transaktionsorientierten Drücker fallen diesbezüglich stark ab. Die Wiederkaufwahrscheinlichkeit der beiden übrigen Cluster liegt bei den
Kühlen Effizienten um 0,3 Skalenpunkten unter den
Erlebnis-Heroen, bei den
Überlasteten Begeisterern um 0,5 Skalenpunkte. Eine einfaktorielle Varianzanalyse bestätigt dabei den differenzierenden Effekt der Clustervariable auf die Erfolgsgröße Wiederkaufwahrscheinlichkeit. Welche Bedeutung diese – scheinbar geringen – Unterschiede haben können, verdeutlicht ein Vergleich des Anteils von Kunden, die sehr wahrscheinlich wieder ein Produkt von Apple kaufen würden: bei den
Überlasteten Begeisterern ist dieser nur halb so groß wie bei den
Erlebnis-Heroen. Eine Kovarianzanalyse bestätigt, dass trotz signifikant wirkender Kovariaten die Clusterzugehörigkeit den geplanten Wiederkauf erklärt.
Dieses Ergebnis ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Offenbar gelingt es im Ladengeschäft deutlich besser, beim Kunden Emotionen zu wecken. Dies bestätigt die Strategie von Online-Unternehmen wie Amazon, Flagship-Stores zu eröffnen. Aber nur, wenn der Flagship-Store stärker emotionalisiert als der Online-Auftritt, ist er unternehmerisch zu rechtfertigen. Auch zeigt sich, dass der markeneigene Auftritt sich von jenem des Drittanbieters abhebt. Mit einem Wert von 4,71 Skalenpunkten liegt die Wiederkaufwahrscheinlichkeit bei Kunden, die bereits bei Apple, aber nicht von einem Drittanbieter online gekauft haben, deutlich höher als bei denjenigen, die von einem Drittanbieter, jedoch nicht von Apple selbst, online gekauft haben (4,49 Skalenpunkte).
Das Kauferlebnis wirkt sich auf die Wiederkaufwahrscheinlichkeit aus
Persönlicher Kontakt bleibt ein Erfolgsfaktor
Die Studie belegt, dass die Qualität des persönlichen Kontakts einen zentralen Erfolgsfaktor in der operativen Umsetzung von Customer Experience darstellt. Selbst wenn das Personal hervorragend qualifiziert ist, nimmt es ein Kunde als negativ wahr, wenn sich ein Ansprechpartner seinem Anliegen nicht vollumfänglich widmet. Es zeigt sich insbesondere, dass ein Kunde zwischen der Qualität der Beratungsleistung und ihrer Verfügbarkeit unterscheidet. Insbesondere an Touchpoints, an denen eine Kundenberatung nicht zur Verfügung oder nicht im Vordergrund steht, differenziert der Kunden zwischen der Beratungsqualität und der Wartezeit, bis ihm eine gute Beratung zuteil wird.
Prof. Dr. Stephan Bingemer
forscht und lehrt an der International School of Management, Campus Frankfurt am Main, und berät Unternehmen zu Digitalisierung und Customer Experience. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen bei der Lufthansa-Gruppe tätig.
stephan.bingemer@ism.de
Insbesondere in Ladengeschäften müssen die Sollprozesse sicherstellen, schnell in eine persönliche Interaktion mit dem Kunden einzutreten, um sein Erlebnis positiv zu gestalten. Es gilt zu vermeiden, dass ein Interessent den Weg in einen Store auf sich nimmt, um persönlich bedient zu werden, am Ende aber den Service also ebenso unpersönlich erlebt wie an einem digitalen Touchpoint. Umgekehrt deuten die Befunde darauf hin, dass viele Webangebote zu wenig emotionalisieren. Noch zu häufig fühlt sich ein Besucher in einem Webshop alleine gelassen. Dies kann zwei Ursachen haben: Entweder wird von den vorhandenen virtuellen Beratungsangeboten zu wenig Gebrauch gemacht oder die elektronische Beratung wirkt noch zu artifiziell.
Kanalgrenzen überwinden mit Omnichannel-Vertriebsansätzen
Die vorgestellten Befunde haben Auswirkungen auf das Management von Ominchannel-Vertriebskonzepten. Nicht erst im Zuge der Digitalisierung erweist sich die Orchestrierung multipler Vertriebskanäle als Königsdisziplin von Marketing und Vertrieb. Kernanforderung hierbei ist, die unterschiedlichen Vertriebskanäle eng zu verzahnen, insbesondere kanalübergreifend einen barrierefreien Kundenprozess sowie über alle Touchpoints hinweg einen konsistenten Auftritt sicher zu stellen, der das Markenversprechen erfüllt. Je näher ein Unternehmen dem Ziel einer nahtlosen Verknüpfung der von ihm bedienten Kanäle kommt, desto höher sein Vertriebserfolg und desto positiver das Kundenerlebnis. Dies wird im Wesentlichen durch die vorliegende Studie bestätigt.
Prof. Dr. Martin Ohlwein
forscht und lehrt an der International School of Management, Campus Frankfurt am Main. Darüber hinaus berät er Unternehmen zu Digitalisierung und Customer Experience. Zuvor war er für The Boston Consulting Group sowie in verschiedenen Führungspositionen für die Hilti-Gruppe tätig.
martin.ohlwein@ism.de
Sowohl im Fall von Kunden, die den Apple-eigenen Vertriebskanälen treu sind, als auch bei Kunden, die vornehmlich bei einem Drittanbieter kaufen, zeigt sich, dass der Offline-Vertriebskanal alleine weniger erfolgreich ist als wenn beide Welten – offline und online – eng verzahnt werden. Die Wiederkaufswahrscheinlichkeit ist hierbei im Fall von markeneigenen Kanälen höher als bei von einem Drittanbieter kontrollierten Kanälen. An eigenen Touchpoints wird das Kundenerlebnis deutlich konsistenter und mit einem höheren Grad von Markenkonformität gesteuert als im Drittgeschäft. In der Zukunft wird es also neben der technischen Integrationsleistung auch darum gehen müssen, wie das Kundenerlebnis über Kanalgrenzen hinweg qualitativ hochwertig und emotional gestaltet werden kann.