„Die Resilienzen sind aufgebraucht, aus Freiräumen sind Hohlräume geworden.“ Der Psychologe und Forscher des Kölner Rheingold Instituts, Paul Bremer, hat in seinen Tiefeninterviews erfahren, was derzeit die Stimmung in Deutschland prägt: Zermürbung, Aggressivität und Hoffnungslosigkeit.
Die Energie muss irgendwo hin
Gerade im Frühling sprühen Menschen vor Energie, sie wollen etwas tun: helfen, mit anpacken. Der Lockdown schränkt die Menschen in ihrem Tatendrang ein, ja mehr noch, er wird zunehmend als pauschale Bestrafung empfunden. Daher wächst der Widerstand gegen den Lockdown stetig. Bremer erklärt, dass Gestaltung und Selbstwirksamkeit seelische Grundbedürfnisse sind. Wer also unkontrollierte Mobilität verhindern wolle, müsse für ein Ventil sorgen, andernfalls etabliere sich ein virologisch bedenklicher Schattenalltag.
Warum Baumärkte gut für die Seele sind
Im Auftrag des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) hat Bremer die Bedeutung und Funktion von Gartencentern und Baumärkten in Corona-Zeiten untersucht. „Gerade den eigenen Garten haben die Menschen im Lockdown als heilendes Refugium empfunden, in dem sie gegen ihre Ohnmacht anpflanzen konnten“. Der Garten ist ein Ort, an dem Stress und Aggressionen abgebaut werden können. In Baumärkten können sich Menschen außerdem mit Werkzeug für alle Lebenslagen ausrüsten. Sie können aktiv werden, indem sie ihr Umfeld instand halten oder umbauen und bekommen dadurch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Sicherheit geht vor
Den Probanden der Studie war trotz allem wichtig, dass die Baumärkte und Gartencenter gute Konzepte zur Eindämmung des Coronavirus entwickeln. Dann wäre es sogar denkbar, dass eine Öffnung die Einhaltung der Corona-Maßnahmen positiv beeinflusse. Denn die Menschen seien auf der Suche nach seelischer Nahrung, so der Psychologe. „Die psychische Entlastung durch Werkeln und Pflanzen kann Betriebsamkeit von öffentlichen Plätzen hin ins eigene Zuhause verlagern“, sagt Bremer.
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