Wenn die Deutsche Bahn von einer Großstörung, die Auswirkung auf eine sehr hohe Anzahl von Fahrgästen hat, betroffen ist, ist ein schnelles Feedback zum Funktionieren des Informations- und Kommunikationsmanagements entscheidend. Dr. Tanja Czech und Mark-Oliver Moog von der Deutschen Bahn stellen gemeinsam mit Matthias Abeling von rc – research & consulting den neuentwickelten Großstörungsmonitor vor.
„Agile Marktforschung“ und „Automatisierung“ sind aktuelle Buzz-Wörter nicht nur in der Marktforschung. Insbesondere in Situationen, in denen schnell gehandelt werden muss, ist dies auch nicht verwunderlich: Was nützen Marktforschungsergebnisse, wenn sie zu spät vorliegen.
Für die Deutsche Bahn entstehen solche Situationen immer wieder im Fall von Großstörungen; großflächige, länger andauernde Betriebsstörungen, die eine sehr hohe Anzahl von Fahrgästen betreffen wie z.B. das Sturmtief Eberhard im März diesen Jahres. Solche Großstörungen treten mehrmals im Jahr auf und betreffen in der Regel mehrere Bundesländer und wichtige Zentren, die auf Fernverkehrs-Hauptachsen liegen. In der Folge gibt es eine Vielzahl an betroffenen und aufgebrachten Fahrgästen, die einen spezifischen und dringenden Informationsbedarf zu Zügen, betroffenen Fahrstrecken bzw. Reisealternativen haben. Im Sinne einer gelebten Kundenorientierung ist es für die DB wichtig zu monitoren, wie das Informationsmanagement rund um die von Großstörungen betroffene Fahrt von den Fahrgästen erlebt wird und welches Potenzial zur Verbesserung sich im Kundendialog ergibt.
Das Autorenteam
Dr. Tanja Czech ist bei der Deutschen Bahn AG im Bereich Reisendeninformation als User Experience-Forscherin tätig. Die Psychologin hat sich darauf spezialisiert, mit passgenauen Methoden die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Reisenden zu identifizieren und daraus kundenorientierte Handlungsstrategien abzuleiten.
Mark-Oliver Moog ist bei der Deutschen Bahn AG in der Marktforschung im Bereich des Konzernmarketing als Experte für Kundenzufriedenheitsanalysen und ad hoc Forschung tätig. Der Wirtschaftsmathematiker verfügt über umfassende nationale wie regionale Erfahrung im Bereich Personenverkehr und Infrastruktur.
Matthias Abeling ist Consultant bei der rc – research & consulting GmbH. Seine Schwerpunkte liegen in der Projektbetreuung (inter)nationaler Studien sowie in der Konzeptforschung und im Data Sciences. Der Betriebswirt ist Experte in der Analyse von Consumer und Business Insights.
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Perspektivisch ist klar, dass solche Ausnahmesituationen regelmäßig auftreten, im Einzelfall sind sie jedoch nur sehr kurzfristig vorhersehbar. Deshalb ist für die Deutsche Bahn ein schnelles Feedback zum Funktionieren ihres aktuellen Informations- und Kommunikationsmanagements entscheidend. Es wurde ein innovatives Research-Instrument benötigt, das im Großstörungsfall über eine agile, weitgehend automatisierte Marktforschung schnellstmöglich und kosteneffektiv Ergebnisse liefert und direkt in den Verbundprozess der Deutschen Bahn bei einer Großstörung eingebunden werden kann.
Die Konzernmarktforschung und die Einheit Reisendeninformation der Deutschen Bahn haben zusammen mit rc – research & consulting mit dem Großstörungsmonitor ein Instrument entwickelt, das genau diese Anforderungen erfüllt. Dafür wurden drei unterschiedliche Module implementiert und Prozesse für die jeweilige Rekrutierung, Befragung sowie Auswertung vorinstalliert, die für den Fall einer auftretenden Großstörung unmittelbar aktivierbar sind und umgehend aussagekräftige Ergebnisse liefern.
Wie sieht das konkret aus? Im Rahmen des sogenannten Verbundprozesses „Großstörung managen“ wird bei einer Großstörung die Sonderkommunikation entschieden und mit sogenannten Blitzboxen auf bahn.de und in den Apps DB Navigator und DB Streckenagent gestartet: Diese Blitzboxen verweisen auf die Website bahn.de/aktuell mit allen aktuellen, störungsrelevanten Informationen. Sobald diese Informationen für die Reisenden sichtbar sind, entscheidet der Kommunikationsstab im Verbundprozess, ob und welche Module des Großstörungsmonitors aktiviert werden sollen. Das Marktforschungsinstrument ist somit direkt in die Entscheidungsprozesse der Deutschen Bahn bei Großstörungen integriert.
Modul A „Day-Before Monitor“
Ziel dieses Moduls ist es, die Fahrgäste bereits vor Eintreten einer erwarteten Großstörung über mögliche Behinderungen und Auswirkungen zu informieren. Sofern dies möglich und der Zeitraum von der Vorwarnung bis zum Ereignis hinreichend groß ist, lässt sich mit dem Day-Before Monitor kurzfristig ermitteln, welche Informationen zur potenziellen Störung von den betroffenen Fahrgästen im Vorhinein wahrgenommen werden und welche Konsequenzen die Reisenden – basierend auf diesen Informationen – ergreifen (z.B. geänderte Verkehrsmittelwahl oder Reiseplanung). Von besonderem Interesse ist auch die Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem Kundendialog der DB. Innerhalb von vier Stunden lassen sich aussagekräftige Ergebnisse zum Störungsmanagement ermitteln, die über ein Online-Portal visualisiert werden – in Echtzeit. Zudem können Reiseplaner im Störungsgebiet wiederholt nach ihrer Reise befragt werden. Auf Personenebene lassen sich Erwartungen und Erfahrungen vor der Störung mit denen während der Störung vergleichen.
Modul B „Day-After Monitor“
Mit dem Day-After Monitor werden von der Störung betroffene Reisende am Tag nach dem Auftreten einer Großstörung zu ihrer Fahrt, ihren Erlebnissen und Auswirkungen befragt. Zentral ist zu eruieren, ob und über welche Kanäle sowie zu welchem Zeitpunkt, Informationen von der Deutschen Bahn zur Großstörung wahrgenommen wurden und inwiefern diese Informationen hilfreich und handlungsrelevant waren. In Kombination mit den erhobenen Zufriedenheitswerten zeigt sich umgehend und gezielt der Optimierungsbedarf in der Kommunikations- und Maßnahmenstrategie.
Modul C „Employee Monitor“
Wichtige Voraussetzung für ein gutes Störungsmanagement ist, auch die eigenen Mitarbeiter entsprechend mit Informationen zu versorgen und so auf die Störungssituation vorzubereiten. Im dritten Modul werden die Mitarbeiter der Deutschen Bahn nach ihren Erfahrungen und ihrer Zufriedenheit mit dem bahninternen Informationsmanagement befragt. Sie nehmen eine Bewertung des internen Kommunikationsmanagements beim Störungsablauf vor und spiegeln so die Urteile der betroffenen Fahrgäste.
Zusammengefasst werden also das Ad-hoc-Feedback der Reiseplaner (Day-Before Monitor), die aktuellen Erfahrungen der Reisenden und Reise(um)planer (Day-After Monitor) sowie das Feedback der Mitarbeiter (Employee Monitor) zeitnah erfasst sowie in einem automatisierten Reporting in Echtzeit visualisiert und gegenübergestellt. Auf dieser Grundlage nimmt die Deutsche Bahn umgehend Änderungen in der Kommunikation sowie Leistungserbringung vor, um die Belastung von Kunden und Mitarbeiter möglichst gering zu halten und ihre Prozesse langfristig zu verbessern. Zusätzlich werden die Ergebnisse im direkten Vergleich zu vorherigen Großstörungen dargestellt. So lässt sich direkt ablesen, ob neu installierte Maßnahmen fruchten und wie sich das Störungsmanagement verbessert. Die Ergebnisse, die im Rahmen der ersten drei Störungswellen ermittelt wurden, sind bereits sehr vielversprechend.
Der Großstörungsmonitor realisiert, was in der Mobilitätsbranche besonders wichtig ist: Durch die Kombination von innovativer digitaler Technik und agiler Marktforschung kann mit schnellen Entscheidungen auf kurzfristige Veränderungen reagiert werden – quasi durch Marktforschung auf Knopfdruck.