Online-Special Mobilität

Auf dem Weg zum Autonomen Fahren

Autonom fahrende Busse sind bald schon kein Zukunftsprojekt mehr
R+V Versicherung
Autonom fahrende Busse sind bald schon kein Zukunftsprojekt mehr
Das Zentrum für empirische Kommunikationsforschung (ZEK) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg hat zum wiederholten Male die Mobilitätstrends aus Sicht der Deutschen untersucht. Diesmal nahmen die Forscher die Meinungen zum Autonomen Fahren genauer unter die Lupe. Prof. Dr. Simon Ottler berichtet von den Ergebnissen der aktuellen Untersuchungswelle.
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Die anfängliche Skepsis weicht zunehmender Akzeptanz. Waren im Februar 2018 nur 28 Prozent aller Befragten der Meinung, dass sich Automobilhersteller aktiv beim Autonomen Fahren engagieren sollten, sind es im März 2019 bereits 41 Prozent - so eine deutschlandweite Onlinestudie des Zentrums für empirische Kommunikationsforschung (ZEK). In der Bodenseestadt Friedrichshafen, wo es seit geraumer Zeit eine Teststrecke für selbstfahrende Autos gibt, herrscht noch mehr Aufgeschlossenheit: rund jeder zweite Befragte sieht ein aktives Engagement der Industrie bei diesem Trend inzwischen als wichtig oder sehr wichtig an (parallel im März 2019 durchgeführte Interviews, CAPI). Sofern nicht gesondert angegeben, beziehen sich die folgenden Ergebnisse auf die aktuelle deutschlandweite Erhebung.

Der Autor

Prof. Dr. Simon Ottler
DHBW Ravensburg
Prof. Dr. Simon Ottler ist Diplomökonom und leitet das Zentrum für empirische Kommunikationsforschung (ZEK) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kommunikationscontrolling und Marktforschung.

Mehr Mobilität versus Angst vor Manipulationen

Steigende Akzeptanz des Autonomen Fahrens
DHBW Ravensburg
Steigende Akzeptanz des Autonomen Fahrens
Die wahrgenommenen Vorteile und Akzeptanzprobleme halten sich in etwa die Waage. Die TOP 5 Argumente für bzw. gegen das Autonome Fahren sind („stimme voll und ganz zu“ und „stimme eher zu“ auf einer 5-stufigen Skala):

PRO

  • Mehr Mobilität für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen: 75 Prozent
  • Weniger Stress, entspanntes Fahren: 61 Prozent
  • Möglichkeit, während der Fahrt andere Dinge zu tun: 59 Prozent
  • Optimale Routenplanung, Streckenführung: 56 Prozent
  • Besserer Verkehrsfluss (z.B. grüne Ampelphasen): 53 Prozent

CONTRA

  • Angst vor Manipulationen (z.B. Fernsteuerung durch Hackerangriffe): 69 Prozent
  • Kein Vertrauen in die Technik: 65 Prozent
  • Weniger Fahrspaß, Auto wird nicht mehr selbst gefahren: 62 Prozent
  • Gefühl, überwacht zu werden: 62 Prozent
  • Befürchtung, dass Autofahren teurer wird: 50 Prozent

Ähnlich fallen die Ergebnisse in Friedrichshafen aus, wo die Befragten mit demselben Fragenkatalog konfrontiert waren. Die deutlichsten Unterschiede: Die vermehrte Mobilität wird mit 85 Prozent Zustimmung noch klarer als Hauptvorteil des Autonomen Fahrens gesehen. Insgesamt haben die Befragten in der Bodenseestadt weniger Angst vor Manipulationen, und nur etwa die Hälfte sieht das Gefühl des Überwachtwerdens als mögliches Akzeptanzproblem.

Emotionen und Informationen wichtig für Akzeptanz

Auf die offene Frage, mit welchen Aktivitäten sie ihre Zeit während der Fahrt verbringen würden, nennen die Befragten erwartungsgemäß Beschäftigungen wie Lesen, Arbeiten, E-Mails schreiben, im Internet surfen, Videos schauen, Entspannen, die Landschaft genießen oder Schlafen. Es gibt aber auch eine nennenswerte Gruppe von Skeptikern, die auf den Verkehr achten und das Geschehen aufmerksam beobachten würden. Dazu passt auch der folgende Befund: Für 53 Prozent der Befragten geht der Gedanke an selbstfahrende Autos mit einem unangenehmen Gefühl einher, während bei 47 Prozent positive Emotionen ausgelöst werden. Das empfundene Unbehagen steigt mit zunehmendem Alter an, obwohl – objektiv betrachtet – gerade die ältere Generation von der neuen Mobilität besonders profitieren könnte.

Die Vorteile des Autonomen Fahrens sollten daher klarer als bisher an die jeweiligen Zielgruppen kommuniziert werden. Neben Investitionen in die Sicherheit sind eine gute Informationspolitik und Aufklärungsarbeit unerlässlich. Dass die Hersteller, Verbände, Kommunen und die Presse insgesamt angemessen zum Thema informieren, finden 45 Prozent der Befragten. 53 Prozent sagen, dass sie zu wenig Informationen erhalten. Wichtig ist die Ansprache über geeignete Kommunikationskanäle. Idealerweise werden den Betroffenen die neuen Möglichkeiten erlebbar gemacht, wie es etwa in Friedrichshafen aufgrund der Teststrecke der Fall ist. Dort erwarten im Übrigen 67 Prozent der Befragten eine Förderung des Images der Stadt als Technologiestandort, 52 Prozent versprechen sich das Entstehen neuer Jobs.
Hindernisse auf dem Weg zum Autonomen Fahren
DHBW Ravensburg
Hindernisse auf dem Weg zum Autonomen Fahren

Ungeklärte rechtliche und ethische Fragen

Bevor sich das autonome Fahren in ganz Deutschland durchsetzt, gilt es einige Barrieren aus dem Weg zu räumen. 73 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass es noch länger als 10 Jahre dauern wird, bis Autos hierzulande vollständig autonom fahren. Jeder vierte Studienteilnehmer meint sogar, dass bis dahin mehr als 20 Jahre vergehen werden. Nur 3 Prozent gehen davon aus, dass die Marktreife bereits in weniger als fünf Jahren erreicht wird. Interessant dabei: je optimistischer die Befragten diesbezüglich in die Zukunft blicken, desto angenehmere Gefühle verbinden sie mit dem Thema, und umso eher wäre für sie eine Nutzung vollautonomer Fahrzeuge vorstellbar.

Zur Studie

Zum inzwischen siebten Mal hat das ZEK an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg eine Untersuchung zu den Mobilitätstrends aus Sicht der Deutschen vorgelegt. Die Ergebnisse beziehen sich auf die neueste (März 2019) und die vorletzte (Februar 2018, siehe planung & analyse 3/2018) Untersuchungswelle. Auf Basis einer Quotenstichprobe wurden mithilfe eines Felddienstleisters jeweils 500 Erwachsene online befragt. Erstmals interviewten Marktforschungs-Studierende nahezu zeitgleich 239 Personen in Friedrichshafen (CAPI). Dort ist seit Anfang des Jahres ein Testfeld zum Autonomen Fahren in Betrieb. Die Stichproben sind mit Blick auf soziodemografische Merkmale weitgehend strukturgleich.

Neben Akzeptanzproblemen stehen dem vollautonomen Fahren in Deutschland vor allem ungeklärte rechtliche und ethische Fragen im Weg. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, um für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen. Aber auch das fehlende Angebot der Hersteller stellt ein Hindernis dar. Offen gefragt nach den Marken, die ihnen beim Schlagwort „Autonomes Fahren“ einfallen, denken knapp 30 Prozent der Studienteilnehmer zunächst an Tesla. Erst danach nennen sie BMW, Mercedes, Volkswagen und Audi, gefolgt von Google und weiteren Herstellern. Angesichts dieser Ergebnisse sollte die deutsche Automobilindustrie noch mehr an der richtigen Positionierung und Kommunikation arbeiten. Gelingt die Entwicklung einer sicheren Technologie mit Kundenmehrwert, dann dürfte das Autonome Fahren in Deutschland bald keine Zukunftsmusik mehr sein.

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