NielsenIQ Christmas Study 2022

Stiehlt der Grinch das Weihnachtsfest?

IMAGO / Christian Spicker
Angesichts zahlreicher Krisen im Laufe des Jahres 2022 stellt sich die Frage: Wird zum Fest die Kaufzurückhaltung aufgegeben oder steht dieses Jahr ganz im Zeichen einer Konsumkrise? Und dann: Welche Produktkategorien stehen auch in schwierigen Zeiten im Fokus? Welche Rolle spielen Promotions, Black Friday und Premiumprodukte für die Weihnachtseinkäufer? Die Consumer-Insights-Expertinnen Sandra Bräunlein-Reuß und Silvia Villaverde geben Einblicke in die aktuelle emotionale Lage der europäischen Konsumenten und Konsumentinnen zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft, die in der NielsenIQ Christmas Study 2022 ermittelt wurde.
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Selten war ein Jahr mit so vielen Fragezeichen behaftet. 2022 hatte für die Europäer bislang nie gekannte Herausforderungen parat: Zunächst der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar und dann im Zuge dessen die enorm gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise. Es überrascht nicht, dass 56 Prozent der europäischen Konsumenten und Konsumentinnen angeben, sich beim Lebensmitteleinkauf auf den essenziellen Bedarf zu fokussieren. Fast ein Drittel der Befragten in Europa werden den Gürtel enger schnallen und insgesamt weniger Lebensmittel kaufen.

Was bedeutet diese Entwicklung für das diesjährige Weihnachtsfest – und damit für das für den Einzelhandel so wichtige Weihnachtsgeschäft? Müssen die Verbraucher auch hier Abstriche machen? Oder ist nach fast drei Jahren Pandemie der Nachholbedarf so groß, dass die Kosten für das Fest der Liebe ausnahmsweise keine Rolle spielen? NielsenIQ hat rund 7.600 Konsumentinnen und Konsumenten in acht europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Rumänien) im September 2022 nach ihren Plänen für das diesjährige Fest befragt. Die Ergebnisse zeigen, wie stark Weihnachten für die Europäer vor allem emotional verankert ist.

Ein Drittel der Befragten freut sich bereits im September auf das Weihnachtsfest, insbesondere die jüngere Generation der 18- bis 34-Jährigen. Vor allem den Rumänen, Griechen und Portugiesen sind die emotionalen Elemente von Weihnachten wie Zeit mit Familie und Freunden verbringen, den Moment genießen und die Traditionen rund um das Fest wichtig. Auch die Deutschen wollen in diesem Jahr wieder Traditionen pflegen: 57 Prozent werden einen Weihnachtsbaum aufstellen, 56 Prozent kochen ein traditionelles Weihnachtsessen, 52 Prozent wollen Plätzchen oder Lebkuchen backen. Zwei Drittel der Deutschen feiern dabei vornehmlich zu Hause. Fast die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen wird reisen, um das Fest mit der Familie zu verbringen. Über alle Altersgruppen hinweg planen dies 39 Prozent der Deutschen.
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Aber es gibt auch gegenläufige Entwicklungen: Die Briten, stark betroffen vor allem von der Energiekrise, haben eher einen rationalen Blick – bei ihnen stehen Kosteneinsparungen und vorgezogene Einkäufe, um weitere Preissteigerungen zu vermeiden, – im Ländervergleich am stärksten im Vordergrund. Aber auch für rund ein Drittel der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten ist das ein Thema.

Gutes Essen und Geschenke – das ist Weihnachten

Tatsächlich geben 29 Prozent der befragten Europäer an, in diesem Jahr ein geringeres Budget für Weihnachten zu haben als 2021, 60 Prozent wollen genauso viel ausgeben wie im Jahr zuvor. Nur jeder Zehnte hat ein höheres Budget als im Vorjahr zur Verfügung. Der Großteil des Budgets ist dabei für die Feierlichkeiten zu Hause bestimmt und wird in Speisen, Getränke, Süßigkeiten und typische Weihnachtsprodukte investiert. Mit 37 Prozent investieren die Befragten fast den gleichen Betrag in Geschenke für ihre Lieben. Nur 15 Prozent des Budgets werden außer Haus, etwa für Restaurantbesuche, Konzertbesuche oder Ähnliches ausgegeben. Die Deutschen wollen hierfür mit 12 Prozent einen noch geringeren Anteil ihres Budgets verwenden – es bleibt also weiter schwierig für die Gastronomie und die Eventbranche.

Begrenzte Budgets, erwartete Preissteigerungen auch beim Weihnachtseinkauf – kein Wunder, dass acht von zehn Europäern in diesem Jahr anders einkaufen werden als in den vergangenen Jahren. Welche Kaufanreize kann der Einzelhandel in dieser Situation am besten setzen?Trotz aller Emotionalität rund um das Weihnachtsfest gehen die Konsumentinnen und Konsumenten bei ihren Weihnachtseinkäufen durchaus strategisch vor: So wollen 32 Prozent aller Europäer vermehrt Sonderangebote wahrnehmen. In Griechenland (46 Prozent) und Portugal (44 Prozent) ist diese Strategie besonders ausgeprägt. Direkte Preisnachlässe sind den Konsumenten hier lieber als andere Rabattformen wie größere Einheiten zum gleichen Preis oder ein Gratisgeschenk. Coupons über Loyalty Cards sind immerhin für 28 Prozent der Europäer interessant. Doch Rabatte allein genügen den Sparsamen unter den Weihnachtseinkäufern nicht, ein Viertel der Befragten will insgesamt weniger konsumieren, 22 Prozent wollen zu günstigeren Produkten und 15 Prozent auch fürs Weihnachtsessen zu Private Label Brands greifen. Über ein Viertel der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten planen sogar, den Großteil der Lebensmittel und Getränke fürs Fest beim Discounter zu erwerben.
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Das heißt jedoch nicht, dass Premium-Produkte beim diesjährigen Weihnachtsfest keine Rolle mehr spielen. Man möchte sich etwas gönnen, vor allem beim – vorwiegend selbst zubereiteten – Essen. Bei frischem Fleisch planen zwei von fünf Europäern, zu Premiumprodukten zu greifen. Ähnlich verhält es sich bei Wein (37 Prozent) und Sekt/Champagner (36 Prozent), harten alkoholischen Getränken (32 Prozent) sowie Käse und Weihnachtssüßigkeiten (je 31 Prozent). 27 Prozent möchten sich mit einem besonderen Bier verwöhnen.

Premiumprodukte – ja, aber nicht bei allen Produkten

Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn sind den deutschen Konsumentinnen und Konsumenten Premiumprodukte an Weihnachten noch einmal deutlich wichtiger – und das nicht nur beim Bier (39 Prozent Premium), sondern auch bei frischem Fleisch (59 Prozent), frischen Früchten (51 Prozent), Sekt/Champagner (51 Prozent), Kaffee (43 Prozent) und Olivenöl (40 Prozent). Die geringste Rolle bei den deutschen Konsumentinnen und Konsumenten spielen Premiumprodukte bei salzigen Snacks (18 Prozent), Softdrinks (21 Prozent), Mineralwasser (24 Prozent) und Pasta (26 Prozent) – jeweils bezogen auf die Befragten, die angeben, die spezifischen Kategorien im Rahmen des Weihnachtsfestes kaufen zu wollen. Die Definition, was ein Premiumprodukt ausmacht, ist dabei sehr rational: Eine hohe Qualität des Produktes beziehungsweise der Zutaten ist dabei relevanter als die Marke oder eine besondere Aufmachung. Leistung und Qualität, gerade bei Premiumprodukten, sollten also unbedingt stimmen, um Konsumenten in dieser Zeit zum Kauf zu bewegen.

Anders bei den Geschenken – hier ist eine bekannte oder vom Empfänger geliebte Marke das wichtigste Entscheidungskriterium, – noch wichtiger als der Preis oder Nachhaltigkeit der Produkte. Am liebsten verschenken die Europäer in diesem Jahr Mode (43 Prozent), Parfüm (41 Prozent) und Spielzeug (35 Prozent), gefolgt von Gutscheinen und Spezialitäten. Etwa ein Viertel der Befragten greifen auch gerne zu speziellen Geschenkpacks. Hier kommt es vor allem darauf an, dass den Beschenkten die Produkte zusagen und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt – Auslobungen wie innovative Produkte oder Produkte, die es sonst nicht zu kaufen gibt, sind kaum relevant beim Kauf von Geschenkpacks.

Die Deutschen gehen beim Thema Geschenke lieber auf Nummer sicher und greifen zum Gutschein (43 Prozent). Eine gute Möglichkeit für den Einzelhandel, sich zusätzlichen Umsatz im Weihnachtsgeschäft zu sichern. Zwar geben 56 Prozent der deutschen Befragten an, sich für den Geschenkekauf eher im Internet inspirieren zu lassen (Europa 54 Prozent) – jedoch besuchen neun von zehn Konsumentinnen und Konsumenten dabei gezielt Onlineshops und suchen nicht etwa in Social Media und bei Influencern nach Ideen. Die Käufer benötigen also zunehmend weniger Schritte im Einkaufsprozess – Investitionen der Händler in nutzerfreundliche Onlineshops sind deshalb an dieser Stelle gut angelegt, um Einkäufe zum Fest zu stimulieren und dem in der Pandemie eingeübten Einkaufsverhalten Rechnung zu tragen.

Kategorien, die besonders gerne online gekauft werden, sind in Deutschland Geschenke, die mit dem Hobby des Beschenkten zu tun haben (z.B. Bücher), Spielsachen, elektronische Geräte, Kleidung und Schuhe sowie Gutscheine.

Aktionstage wie Cyber-Monday oder Black Friday oder ganz neu der Singles Day spielen auch im deutschen Weihnachtsgeschäft mittlerweile eine Rolle – insbesondere, aber nicht nur wenn es um den Kauf von Geschenken geht. Diesen plant ein Großteil der Deutschen bereits deutlich vor Weihnachten. Ein Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten werden diese Aktionstage nutzen, um frühzeitig Geschenke für sich und andere zu besorgen. Weitere 22 Prozent prüfen zumindest, ob sich ein interessantes Schnäppchen machen lässt, und neun Prozent lassen sich inspirieren. Nur 33 Prozent der Befragten geben an, dass die Aktionstage völlig irrelevant beim Geschenkekauf für sie sind. Auch für Einkäufe von Lebensmitteln sowie Hygiene- und Beauty-Produkten spielen die Aktionstage eine Rolle.

Im Geschäft ist den Konsumenten neben speziellen Weihnachtsprodukten und -angeboten vor allem die Weihnachtsatmosphäre wichtig (hier insbesondere den Jüngeren zwischen 18 und 34 Jahren) sowie spezielle Bereiche mit Weihnachtsprodukten und Geschenksets. Gerne nehmen die europäischen Konsumenten und Konsumentinnen auch Rezeptideen und Menüvorschläge auf (27 Prozent).

Was bedeuten diese Ergebnisse für den Einzelhandel?

Obwohl die Befragten in diesem Jahr kein höheres Budget zur Verfügung haben, ist die Vorfreude auf Weihnachten bereits groß. Man möchte dieses Fest mit der Familie und Freunden genießen, es sich zu Hause schön machen und sich etwas gönnen. Geschenke spielen dabei eine wichtige Rolle. Der Einzelhandel sollte dieses Bedürfnis aufnehmen und die Kunden auf die kommende Zeit emotional einstimmen – gerade in der aktuell eher schwierigen Situation. Die Konsumentinnen und Konsumenten möchten sich inspirieren lassen – online und offline – und das Beste aus ihrem verfügbaren Budget machen. Preisnachlässe sind insbesondere bei Lebensmitteln der größte Kaufanreiz und die Konsumenten greifen dabei für Weihnachten gerne auch zum Premiumprodukt. Hier ist es wichtig, die Qualität der Produkte in den Vordergrund zu stellen – anders als bei Geschenken, bei denen vor allem die Marke zählt. Und ganz wichtig: Gutscheine und Geschenksets mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. Auch die Planung spielt bei knapperen Budgets eine große Rolle, Aktionen wie Black Friday werden gerne genutzt, um ein paar Schnäppchen zu machen.

Da ein Teil der Konsumenten nicht umhinkommen wird, auf günstigere Produkte zurückzugreifen, werden auch die Discounter in diesem Weihnachtsgeschäft ihren Anteil haben. Das Fazit für den Handel lautet: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen kann durch eine kluge Produkt- und Vermarktungspolitik, die maximal auf die emotionalen Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten zugeschnitten ist und ihre Planungsstrategien berücksichtigt, zum Weihnachtsfest weiterhin noch ein guter Umsatz erzielt werden. Grinch go home!
Die Autorinnen

Nielsen IQ Autorinnen
NielsenIQ
Silvia Villaverde (links) verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Marktforschung in verschiedenen Branchen wie FMCG, Einzelhandel und Gesundheitswesen. Sie leitet das Consumer-Insights-Geschäft von NielsenIQ in Spanien und Portugal und ist Segmentation Science Commercial Champion für Europa.

Sandra Bräunlein-Reuß (rechts) ist seit 18 Jahre bei Nielsen/NielsenIQ in unterschiedlichen Rollen und Bereichen tätig. Dazu gehört die Messung und Analyse der Internetnutzung in Deutschland, Online-Werbeeffizienzmessung, Consumer- und Shopper-Studien.

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