„Beantworten Sie lieber am Telefon einen Fragebogen und bekommen dafür Cash, oder ich lade Sie zum Essen ein und wir unterhalten uns ein wenig?“ Sowohl bei der letzten Esomar Konferenz als auch auf der Weltkonferenz der Qualitative Research Consultans Association (QRCA) wurde über den Sinn und Unsinn von Incentives heiß diskutiert. Wenn ein Proband motiviert und interessiert ist, sind die Antworten immer schon tiefer und ausführlicher und die Ergebnisse entsprechend wertvoller, so die Erfahrung. Aber lässt sich ein Proband alleine durch Hintergrundinformationen und durch das Gefühl an etwas Wichtigem mitzuwirken, motivieren an einer Befragung teilzunehmen?
Bei qualitativen Interviews mit Experten nahm bisher jeder Proband mit Begeisterung das angebotene Incentive und bot anschließend an, jederzeit gerne wieder zur Verfügung zu stehen. Ich war dankbar, hatte aber auch das Gefühl für die vielen interessanten Informationen und Emotionen auch eine materielle Gegenleistung geboten zu haben, ein kleiner Ausgleich für die Zeit und den Aufwand des Teilnehmers. Sie geben mir etwas, ich gebe ihnen etwas. So einfach ist das.
Aber in manchen Branchen werden die üblichen Incentives immer größer und teuerer. Immer mehr Studien mit immer spezielleren Zielgruppen, führen zu steigenden Incentives um überhaupt noch Teilnehmer zu bekommen. Insbesondere im Healthcare Bereich, bei Befragungen von Ärzten und Patienten, haben sich die Preise in kurzer Zeit verdoppelt. Es wird zunehmend schwierig Probanden mit wenig Befragungserfahrung zu bekommen, der Markt wird eng.
Der Weg ist das Ziel: Es war zwar zeitintensiver, Probanden zu finden, aber es gab auch ein Lerneffekt bei der Suche in den Foren. Alleine die Analyse der vielen interessanten Beiträge lieferten eine wertvolle Ausgangsbasis.
Längere und detailliertere Beiträge: Diejenigen, die ganz freiwillig und aus eigenem Interesse teilnehmen, schreiben wesentlich ausführlichere Beiträge mit Liebe zum Detail, für jeden Moderator ein Genuss.
Wille etwas wertvolles beizutragen: Diese hochmotivierten Teilnehmer wollen helfen etwas Neues zu kreieren und die Zukunft zu verbessern. Sie geben sich wirklich viel Mühe und denken intensiv nach, kommen zurück und haben weitere neue Ideen.
Engagierte Diskussion bis zum Ende: Alle konnten jederzeit aus der Untersuchung aussteigen, alle Fragen waren freiwillig und keine verpflichtend (wie in vielen Studien). Aber alle beantworteten nicht nur alle Fragen, sondern blieben auch wirklich bis zum Ende dabei. Die Teilnehmer hatten offensichtlich Interesse und Vergnügen am Austausch mit den anderen. Sie kamen mehrmals täglich zurück, lasen die anderen Beiträge und nutzten die Gelegenheit zum Austausch intensiv.
Zugegebenermaßen, es war nicht alles besser und leichter. Für die wertvollen Ergebnisse war mehr Einsatz der Forscher notwendig:
Mehr eigener Aufwand für das Recruiting: Wie einfach ist es einem Feldinstitut einen Kontaktfragebogen zu geben und genau die richtigen Probanden finden zu lassen. Hier war das Projektteam selbst im Einsatz um die passenden Teilnehmer zu finden.
Intensive Bildung von Vertrauen: Online-Kommunikation ist zunächst sehr anonym und es muss um Vertrauen in die Untersuchung geworben werden. Die Moderatorin ging selbst in die Online-Foren und stellte sich und ihr Thema vor und warb um Vertrauen. Zunächst war ein großer Widerstand und Vorurteile gegen die Marktforschung zu überwinden. Sie musste vermitteln: „Nein, es ist nicht schon wieder so eine Durchklick-Studie von der man später nichts hört und sieht, sondern wir wollen Eure Meinung hören und mit Euch diskutieren, wir wollen Eure Probleme verstehen.“
Die ersten Teilnehmer posteten dann begeistert zurück in ihren Foren, das Vertrauen wuchs und neue Teilnehmer fanden sich schnell ein.
Einfaches Einloggen – Einfache Teilnahme: Für frische Probanden, ohne Marktforschungserfahrung muss die Teilnahme so einfach wie möglich gestaltet werden. Sie kommen nur ein einziges Mal online und wenn sie frustriert werden, sind sie schnell wieder im virtuellen Dschungel verschwunden. Am besten ist hier ein Forum ‚so einfach wie Facebook‘.
Keine Videos/Fotos: Bezahlte Probanden werden gescreent und vorher auf die Bereitschaft getestet auch Videos und Fotos für die Studie hochzuladen. Diese ethnographischen Elemente sind oft ein wichtiger Teil für unsere Kunden. Damit kann man wirklich ins Leben der Probanden eintauchen.
Leider war im Rahmen der freiwilligen/kostenlosen Teilnahme nur wenig Bereitschaft da, zusätzlichen Aufwand dafür in Kauf zu nehmen. Trotz ‚privatem Modus‘, also völliger Anonymität für den einzelnen Teilnehmer, bestanden möglicherweise noch Ängste.
Zusammenfassung: Yes we can – aber es kommt darauf an…
Ja, man kann Probanden finden, die ganz taufrische Marktforschungsteilnehmer sind und kein Incentive erwarten. Dafür braucht es etwas mehr Aufwand des Forschers statt schneller Delegation an ein Feldinstitut. Auch die Moderation erfordert mehr Zeitaufwand um Vertrauen zu bilden, dafür weniger Aufwand für Nachfragen, da die Probanden von alleine viele Details liefern. Außerdem müssen die Ansprüche an die medialen Möglichkeiten heruntergeschraubt werden. Wir Forscher werden belohnt mit hohem Engagement der Probanden und vielen wertvollen Einzelheiten.
Grundvoraussetzung dafür ist es, ein Thema zu haben, das den Probanden das Gefühl gibt, es ist wirklich eine Sache, die ihnen am Herzen liegt. Für das Testen einer Anzeige, Visuals oder einer Tagline wird die Bereitschaft vermutlich geringer sein.
Aber wenn das Thema für die User ein Herzensanliegen sein kann, dann ist die Teilnahme an der Studie für sie sicher wertvoller als bares Geld und die Motivation höher.