Was vor drei Jahren für die meisten Betriebe kaum vorstellbar war und vielen Mitarbeitenden als ein unerfüllbarer Traum erschien, hat eine Pandemie möglich gemacht. Ob wir das Kind nun Homeoffice, Mobile Office oder Hybrides Arbeiten nennen - heute arbeitet die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland zumindest zeitweise von zuhause aus. Nachdem IFAK schon während des Lockdowns 2021 Erwerbstätige im Homeoffice zu den Themen Wohlfühlen, Produktivität und Leistungsfähigkeit im Homeoffice befragt hat, wollten wir Ende 2022 erneut einen Blick auf die Mitarbeitenden im Homeoffice werfen und haben abermals 800 Erwerbstätige, die zumindest zeitweise von zuhause aus arbeiten, online befragt. Kerstin Harth stellt die Ergebnisse vor.
Am liebsten drei Tage pro Woche im Homeoffice
Heute arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Homeoffice-Anteil im Schnitt drei Tage pro Woche von zuhause aus. Das deckt sich auch mit dem Wunsch der Angestellten: Im Durchschnitt streben diese drei Tage pro Woche im Homeoffice an. Ein Fünftel der Erwerbstätigen arbeitet sogar an fünf Wochentagen von zuhause aus. Im Vergleich zu 2021 hat sich die Anzahl der Mitarbeitenden, die sich dauerhaft im Homeoffice befinden, fast halbiert, was natürlich auch am Wegfall von Corona-Bestimmungen liegt. Drei Viertel der Mitarbeitenden wollen ihr dauerhaftes Homeoffice genauso fortsetzen. Auch für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber funktioniert Homeoffice gut, denn mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, dass sie vom Arbeitgeber keine Vorgaben in punkto Präsenztage im Büro gemacht bekommen. Gibt es dennoch eine Verpflichtung von Arbeitgeberseite, dann liegt diese im Schnitt bei zwei Tagen pro Woche. Damit können die allermeisten Erwerbstätigen sehr gut leben.
Die Autorin
Kerstin Harth ist beim IFAK Institut aus Taunusstein in der internen und externen Unternehmenskommunikation und dem Marketing tätig.
Open Space lässt keine Wahl
Wer nun denkt, dass heute nur die Erwerbstätigen im Homeoffice arbeiten, die dies auch wirklich wollen, liegt falsch. Denn einige Betriebe habe sich von zunehmend überflüssiger Bürofläche getrennt. Gut 30 Prozent der Befragten gibt an, dass in ihrem Betrieb das Konzept „Open Space“ umgesetzt wurde. Das heißt nichts anderes, als dass stationäre Arbeitsplätze im Betrieb weggefallen sind und sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an ihren Präsenztagen einen freien Platz im Büro suchen müssen. Gerade große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind „Open Space“-Vorreiter.
Generell sehr hohe Wohlfühlwerte im Homeoffice
Auch wenn man es nicht allen recht machen kann, stimmen heute 82 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Homeoffice-Erfahrung, der Aussage „Alles in allem fühle ich mich wohl im Homeoffice“ (voll und ganz) zu. Das sind sogar 5 Prozentpunkte mehr als während der Pandemie. Überdurchschnittlich wohl fühlen sich erfahrene Mitarbeitende über 50 Jahre. Die Jüngeren bis 29 Jahren fühlen sich etwas weniger wohl. In der Lebenssituation der Jüngeren kommt vieles zusammen: Weniger Routine, häufigere Jobwechsel mit unzureichendem Onboarding oder begrenzter Wohnraum mit und ohne anspruchsvollem Nachwuchs.
Auch die Realität macht vor Homeoffice nicht halt
Trotz des hohen allgemeinen Wohlfühlwerts werden alle weiteren gemessenen Aspekte rund ums Homeoffice 2022 von den Mitarbeitenden etwas schlechter bewertet als noch 2021.
Es zeigen sich sinkende Tendenzen bei:
- der Zufriedenheit mit der technischen Ausstattung
- dem strukturierten Arbeiten
- dem ungestörten Arbeiten in Ruhe
- der reibungslosen und unmissverständlichen Team- und Projektkommunikation
- dem Vorhandensein aller nötigen Informationen
Wurde 2021 noch der persönliche Kontakt zum Team stark vermisst, haben sich heute die Befragten mit der Situation arrangiert. Auch dass die Führungskraft ihr Verhalten der Homeoffice Situation angepasst hat, wird weniger positiv von den Mitarbeitenden honoriert. Am persönlichen Befinden kann der hohe allgemeine Wohlfühlwert auch nicht liegen: Denn auch die Zufriedenheitswerte bei den Faktoren „sich die Arbeit im Homeoffice frei einteilen können“, „die eigene Arbeit als sinnvoll empfinden“ oder „das Gefühl, dass die Arbeit im Unternehmen wertgeschätzt wird“ liegen allesamt unterhalb der Werte von 2021. Lange Rede kurzer Sinn: Homeoffice ist im Alltag angekommen und muss sich im Daily Business immer wieder aufs Neue beweisen. Abstriche werden überall gemacht - besonders aber bei den sozialen Aspekten. Inwiefern sich Homeoffice auf die Mitarbeiterbindung auswirkt, wird spannend bleiben. Welche Rolle werden klassische Bindungsfaktoren wie die Zusammenarbeit im direkten Umfeld, die Unternehmenskultur und die Führungskräfte in Zukunft spielen, wenn der Kontakt weniger persönlich und der nächste Arbeitgeber nur einen Mouse-Klick entfernt ist? Dennoch, trotz dieser ersten Kratzer wollen die Unternehmen als auch die Mitarbeitenden Homeoffice nicht mehr missen.
Team-Building-Maßnahmen von Seiten der Arbeitgeber
Einige Betriebe haben diese sozialen Fliehkräfte erkannt und wollen mit Maßnahmen für mehr Teamspirit und zur Stärkung der Unternehmenskultur dieser Entwicklung entgegenwirken. Vier von zehn Befragten geben an, dass ihre Arbeitgeber Maßnahmen für die psychische und physische Gesundheit anbieten, extra Räume für kreative Teamarbeit eingerichtet haben oder regelmäßig Team-Building-Maßnahmen anbieten. Auch hier sind große Unternehmen wieder die Taktgeber.
Studiensteckbrief
Für die Homeoffice-Studie haben das Full-Service Marktforschungsinstitut IFAK aus Taunusstein und die Priotas GmbH, ein Spezialist für Mitarbeiterbefragungen mit Sitz in Köln, Mitarbeitende mit Homeoffice Erfahrung online befragt. Die Befragung fand Ende Oktober 2022 über das Bilendi & respondi Panel statt. Aus einer repräsentativen Quotenstichprobe von 1.600 Erwerbstätigen in Deutschland ab 18 Jahre in Voll- oder Teilzeit wurden diejenigen weiter befragt, die in den letzten vier Wochen an mindestens einem Tag im Homeoffice gearbeitet haben. So ergab sich eine Netto Stichprobe von N= 800 Berufstätigen, die innerhalb der letzten vier Wochen an mindestens einen Tag im Homeoffice gearbeitet haben.