Der Ausbildungsberuf FAMS qualifiziert nicht nur zur Projektleitung und reibungslosen Anwendung von Branchensoftware, FAMS können auch die Standesregeln wie im Schlaf und – mit entsprechender Erfahrung – Führungsaufgaben übernehmen. Claire Dengler hat es geschafft: von der FAMS zur Geschäftsführerin. Im Gespräch mit planung&analyse sagt sie, wie das ging.
„Claire Dengler rückt in die Geschäftsführung des Unternehmens Mindline Energy auf. Mindline Energy ist Teil der Mindline Group und hat einen Fokus auf Energieversorger und kommunale Dienstleister.“ Diese Nachricht kam planung&analyse kürzlich auf den Tisch. Alltagsgeschäft. Ungewöhnlich an der Mitteilung war jedoch folgender Satz: „Dengler ist seit über 13 Jahren in der Marktforschung tätig und begann mit einer Ausbildung zur Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung.“ Seien wir ehrlich: FAMS sind wichtig in Unternehmen. Das haben noch viel zu wenige Institute und Unternehmens-Abteilungen erkannt. Daher predigen nicht zuletzt die Verbände ADM und BVM den Ausbildungsberuf zu nutzen und regelmäßig Auszubildende einzustellen. Aber eine FAMS als Geschäftsführerin ist in der stark akademisch geprägten Branche doch eher selten. Grund genug Claire Dengler nach ihrem Berufsweg zu fragen.
Frau Dengler, Sie haben eine beeindruckende Karriere gemacht: von der FAMS zur Geschäftsführerin. Beschreiben Sie uns bitte Ihren bisherigen Berufsweg. Wie viele Kollegen bin auch ich eher zufällig in die Marktforschung „gerutscht“. Auf der Suche nach einem Nebenjob habe ich in einem Telefonstudio als Interviewerin angefangen. Dort habe ich dann bald als Supervisorin gearbeitet und schließlich die Ausbildungsstelle angeboten bekommen. Obwohl ich eigentlich einen ganz anderen Berufsweg im Sinn hatte, hatte ich mich zu dem Zeitpunkt schon so in die Marktforschung verliebt, dass ich dieses Angebot angenommen habe.
Die Institute sollten zu schätzen wissen, was FAMS tatsächlich während der Ausbildung lernen und sie auch entsprechend ihrer Fähigkeiten einsetzen
Claire Dengler
Nach der Ausbildung habe ich dann den klassischen Weg vom Assistant über den Projekt- & Seniormanager bis zum Director durchlaufen und dabei drei weitere Institute kennengelernt. Ich hatte dabei meist das Glück, Kollegen und Vorgesetzte zu haben, die mich nicht als erstes gefragt haben „Was hast du eigentlich studiert?“, sondern für die meine Arbeitsleistung an erster Stelle stand. Mit mindline energy habe ich einen Arbeitgeber gefunden, der flache Hierarchie nicht nur predigt, sondern wirklich lebt. Ob ich eine Ausbildung oder ein Studium absolviert habe, hat nie eine Rolle gespielt. Seit Beginn 2022 bin ich nun als Geschäftsführerin bei mindline energy tätig.
Future for FAMS
In Kooperation mit dem ADM hat planung&analyse eine ganze Serie von Interviews mit FAMS veröffentlicht.
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Würden Sie sich wieder für diesen Berufsweg entscheiden? Welche Vorteile sehen Sie persönlich für den Weg eines Ausbildungsberufes im Vergleich zum klassischen Einstieg in die Marktforschung über ein Studium der BWL, Soziologie, Psychologie oder ähnlichem? In unserer Branche scheint es immer noch so zu sein, dass das Studium einfach vorausgesetzt wird. Die meisten können sich gar nicht vorstellen, dass man auch ohne Studium in der Branche Karriere machen kann. Ich habe mich jedoch nach dem Abitur bewusst gegen den Weg des Studiums entschlossen. Ich wollte nach 13 Jahren Schule nicht weiterhin nur theoretisches Wissen sammeln, sondern endlich praktische Erfahrungen machen. Definitiv würde ich mich wieder für die Ausbildung entscheiden! Da ich selbst kein Studium absolviert habe, kann ich den Vergleich nicht aus eigenem Erleben ziehen. Ich habe jedoch bei meinen bisherigen Arbeitgebern viele FAMS ausgebildet und Mitarbeiter, die direkt aus dem Studium kamen, angelernt. Ich würde gar nicht sagen, dass eines besser ist als das andere. Sicher bringen Studenten (etwa der Psychologie oder Soziologie) mehr Hintergrundwissen mit, zum Beispiel im Bereich Statistik. Ein FAMS mit drei Jahren Erfahrung in der Ausbildung kann jedoch deutlich schneller direkt auf Projekten eingesetzt werden. Er/Sie hat einfach die Projektarbeit und die Abläufe in einem Institut bereits kennengelernt und kann auch meist die Branchensoftware bereits routinierter bedienen. Diese Skills sind meiner Erfahrung nach oft hilfreicher, um ein guter Marktforscher zu werden, als theoretisches Wissen. Und wenn wir einmal ehrlich sind: Wie viele von uns Führungskräften sind denn selbst Statistik-Gurus?
Welchen Stellenwert könnten oder sollten FAMS in Instituten und Unternehmen haben? Ich würde mir wünschen, dass FAMS in allen Instituten, in denen sie eingesetzt sind, den Stellenwert bekommen, den sie beispielsweise bei mindline energy haben. Die Institute sollten zu schätzen wissen, was FAMS tatsächlich während der Ausbildung lernen und sie auch entsprechend ihrer Fähigkeiten einsetzen. Dies gilt sowohl für Ausbildungsbetriebe, die FAMS nicht wie Bürokaufleute ausbilden sollten, aber auch für Unternehmen, die ausgebildete FAMS einstellen. Neben dem praktischen Know-how bringen FAMS auch durch die schulische Ausbildung viel nützliches Branchenwissen mit. Die Standesregeln sind zum Beispiel Prüfungsstoff, deshalb sind unsere Auszubildenen in dem Punkt oft auch Ratgeber für die anderen Kollegen, welche die Standesregeln vielleicht nicht im Schlaf runterbeten können. Dieses Spezialwissen kann ein Studium natürlich nicht vermitteln.
Was würden Sie den Schulen und Ausbildern im Nachhinein empfehlen. An welchen Stellen muss das Kurrikulum vielleicht ergänzt oder verändert werden? Von unserer Branche würde ich mir mehr Ausbildungsbetriebe für das Berufsbild wünschen. Ausbilden ist nicht mit großen Hürden oder wahnsinnigem Aufwand verbunden, wie manch einer vielleicht denkt. Außerdem bringen die Auszubildenen immer wieder neue Perspektiven ein (zum Beispiel aus der Generation Z) von der gerade wir Forscher profitieren. Zudem habe ich festgestellt, dass es auch für die anderen Mitarbeiter sehr motivierend wirken kann, jungen Menschen das eigene Fachwissen weitergeben zu können. Von den Berufsschulen würde ich mir wünschen, dass diese immer am Ball bleiben, die Lehrer sich weiterbilden und in die Branche hineinhören, um den Schülern auch wirklich den neuesten Stand der Forschung zu vermitteln. Aber hier müssen auch wir Praktiker unterstützen und ein wenig Einblick ermöglichen.
Vita Claire Dengler
2010-2013: Ausbildung zur Fachangestellten für Markt- & Sozialforschung (Knoche Marktforschung GmbH/ ForschungsWerk GmbH)
Internationale Zertifizierung der Ausbildung als Kauffrau International (European College of Business and Management (ECBM), London)
2013-2015: Projektassistentin (ForschungsWerk GmbH)
2016-2017: Projektmanagerin (ForschungsWerk GmbH/ Rogator AG/ mindline energy GmbH)
2018-2019: Senior Projektmanagerin (mindline energy GmbH)
2020-2021: Research Director/ Prokuristin (mindline energy GmbH)
seit 2022: Geschäftsführerin (mindline energy GmbH)
Wem würden Sie diese Ausbildung empfehlen? Neugierigen und kommunikativen Menschen mit hoher Eigenmotivation.
Was hat Sie nach der Ausbildung im Berufsalltag am meisten überrascht? Was begeistert Sie an dem Beruf der Marktforscherin? Überraschungen erleben wir Markforscher ja fast täglich. Und genau das begeistert mich an unserem Job. Wie wahrscheinlich die meisten von uns wollte auch ich nie „im Büro“ arbeiten, sondern einen Job haben, der jeden Tag anders ist. Und genau das habe ich jetzt – trotz Bürojob. Wir wissen meist am Morgen nie genau, wie sich ein Tag entwickelt, da Projektarbeit und die Dienstleistungsbranche einfach nicht zu 100Prozent planbar sind. Genau das macht es so spannend und abwechslungsreich. Darüber hinaus habe ich einfach gerne Kontakt mit Kunden und bin „Problemlöserin“. Gemeinsam mit den Kunden eine harte Nuss zu knacken und vielleicht auch einmal ungewöhnliche Wege zu gehen, macht mir dabei am meisten Spaß.