Von dem Vorhaben dieses Beitrag erfuhren Leser des Forsa-Newsletters bereits vor einigen Wochen. Denn die Fragen, die das Handelsblatt an das Institut Forsa geschickt hatte, wurden samt Antworten dort abgedruckt, ein ungewöhnlicher Vorgang. Auch Civey warnte planung&analyse als Presse vorab: „Da kommt was“, das hingegen ist üblich. Daher war die Spannung groß. Heute Morgen lesen wir also auf Seite 32 im Handelsblatt und mittlerweile auch Online (im Abo) den Artikel des Kollegen Michael Scheppe. Das sollten Sie auch tun, ist interessant. Nur einige Punkte wollen wir hier beleuchten.
Auch wenn nicht mehr so laut ausgetragen, die Streitigkeiten halten an. Scheppe fokussiert sie auf das Verhältnis zwischen Manfred Güllner (81), Geschäftsführer von Forsa, und Janina Mütze (32), Geschäftsführerin von Civey. Und sie werden in der Tat immer bizarrer. Zuletzt soll Mütze eine Abmahnung erhalten haben, weil sie in einem Handelsblatt-Podcast behauptet hatte, Güllner sei „in Rente“. 20 rechtliche Auseinandersetzungen habe es in den vergangenen vier Jahren gegeben. Eines der wenigen Verfahren, welches Civey angestrengt hat, soll Güllner untersagen von Civey als einem „gefährlichen Gaunerhaufen“ zu sprechen – das war 2017 – läuft noch in zweiter Instanz. Einige Prozesse, die Forsa angestrengt hat, hat Civey verloren, einige andere sind noch anhängig.
Ein Detail hat der Handelsblatt-Kollege recherchiert, das viele in der Branche interessieren dürfte: Hinter dem anonymen Häme-Twitter-Account Civey-Watch soll eine Person stecken, die studentische Hilfskraft bei Civey und zuvor auch bei Forsa war. Ob das stimmt, ist unklar. Der Account ist etwas leiser geworden, aber noch aktiv.
Der Kollege kommt natürlich nicht umhin, auch die Methode, die Vorgehensweise der beiden streitenden Institute zu beschreiben. Ein schwieriges Unterfangen. Hierbei wird es dann leider etwas ungenau.
Die traditionelle Meinungsforschung beschreibt er so: „Die Teilnehmer für ihre Umfragen rekrutieren sie (die klassischen Institute wie Forsa und andere) in der Regel durch Telefonbefragungen über Festnetzanschlüsse. Das ist mühsam: Die Institute betreiben teure Callcenter, von zehn angerufenen Personen macht in etwa eine mit.“
Das ist korrekt, aber nicht vollständig. Natürlich nutzt jeder der anerkannten Meinungsforscher auch Handy-Daten nach dem Dual-Frame-Verfahren des ADM. Man kann diskutieren, ob und wie lange das noch zeitgemäß ist, aber weiß man dies, ist die Kluft zur reinen Online-Forschung nicht mehr so krass.
Über Civeys Methode schreibt er: „Nutzer können bei Civey-Umfragen schon abstimmen, wenn sie Namen, Wohnort und Geschlecht angeben. Betrug und Mehrfachabstimmungen sind einfach möglich. Ein Algorithmus würde Widersprüche erkennen und entsprechende Stimmen nicht werten, verspricht das Start-up.“
Hier rutscht jedem Forscher das Herz in die Hose. „Betrug und Mehrfachabstimmungen sind einfach möglich“???
Hier wird wieder auf das River-Sampling rekurriert. Diese Ansicht, dass Civey alle Leute in die Stichprobe nimmt, deren sie (online) habhaft werden kann, die halt auf den Seiten der eingebundenen Medien surfen und sich angesprochen fühlen (Selbstrekrutierung), hält sich hartnäckig. Es mag sein, dass dies in der Vergangenheit so war. Civey existiert seit 2015. Die heutige Beschreibung der Methode auf der Webseite klingt eher nach einem Online-Access-Panel: Rekrutierung überall, Verifizierung der Teilnehmer, quotierte Stichproben, Gewichtung.
Die erste Befragung, die ein User beantwortet, der Köder sozusagen, werde nicht in Umfragen berücksichtigt, heißt es von Civey. Keine Zufallsstichprobe – das steht fest –, aber auch kein Hokuspokus. Das Wort verwendet Frank Brettschneider, der als Experte vom Handelsblatt zitiert wird. Er ist Kommunikationswissenschaftler und sagt: „Die Ergebnisse der Civey-Umfragen sind weder repräsentativ, noch sind sie völliger Hokuspokus.“
Zum Thema Repräsentativität würden wir gerne auf einen Artikel aus dem Jahr 2018 verweisen. Es ist ein Leserbrief, den Prof. Raimund Wildner auf ein Interviewvon planung&analyse mit Prof. Rainer Schnell geschrieben hat: „Zufallsstichproben nach der wissenschaftlichen Definition sind eine Illusion.“ Heute immer noch aktuell.
Hier geht es zum lesenswerten Artikel im Handelsblatt.