Disruption für Studios und qualitative Forschung

„Kunden haben qualitative Online-Forschung entdeckt“

Patricia Blau, GIM Managing Partner
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Patricia Blau, GIM Managing Partner
Patricia Blau ist Moderatorin und Coporate Director bei der Gesellschaft für innovative Marktforschung GIM. Sie ist begeistert von Online-Forschung. Sagt aber auch sehr klar: Alles geht nicht. Man brauche eine gewisse Physis der Teilnehmer und die ist nur in Studios darstellbar.
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Braucht man noch Live-Gespräche im Studio für die qualitative Forschung? Je nach Fragestellung definitiv. Das Thema Kommunikation ist ja nur eine Facette in so einem Gespräch. Es gilt mindestens zwei weitere Aspekte zu beachten: Die Wahrnehmung des Gesprächspartners und die Methode. Spätestens, wenn ich eine Verpackungsfragestellung habe, die auf die ganzheitliche Gestaltung oder die Haptik abzielt, bin ich darauf angewiesen, dass der Konsument die Verpackung fühlen und berühren kann.

Kann man die Verpackung den Leuten nicht nach Hause schicken und anschließend mit ihnen im Video-Call sprechen? Ja, aber in vielen Setups ist das nicht möglich, weil Verpackungs-Dummies von Hand gemachte Einzelstücke sind, die im Studio wie der heilige Gral gehütet werden. Die kann man nicht durch die Gegend schicken. Zudem möchte man oft das spontane Erleben und Handling beobachten. Das geht online teils auch – aber man muss zumindest hinterfragen, wie authentisch eine sehr bewusste Präsentation von Handling vor der Web-Cam ist.

Mehr dazu in Heft 3/20 von planung&analyse
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Dieses Interview entstand im Rahmen der Recherche für die Titelgeschichte von Heft 3/20 von planung&analyse. Es geht um die Situation der Studiobetreiber, aber viel mehr um die Disruption, die Corona in diese Branche aber auch in die qualitative Forschung getrieben hat. Das Heft erscheint am 20. August und kann hier bestellt werden.
Und welche Methoden kommen ohne Studio zu kurz? Ich bin eine große Verfechterin der Online-Methoden. Trotz allem sind dem Grenzen gesetzt. Etwa bei manchen kreativen Methoden, komplexeren Fantasiereisen, Familienaufstellungen oder tiefenpsychologischen Methoden. Davon kann man einen Teil online abbilden. Aber nur einen Teil. Und dann muss man überlegen, wie relevant der fehlende Teil für das Studienergebnis ist.

Wie hat sich Ihre eigene Arbeitsweise durch Corona und die Ausweitung der qualitativen Online-Forschung geändert? Zuvor habe ich etwa 30 Prozent Online-Gespräche geführt, jetzt etwa 50 Prozent. Kunden haben die Bequemlichkeit von Online-Forschung für sich entdeckt.

Wie unterscheidet sich ein Gespräch, ob es online geführt wird oder live? In einem Online-Gespräch 1:1 bekommt man schon einen sehr guten Eindruck des Gesprächspartners. In einer Gruppe ist das insgesamt schwieriger. Es geht aber nicht nur darum, was ich als Moderatorin mitbekomme, sondern auch wie entspannt oder unentspannt die Teilnehmer dabei sind. Das hängt von der Persönlichkeit und der Technik-Affinität ab. Und, egal wie gut vorbereitet, es kann bei Online auch mal Leitungsprobleme geben, die die Kommunikation darüber hinaus stören. Das versucht man natürlich durch entsprechende Rekrutierung und Technikchecks abzufedern. Dennoch: Es gibt Interviews, da würde ich die Einbußen als vernachlässigbar einordnen, bei andern ist der Verlust höher und man muss eventuell das Interview nachholen.

Wenn es keine Studios mehr gäbe, wäre das ein Verlust?Das wäre definitiv ein Verlust! Es würde ein Teil der Konsumenten und des methodischen Repertoires abgeschnitten. Natürlich kann man das durch andere Methoden zum Teil ausgleichen und tolle neue Ansätze entwickeln. Es gibt aber einfach Themen, für die man eine gewisse Physis benötigt.

Zum Firmenprofil der GIM im planung&analyse mafonavigator >>




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