Haben Sie ein Beispiel für eine solche Entscheidungsverzerrung für uns? Vieles was Menschen tun, erscheint uns auf den ersten Blick irrational. Es macht jedoch für das Individuum durchaus einen nachvollziehbaren Sinn. Die Erkenntnisse der Behavioral Economics darüber wie Menschen wahrnehmen und entscheiden und insbesondere welche Heuristiken sie dabei verwenden ist der Schlüssel, um dieses scheinbar irrationale Verhalten zu dechiffrieren. So führt etwa der Present Bias bei vielen Menschen dazu, das kurzfristige Vorteile viel stärker wiegen als große Nachteile in der Zukunft. Das ist beispielsweise einer der Hauptgründe dafür, dass wir uns als Menschheit einigermaßen schwertun, uns für die Umwelt einzusetzen. Es ist anspruchsvoll, heute auf das Auto oder die Flugreise zu verzichten, damit künftige Generationen ein besseres Leben auf der Erde haben. Dieses Problem lässt sich nicht „rational“ über mehr Aufklärung lösen, sondern der zukünftige Nutzen oder den Schaden muss im Moment der Entscheidung im Jetzt erlebbar werden. Letztlich können wir das Kauf- oder Nutzungsverhalten nur zum Positiven verändern, wenn wir wissen, wo wir psychologisch ansetzen können.
Sind Ihre Auftraggeber leicht von der Anwendung der Behavioral Economics zu überzeugen? Wir machen die Marktforschung für das Marketing oder die Unternehmensführung. Diese Menschen haben die Aufgabe „reale“ Dinge, Maßnahmen zu entwickeln und zu entscheiden. Es geht darum eine Werbekampagne zu machen, oder nicht zu machen, ein neues Produkt zu entwickeln, zu gestalten und zu vermarkten. Alle diese Maßnahmen haben das Ziel, letztlich das Verhalten des Kunden zu verändern, oder zu stabilisieren. Wenn wir ignorieren, dass Menschen eben nicht immer rational entscheiden und als Forscher beispielsweise Dinge erfragen, die den Menschen nicht bewusst sind, erhalten wir Rationalisierungen, die meist wenig hilfreiche Aussagen über das zukünftige Verhalten beinhalten. Was die Auftraggeber angeht, da profitieren wir insbesondere davon, dass die Phänomene gut dokumentiert sind, jeweils einen Namen haben und sich auch den in der Regel von KPI-Zielen stark geprägten Menschen höherer Managementebenen gut vermitteln lassen. Wir haben beispielsweise ein Kartenset mit den wichtigsten Entscheidungsverzerrungen entwickelt, das man als Ausgangsbasis für die Thesenbildung nehmen kann.
Was können Zuschauerinnen und Zuschauer vom Deeper Insights Day mit StraightONE erwarten? Am kommenden Deeper Insight Day geben wir einen genauen Einblick wie man mit dem Customer-Thinking-Ansatz durch eine Verbindung von Behavioral Economics, Agiler Forschung und Design Thinking zu erfolgreichen, weil kundenzentrierten Lösungen kommt. Customer Thinking beruht auf zwei Phasen: Die Diagnosephase, in der wir die wesentlichen Treiber des Verhaltens identifizieren um darauf basierend schneller zu erfolgreichen Lösungen zu kommen. Aber menschliches Entscheiden und Verhalten bleibt aufgrund der Kontexteinflüsse letztlich immer komplex. Deshalb spielen in der nachfolgenden Solutionphase Experimente, in denen wir realitätsnahe Wahrnehmungs- und Entscheidungsmomente simulieren, eine große Rolle. Dafür nutzen wir ganz klassische experimentelle Forschungsdesigns. Allerdings sieht die Umsetzung im Detail etwas anders aus. Da wo wir früher unterschiedliche Verbalkonzept gezeigt haben und gefragt haben, ob Menschen das „Produkt“ kaufen würden, simulieren wir jetzt den ersten Kontakt mit einer Produktidee etwa anhand einer Landingpage. Das heißt, wir wählen einen wesentlichen Touchpoint aus der Path-to-Purchase-Journey aus und messen darauf basierend die Handlungsinduktion. Also nicht in erster Linie die Kaufbereitschaft, sondern beispielsweise den Anreiz auf den „Weiter-Button“ oder „Kaufen-Button“ zu klicken. Dieses Ergebnis hilft uns zu unterscheiden welche Idee besser ist. Behavioral Economics hilft im Kontext von Marktforschung eine kundenzentrierte Unternehmensführung zu realisieren. Darauf werden wir in dem Onlineseminar DID im Detail eingehen.