Die Verpackung ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Produktes. Auf was müssen Entwickler und Markenhersteller achten?
Felicitas Linhardt: Ein Verpackungsdesign sollte vor allem im Regal auffallen und sich vom Wettbewerb differenzieren. Außerdem sollte sie eine gute Guidance bieten, das heißt die wesentlichen Produktvorteile sollten klar kommuniziert werden und schnell zu erfassen sein. Dabei spielen nicht nur die Texte auf der Verpackung eine Rolle, sondern vor allem auch visuelle Elemente, die schnell und unbewusst verarbeitet werden, wie Bilder, Farben und Formen. Bei Verpackungs-Relaunches etablierter, erfolgreicher Produkte ist es außerdem wichtig, dass die aktuellen Käufer der Marke (oder noch konkreter: des Produktes) „ihr“ Produkt weiterhin im Regal finden und erkennen. In diesem Fall sollten die Design-Veränderungen also eher evolutionärer Natur sein.
Ein Verpackungsdesign sollte jedoch nicht nur am Regal, sondern auch darüber hinaus gut funktionieren. Hat ein Konsument ein Produkt gekauft, ist das Produkt und dessen Verpackungsdesign ein ständiger Touchpoint zwischen Konsument und Marke – zumindest bei Produkten, die üblicherweise längere Zeit in ihrer Verpackung zu Hause stehen, wie etwa Duschgel oder Zahnpasta. In dieser Phase spielt neben einer guten Funktionalität weiterhin auch die Optik der Verpackung eine Rolle. Längerfristig gesehen kann über das Verpackungsdesign auch das Image einer Marke – oder zumindest bestimmte Teilbereiche davon – beeinflusst werden.
Wie testen Sie, ob die Verpackung im Regal ausreichend auffällt und sich vom Wettbewerb unterscheidet?
Linhardt: Dass die Verpackung wahnsinnig auffallend ist und sich vom Wettbewerb unterscheidet, ist gar nicht das wichtigste, würden wir sagen oder zumindest reicht es allein nicht aus. Viel wichtiger ist, ob die (potenziellen) Käufer die Marke schnell erkennen. Das mag ein feiner Unterschied sein, aber zum Beispiel eine Packung einfach ‚pink‘ zu machen, wäre zwar vom Wettbewerb differenzierend, hilft aber den Verkäufen überhaupt nicht, wenn die Farbe pink nicht in den Köpfen der Leute mit der Marke verknüpft ist.
Wir gehen folgendermaßen vor: Wir testen Verpackungsdesigns stets im Regalumfeld. Im Falle von Online-Umfragen handelt es sich dabei um virtuelle Regale, die von uns erstellt werden. Für eine realistische Anmutung zeigen wir die Regale eingebettet in ein kategorie-spezifisches Store-Umfeld und bieten den Befragten intuitiv bedienbare Navigationsmöglichkeiten (zum Beispiel Zoom-In und Detailansicht der Produkte). Am Regal messen wir das Verhalten der Konsumenten entlang des Shopper Funnels, um so die übliche reale Annäherung an ein Regal möglichst gut abzubilden. Dazu zeigen wir das Regal sowohl aus verschiedenen Distanzen als auch für unterschiedlich lange Zeiträume und erheben etwa den Marken-Recall, die spontane Attraktivität einer Verpackung im Wettbewerbsumfeld sowie die Kaufaktivierung generell und bezogen auf bestimmte Benefits des Produktes. Dadurch erhalten wir ein umfassendes Bild davon, wie gut das Verpackungsdesign einer Marke am POS funktioniert, wie gut es im Vergleich zum Wettbewerb abschneidet und an welchen Stellen des Shopper Funnels vielleicht Verbesserungspotenzial besteht. Für ein tieferes Verständnis und um die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten – also „Warum aktiviert das Design der Marke X am Regal mehr Konsumenten zum Kauf als das der Marke Y?“ – folgt eine implizite und explizite Bewertung des Verpackungsdesigns. Hier fokussieren wir uns mehr auf die zu erforschende Marke bzw. das zu erforschende Verpackungsdesign, integrieren jedoch auch die wichtigsten Wettbewerber-Marken bzw. -Verpackungsdesigns als Benchmarks.
Wie kann Künstliche Intelligenz helfen, die Verpackung zu optimieren?
Natascha Knipping: Die brainsuite von Aimpower ist eine Softwareplattform, die mittels künstlicher Intelligenz und „Predictive Eyetracking“, die wahrscheinliche Verteilung der Aufmerksamkeit seitens der Konsumenten auf Verpackungsdesigns und im Regalumfeld vorhersagt. Zudem werden weitere Metriken, etwa zu transportierter Stimmung und aktivierender Text- und Bildsprache ausgegeben. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die „objektive“ implizite Wahrnehmung des Verpackungsdesigns, ohne dass eine konkrete Instruktion befolgt wird.
Mit unseren Umfragen erfassen wir zudem das tatsächliche Verhalten und die Reaktionen von Konsumenten auf Verpackungsdesigns in einem realitätsnahen Kontext. Hierbei berücksichtigen wir den Kontext spezifischer Regalumfelder, sowie individuelle Präferenzen und die Markenbekanntheit der befragten Konsumenten bei gezielten Kaufaufgaben - also z.B., wenn wir Befragte auffordern, ein für sich persönlich passendes Produkt auszuwählen. Durch die Berücksichtigung dieser Faktoren können wir ein umfassendes Verständnis über die tatsächliche Effektivität von Verpackungsdesigns entwickeln.
In Ergänzung zu unseren Befragungsdaten bietet die brainsuite entsprechend ein starkes diagnostisches Tool, um das „Warum“ hinter dem gemessenen Verhalten noch besser zu verstehen und auf „objektive“ Wahrnehmungsunterschiede zurückzuführen. Die Metriken ermöglichen es, z.B. zu analysieren, ob wichtige Elemente ausreichend Aufmerksamkeit erhalten und ob transportierte Stimmung und emotionale Botschaften mit der angestrebten Produktpositionierung übereinstimmen. Auf dieser Grundlage können wir noch besser konkrete Empfehlungen zur Optimierung eines Verpackungsdesigns ableiten, z.B. hinsichtlich Hierarchie, Schriftgröße, Formen, Farbgebung und -kontraste.
Was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Deeper Insights Day von mindline und aimpower erwarten?
Knipping: Den Teilnehmenden des Webinars möchten wir einen Eindruck von unserer Methode vermitteln sowie mögliche Einsatzfelder aufzeigen. Wir freuen uns sehr mit Aimpower einen Partner gefunden zu haben, mit dem wir KI mit unserem Befragungsansatz kombinieren können und so auch den konkreten Nutzen von KI am Beispiel von Verpackungsdesigns anschaulich zu machen. Zusammen mit Julia Saswito geben wir anhand von Fallbeispielen Einblicke in Analysen und Ergebnisse und wie die Metriken der „brainsuite“ sich in unsere Methode einpassen – und natürlich, wie wir daraus konkrete Empfehlungen für die Designoptimierung ableiten. Darüber hinaus werden wir die Ergebnisse eines Methoden-Vergleichs zwischen „Webcam-Eyetracking“ und „Predictive Eyetracking“ skizzieren.