Die Langzeitdiskussion über die berufliche Gleichstellung der Geschlechter
entzündet sich zumeist an den Gehältern und am Anteil von Männern und Frauen in
Führungsfunktionen. Wie aber steht es eigentlich mit der Grundhaltung beider Seiten
zum Beruf und der Aufstiegsorientierung?
Was sich die Menschen hierzulande am allermeisten wünschen, sind (von nahezu 80
Prozent der Erwachsenen genannt) gute Freunde und Bekannte. Das Bedürfnis nach
sozialer Harmonie hat sogar einen höheren Stellenwert als das von 66 Prozent
erwähnte Verlangen nach existentieller Absicherung.
Von sehr großer Bedeutung ist es für die Bevölkerung überdies, ein ausgeglichenes,
ruhiges Leben führen zu können, gut zu verdienen und beruflich erfolgreich zu sein.
Fast gleichrangig mit dem beruflichen Erfolg bewertet man allerdings auch die
Aussicht auf genügend Freizeit und wenig Überlastung durch Arbeit, ferner die
Möglichkeit, sich eigenen Besitz zu schaffen, ein freies Leben ohne Zwang zu führen,
nette Arbeitskollegen zu haben und von anderen Menschen respektiert zu werden.
Vergleichsweise schwach ausgeprägt ist (mit 32 Prozent) der Wunsch nach
Selbständigkeit im Beruf. Am allerwenigsten ist es den Österreichern um einen
Einfluss im öffentlichen Leben getan. Lediglich für 16 Prozent bedeutet die Ausübung
politischer Macht eine verlockende Vorstellung.
Nur wenige der angestrebten Ziele empfindet die Bevölkerung als bereits erreicht.
Ziemlich gesättigt ist (mit Hinweisen von 68 Prozent ) allenfalls das Verlangen nach
guten Freunden und Bekannten. In vielen anderen Fällen besteht jedoch eine große
Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Am ausgeprägtesten sind die
Erfüllungsdefizite hinsichtlich des Bedürfnisses nach sozialer Sicherheit und gutem
Verdienst, (jeweils minus 37 Prozent) einem Leben im Wohlstand (- 28 Prozent) und
beruflichem Erfolg (- 27 Prozent).
Zielvorstellungen von Männern und Frauen
Die Bewertung der Lebensziele unterscheidet sich innerhalb der Geschlechter in
einigen Punkten recht deutlich. Bereits den Prozentsummen aller Nennungen ist zu
entnehmen, dass Männer grundsätzlich etwas höhere Ansprüche an das Leben
stellen, als die weibliche Bevölkerung. Genau genommen gibt es nur drei
Problembereiche, in denen die Wünsche der Frauen sehr klar über jenen der Männer
liegen, nämlich im Verlangen nach einem guten Bekanntenkreis, der Erwartung, ein
ausgeglichenes, ruhiges Leben führen zu können und in punkto sozialer Sicherheit.
Im Vergleich dazu richtet sich das Denken der Männer erheblich stärker auf Dinge,
die direkt oder indirekt mit beruflichem Vorwärtskommen zu tun haben, nämlich: „Gut
verdienen“ und „Erfolg im Beruf“ (jeweils +10 Prozent), sowie „eigenen Besitz
schaffen“ und „Selbständigkeit im Beruf“ (jeweils +7 Prozent).
Erreichte Zielsetzungen von Männern und Frauen
Besonders aufschlussreich ist die Nachschau nach den bereits erreichten Zielen,
insbesondere bei der berufstätigen Bevölkerung. Man stellt dabei fest, dass die
Männer durchwegs häufiger auf die Verwirklichung von beruflichen Erwartungen
verweisen können als Frauen.
Dazu kommt, dass die berufstätigen Männer um 7 Prozentpunkte häufiger als die in
Arbeit stehenden Frauen über genügend Freizeit und geringe Überlastung berichten
können.
Intensitässkala der Berufs- und Aufstiegsorientierung
Aufgrund der vorangehend dargestellten Befunde besteht wenig Zweifel, dass sich
die weibliche Bevölkerung im Berufsleben benachteiligt fühlt. Unbestreitbar ist aber
auch, dass Frauen den beruflichen Perspektiven eine nicht ganz so große
Bedeutung beimessen wie es die Männer tun. Der statistische Nachweis dafür ergibt
sich aus einer vom IMAS erstellten Intensitätsskala, bei der die berufsbezogenen
Antworten als Skalenbedingungen aufgefasst wurden. Aufgrund der Häufigkeit der
„erfüllten“ Bedingungen lassen sich Rückschlüsse auf die Intensität von Berufs- und
Aufstiegsorientierung ziehen.
Die Skalenanalyse führte zur Erkenntnis, dass von den berufstätigen Männern 38
Prozent, von den berufstätigen Frauen hingegen nur 30 Prozent eine sehr starke
Berufsorientierung (mit zumindest vier erfüllten Skalenbedingungen) aufweisen. Bei
40 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen ist die Berufsbezogenheit in
mittlerer Ausprägung vorhanden. Äußerst schwach ist sie bei 22 Prozent der Männer
und 25 Prozent der Frauen.
Innerhalb der demografischen Gruppierungen sind es die Angehörigen der
Generation unter 30, die sich grundsätzlich am stärksten mit beruflichen Aspekten
beschäftigen, wobei dieses Verhalten bei jungen Männern (mit 46 Prozent) noch
erheblich häufiger nachzuweisen ist als bei jungen Frauen (34 Prozent).
Darüber hinaus zeichnen sich in der männlichen Bevölkerung vor allem die Personen
mit höherer Schulbildung durch sehr intensive berufliche Zielsetzungen aus. Von
ihnen erfüllten 41 Prozent zumindest vier der Skalenbedingungen, die Angehörigen
der einfachsten Bildungsschicht taten dies dagegen nur zu 24 Prozent.
Auch wenn diese Daten für Österreich erhoben wurden, so lässt sich eine Übertragung auf Deutschland annehmen.