Startups in der Marktforschung

Auf den Affen gekommen

Jonathan Mall, Gründer Neuro Flash
Neuro Flash
Jonathan Mall, Gründer Neuro Flash
Mit Neuroscience und Big Data will Neuro Flash Unternehmen in kurzer Zeit zu Entscheidungen für Design, Name, Werbung von Marken verhelfen
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Die besten Geschichten schreibt doch das Leben. Jonathan Mall wurde eine solche geschenkt, als er im Londoner Zoo einen Vortrag hielt und es plötzlich hieß, „der Gorilla ist entlaufen“. Stimmte zwar nicht – er lag in der Futterzone seines Käfigs und schlief –, aber die Story war per Tweet schneller in der Welt als das Dementi.

Mall brachte dies nicht nur eine Menge Publicity – Presse, Funk und Fernsehen meldeten sich bei ihm –, sondern auch ein neues Logo für sein junges Unternehmen. Der Kopf eines Gorillas steht nun für Neuro Flash. Auf der Webseite in Metamorphose mit der Silhouette eines menschlichen Kopfes. Der Affe erinnert nicht nur an das Erlebnis im Zoo, sondern daran, wie sehr man sich von Gehörtem oder Gesehenem beeinflussen lässt. Ein Bild im Kopf lässt sich nicht so leicht abschütteln, lenkt Denken und Handeln. Mall nennt es Priming. Um deutlich zu machen, wie der Mechanismus funktioniert, zeigt Mall gerne zwei Bilder und anschließend ein Wort mit drei Buchstaben und einer Lücke, die zu vervollständigen ist. Wer Gemüse und einen großen Topf auf einem Bild sieht, ergänzt SOP spontan zu SOUP. Wer vorher eine Zahnbürste und ein Badezimmer auf dem Bild gesehen hat, ergänzt SOAP. Solche und ähnliche kognitive Experimente werden bei Neuro Flash durchgeführt, um herauszubekommen, welcher Markenname am besten passt, welches Design ideal ist oder welche Werbung die Message optimal rüberbringt.


Anders als man es von einem Neurowissenschaftler erwartet, werden keine Geräte eingesetzt, keine Hirnströme oder Gesichtsmuskeln vermessen, sondern es werden Panelteilnehmer befragt. Aber nicht die Präferenz für Produkt A oder B wird ermittelt, sondern die Assoziationen, die man mit dem Konzept des Produktes verbindet. An der Universität von Kalifornien in Berkeley haben Neurowissenschaftler gezeigt, dass Wörter bei verschiedenen Menschen an ähnlichen Orten im Gehirn abgelegt werden und dieses aktivieren, wenn das Wort wahrgenommen wird. Daran orientiert sich Neuro Flash.

In einem Priming-Test zeigt man einem Konsumenten für den Bruchteil einer Sekunde ein Bild und es wird geschaut, mit welchen Assoziationen er reagiert. Als Vergleich wird der Test ohne vorhergehendes Priming durchgeführt. „Jedes Marke besitzt ein einzigartiges Profil im semantischen Netzwerk eines Menschen“, erklärt Mall. Dies hängt von den gesamten Erfahrungen, die man mit der Marke gemacht hat, ab – etwa durch Verwendung, Empfehlung oder in der Werbung. Ein anderes implizites Messverfahren, das Mall verwendet, ist der Implicit Association Test (IAT). Hier wird erfasst, wie stark eine Person zwei Konzepte miteinander verbindet, das heißt, wie nah diese semantisch beieinander liegen. Im Ergebnis kann damit die implizite Bedeutung der Marke dargestellt werden. Neuro Flash misst die unbewussten Reaktionen und Meinungen von Konsumenten.

Unter anderem Beiersdorf und Unilever haben Neuro Flash getestet, das alle Kriterien erfüllt, die ein Startup in der Marktforschung braucht: online, schnell und preiswert. Letzteres hängt wohl vor allem mit der Organisationsstruktur zusammen. Natürlich macht CEO Jonathan Mall nicht alles allein. Für ein Startup, das nicht mal zwei Jahre besteht, hat er sogar schon ein recht großes Team von 13 Mitarbeitern, die in der ganzen Welt verstreut arbeiten, aufgebaut. Es gibt kein Büro und auch keinen Kicker bei diesem Startup. Konferenzen werden mit dem Programm Teamspeaker durchgeführt. In einem Film sieht man Jonathan Mall auf einem Laufband stehen und am PC arbeiten: das Walking Office. Er brauche diesen Ausgleich oder auch Yoga, Meditation und Musizieren, um weiterhin kreativ zu bleiben. Auch das Social Profiling, das seit dem Wahlkampf in den USA Furore macht, gehört zum Instrumentarium von Neuro Flash. „Wir machen Social Profiling mit mehreren Tausend Konsumenten. Das sind qualitativ hochwertige Daten, speziell für Konsumgüter zugeschnitten.“

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Erschienen
in planung&analyse 2/2017
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