Moral ist mehr als die Beachtung
bürgerlicher Gesetze und Verordnungen. Dass man seine Eltern achten und ehren
soll, steht in der Heiligen Schrift, aber ansonsten in keinem Gesetzbuch.
Das Gegenteil
kommt vor und ist nicht verboten: dass Töchter und Söhne ihre Eltern verachten.
Aber immer weniger Menschen haben dafür Verständnis. 79 Prozent der Bevölkerung
betonen, dass das für sie unter keinen Umständen akzeptabel ist.
Dieser große Konsens in der Bevölkerung ist nicht selbstverständlich, sondern erst
in den letzten Jahren entstanden. Noch vor wenigen Jahren sah man die Sache
durchaus relativer. Damals (im Jahr 2000) sahen nur 65 Prozent in der Verachtung
der Eltern ein bedingungsloses Tabu. Die Liste von Einstellungen und Verhaltensweisen, die die große Mehrheit der Bevölkerung
rigoros ablehnt, ist lang. 76 Prozent halten es unter keinen Umständen für
akzeptabel, wenn jemand mit zu viel Promille Auto fährt. In Ostdeutschland (91
Prozent) ist Alkohol am Steuer noch verpönter als in Westdeutschland (72 Prozent). Im Laufe der 80er Jahre hatten zahlreiche Menschen ihre Einstellung gegenüber dem
Gewaltmonopol des Staates relativiert. Dass man gegen die Polizei auf keinen Fall
handgreiflich werden darf, meinten 1990 nur 40 Prozent der Westdeutschen. Quer
durch die 90er Jahre bis in die Gegenwart ist die Einsicht in den Sinn des staatlichen
Gewaltmonopols inzwischen wieder erstaunlich groß geworden, 75 Prozent der Bevölkerung
sehen inzwischen darin eine unabdingbare Norm, deren Verletzung sie auf
keinen Fall zu billigen bereit sind.
Auf ähnlich breite Ablehnung stößt der Genuss von Drogen wie Marihuana oder Haschisch.
74 Prozent betonen: "Auf keinen Fall". 73 Prozent lehnen auch jegliches
Verständnis ab für jemanden, der im Kaufhaus irgendwelche Kleinigkeiten stiehlt. Auf der Liste der von der Bevölkerung tabuisierten Verhaltensweisen steht neben der
privaten Müllentsorgung in der Natur (73 Prozent) oder einer die Wohnwelt verschandelnden
Graffiti-Sprüherei (71 Prozent) vor allem auch der Sozialbetrug: Wenn
jemand unberechtigt Krankengeld, Arbeitslosengeld oder andere soziale Vergünstigungen
in Anspruch nimmt. Auch hier sagen 71 Prozent: "Das darf man auf keinen
Fall." Mitte der 90er Jahre sagten das erst 64 Prozent.
Sozialbetrug ist Betrug am Steuer- und Beitragszahler, also Betrug an mehr oder weniger
jedem. Vielen scheint das klar zu sein, und sie lehnen es ab. Dass Schwarzarbeiten
das Sozialsystem mindestens ebenso beträchtlich schädigt, ebenso Betrug am
Steuer- und Beitragszahler ist, scheint die Bevölkerung nicht im gleichen Maße vor
Augen zu haben. Jedenfalls betrachtet nur jeder Vierte (25 Prozent) die Schwarzarbeit
als ein Verhalten, das unter keinen Umständen zu billigen ist. Manch einer wird
Schwarzarbeit eher als schöne Möglichkeit sehen, sich nebenher etwas zu verdienen,
oder auch billiger privat eine Arbeit erledigt zu bekommen.