In sozialen Netzwerken sind Live-Streams nicht nur sehr beliebt, sie werden auch dreimal länger gesehen als normale Videos und zehnmal häufiger kommentiert. Für das Marketing bieten sie weitreichende Möglichkeiten. Niklas Kuhagen von IKM hat das Phänomen untersucht.
Das Angebot und die Nutzung im Internet von Streams stieg in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an. Laut einer Prognose des Technologieunternehmens Cisco wird das Betrachten von Videos bis 2020 mehr als 80 Prozent des Verbraucher-Internet-Traffics ausmachen. Streams dominieren die sozialen Netzwerke und es gilt nicht nur mehr „Content is King“, sondern vielmehr „Video is King“. Facebook-Nutzer streamen pro Tag ganze 100 Millionen Stunden. Seit Dezember 2016 werden zusätzlich 360° Streams angeboten. Der Zuschauer kann, sofern er eine Virtual Reality Brille besitzt, komplett in das Geschehen eintauchen. Aber auch ohne Spezialbrille kann man sich via Maus um 360° drehen und umschauen.
Niklas Kuhagen
hat sein Studium mit dem Bachelor of Arts in Business (Media Management) abgeschlossen und ist Project Manager bei der IKM GmbH in München.
Ein großer Trend in diesem Bereich sind Live-Videos, sei es im privaten Umfeld über das Smartphone hochgeladen oder auf offiziellen Unternehmensseiten mit professionellen Broadcast-Equipment. Plattformen wie YouTube, Facebook oder Periscope bieten Nutzern und Unternehmen an, in Echtzeit Videos hochzuladen. Facebook gibt an, dass jeder Fünfte bereits Live-Streams schaut. Diese Live-Streams werden dreimal länger gesehen als normale Videos und zehnmal häufiger kommentiert!
Doch was zeichnet einen Live-Stream für Nutzer aus?Dieses Thema diskutierte IKM mit einer Community von intensiven Social Media Nutzern. Es galt herauszufinden, wie verbreitet Live-Streaming in Deutschland ist, welche Themen für einen Livestream in Frage kommen und wie es sich von Nicht-Live-Videos unterscheidet.
Das Besondere für die Unterhaltungskonsumenten ist es „Live dabei sein zu können“. In einer Liveübertragung zählt die Authentizität des Dargestellten.
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Es gibt oft kein vordefiniertes Drehbuch, es ist authentischer, nichts fällt einem Schnitt zunichte, man ist viel näher dran, man kann mit den Protagonisten viel mehr mitfühlen.“
Authentizität bedeutet aber auch: keine Perfektion! Fehler werden nicht nur geduldet, sondern zeichnen den Charme des Videos aus: Live ist Life. Ein Versprecher, ein wackliges Bild oder andere Fehler zeigen, dass das Video nachträglich weder bearbeitet noch geschnitten wurde und den Event nur subjektiv wiedergibt.
Was für viele Zuschauer das Live-Streaming so einzigartig macht, sind die Emotionen und das Gemeinschaftsgefühl. In einem Live-Chatroom gibt es die Möglichkeit mit anderen Fans zu kommunizieren. Die Möglichkeit mit dem Geschehen zu interagieren, indem beispielsweise Fragen gestellt werden, holt die Zuschauer vom Bildschirm mitten ins Geschehen.
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Es gibt einem das Gefühl dabei zu sein. Gemeinsames Erleben ohne vor Ort zu sein (…).“
Das unterscheidet Liveübertragungen in den sozialen Netzen von solchen im Fernsehen. Die Wahl der Themen spielt eine große Rolle. Bei bestimmten Themen ist es für Zuschauer interessanter live zusehen zu können. Das gilt vor allem für Live-Events wie etwa Konzerte, Comedy Veranstaltungen, Produktpräsentationen oder Interviews. Besonders bei Nachrichten und Sportveranstaltungen möchten die Zuschauer auf dem aktuellsten Stand sein und möglichst live zusehen. Nur so erhalten sie den vollen Genuss; ansonsten bekommen sie die Informationen von Dritten in einer gekürzten oder retuschierten Variante.
Live-Stream als Alternative zu dem realen Erlebnis Live-Stream kann eine Alternative zu dem Besuch eines Events sein. Das reale Erlebnis, die persönliche Anwesenheit ist immer noch erstrebenswert. Allerdings, wenn man zeitlich, geographisch oder aufgrund einer Krankheit möglicherweise nicht persönlich teilnehmen kann, verpasst man mit einem Live-Stream keine Sekunde und kann sich außerdem auch noch mit anderen Fans austauschen.
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In Zukunft könnte ich mir vorstellen z.B. bei einem Konzert in New York über Live-Video dabei zu sein.“
Interessanterweise sind die Probanden grundsätzlich bereit für die Option, ortsunabhängig live bei einem Event dabei zu sein, zu bezahlen. Für viele ist jedoch die schlechte Qualität der Live-Streams, wenn Inhalte unscharf, verpixelt und verzögert übertragen werden, häufig ein Grund Live-Streams nicht länger zu verfolgen.
„Es stört mich, dass bislang die Inhalte oft nicht interessant genug sind oder das Ganze sehr verwackelt, bzw. amateurhaft daherkommt. Eine gute inhaltliche Berichterstattung oder ein Kommentator würden das Visuelle enorm aufwerten.“
Oftmals wird kritisiert, dass Belangloses gesendet wird oder die Videoeinstellungen langatmig scheinen. Qualität und Themen sind sicher ein wichtiger Erfolgsfaktor für Live-Streams.
Markenbindung mit Live-Streams erzeugenExklusive Einblicke zu bekommen und das aktuelle Geschehen direkt zu verfolgen verbindet die Zuschauer untereinander aber auch mit einer Marke. Für Unternehmen bietet das viele Möglichkeiten zur Markenbildung, gerade in den Bereichen Branding, Kundenservice, Produktinformationen oder Employer Branding.
Bisher war die Liveübertragung eigener Events nur den Big Playern vorbehalten. Die Interessen von Randgruppen wurden dadurch aber nur unzulänglich bedient.
„Tischtennis schaue ich mir gerne an. So eine Randsportart
wird selten ausführlichen im normalen TV gezeigt.“
Durch den technischen Fortschritt haben aber auch kleine Anbieter heute kostengünstige Möglichkeiten um Videos in HD und Echtzeit zu verbreiten. Alternative oder subkulturelle Events, sei es Randsportarten oder Untergrundpartys, können sich bei der Qualität und der möglichen Reichweite mit den großen Anbietern im Livebereich gut vergleichen.
Letztendlich bietet Livestreaming für das Marketing von Unternehmen weitreichende Möglichkeiten. Fans können global live dabei sein und wichtige Momente mit der Marke teilen.