Die amtierende rot-grüne Bundesregierung wird bei der kommenden
Bundestagswahl mit einem Stimmenanteil von 42,0 Prozent ihre Mehrheit
verlieren, aber sie wird stark genug bleiben, um bei dem zu erwartenden
Abschneiden der neuen Linkspartei einer Koalition aus CDU/CSU und FDP die
Mehrheit zu verwehren. Beim diesjährigen Wahlkampf sind die aktuellen Popularitätswerte von
Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Analyse der Forscher zu stark im
Vergleich zu denen seiner Herausforderin. Der nahezu sichere Einzug der
Linkspartei führt zu einem politischen Patt und macht die Bildung einer
Großen Koalition nach der Bundestagswahl notwendig. Diese Prognose bestätigt
eine Vorhersage, die Gschwend und Norpoth schon Anfang Juni veröffentlicht
hatten. Ihre Ergebnisse beziehen die Wissenschaftler aus einem Prognosemodell, das
bei der Bundestagswahl 2002 seine Feuertaufe bestanden hat. Abgeleitet von
theoretischen Ansätzen zur Erklärung von Wahlverhalten, haben Gschwend und
Norpoth ein statistisches Modell entwickelt, das den damaligen Sieg von
Rot-Grün bereits zu einem Zeitpunkt exakt vorhersagte, als einige
Umfrageinstitute die Wahl zu Gunsten von CDU/CSU und FDP für entschieden
erklärten. Dieses Verfahren lieferte einen Monat vor der Wahl 2002 sogar
genauere Werte für die amtierende Regierungskoalition als alle etablierten
Meinungsforschungsinstitute, einschließlich deren 18-Uhr-Prognosen am
Wahlabend selbst. Während die Meinungsforschungsinstitute mit Umfrage gestützten Methoden
Momentaufnahmen der politischen Stimmung liefern, beruht die Prognose des
Forscherteams aus Mannheim und Stony Brook für den 18. September auf einem
wahlstatistischen Modell. Es bezieht drei Faktoren ein: Erstens den
langfristigen Wählerrückhalt der Regierungsparteien - gemessen als
durchschnittlicher Wahlerfolg bei den vorangegangenen drei Bundestagswahlen.
Dazu kommt zweitens der mittelfristig wirksame Prozess der Abnutzung im Amt
- gemessen durch die Zahl der Amtsperioden der Regierung. Drittens bezieht
das Modell die durchschnittliche Popularität des amtierenden Kanzlers in
Umfragen im Zeitraum von zwei Monaten vor einer Bundestagswahl ein. Mit
Hilfe statistischer Analyseverfahren wird das Zusammenwirken dieser drei
Faktoren und deren Gewichtung für die Stimmabgabe zu Gunsten der jeweiligen
Regierung äußerst genau bestimmt. Für die Prognose zur kommenden Bundestagswahl musste natürlich die Bildung
einer neuen Partei (Linkspartei) berücksichtigt werden, die den Einfluss der
Kanzlerpopularität beeinträchtigt. Der so bereinigte Popularitätswert von
Gerhard Schröder (43 Prozent für Juli und August 2005) zusammen mit den
anderen beiden Modellfaktoren ergibt eine Prognose von 42,0 Prozent an
Zweitstimmen für Rot-Grün am 18. September 2005. Ein solches Ergebnis
schließt eine Schwarz-Gelbe Mehrheit im nächsten Bundestag aber aus, solange
die Linkspartei, wie allgemein erwartet wird, etwa 8 Prozent erringt.
Dr. Thomas Gschwend und Prof. Dr. Helmut Norpoth forschen an zwei
international renommierten Instituten: Die Stony Brook University gehört zu
den führenden politikwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in den USA,
insbesondere im Bereich der Wahl- und Einstellungsforschung. Das Mannheimer
Zentrum für Europäische Sozialforschung, an dem Dr. Thomas Gschwend
arbeitet, ist das größte Forschungsinstitut der Universität Mannheim, die
bundesweit zu den besten Hochschulen im Bereich der Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften zählt.